Berlin. Der SPD-Kanzlerkandidat hat plötzlich gute Chancen, Nachfolger von Angela Merkel zu werden. Seine Karriere hat jedoch auch Brüche.

Es gibt viele Menschen, die von Olaf Scholz eine hohe Meinung haben. Als der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet im „Triell“ gebeten wurde, etwas Gutes über seinen damaligen SPD-Konkurrenten zu sagen, antwortete Laschet: „Er ist lange dabei, hat viel Erfahrung, weiß, was in den Ländern wichtig ist, war Hamburger Bürgermeister und hat unter der Führung von Angela Merkel einen ordentlichen Job gemacht“.

Generalsekretär, Fraktionsmanager, Obmann in einem Untersuchungsausschuss, Kontrolleur der Geheimdienste, Vorsitzender im Vermittlungsausschuss, Innensenator, Bürgermeister und zwei Mal Bundesminister – schließlich sogar Kanzler. Doch Scholz Karriere ist keine bruchlose Linie.

Der Bundeskanzler hat einen Grundsatz: Don’t complain, don’t explain. Beschwere dich nicht darüber, was war – und erkläre es auch nicht. Er selbst macht es zwar nicht, wir schon: Ein Überblick über die größten Erfolge und Pleiten des Olaf Scholz.

Scholz, der Macher: Überwindung der Finanzkrise

Die Banken- und Finanzkrise wird 2008 für die Wirtschaft allmählich zur Bedrohung. Als Arbeitsminister setzt Scholz auf das Kurzarbeitergeld – in mancherlei Beziehung eine Investition mit Weitblick. Denn: So vermeidet er ein Jahr später hohe Arbeitslosenzahlen bei der Bundestagswahl 2009. Man kannte ihn seit 2003 als „Scholzomat“, als Sprechautomat zur Agenda-Politik der SPD. In der Großen Koalition lernt man dann eine neue Seite von dem Hamburger kennen: seine Macherqualitäten.

Wahlerfolg: Scholz holt absolute Mehrheit in Hamburg

Dass man ihn als Wahlkämpfer nicht unterschätzen darf, hat Scholz 2011 bewiesen. Damals errang die SPD mit ihm an der Spitze – nach zehn Jahren in der Opposition – einen fulminanten Wahlsieg in Hamburg. Scholz gewann 48,3 Prozent der Stimmen, die absolute Mehrheit der Mandate, ein Zugewinn von gut 14 Prozentpunkten. Damals erklärte er sich den Erfolg mit der Sehnsucht der Hamburger nach einer „seriösen, pragmatischen und verlässlichen Politik“.

Die Kanzlerschaft: Scholz' Plan geht auf

Als er 2018 Bundesfinanzminister wurde, legte Scholz Wert auf den Titel „Vizekanzler“. Vieles spricht dafür, dass er schon damals die Wahl 2021 im Auge hatte und darüber mit SPD-Chefin Andrea Nahles handelseinig ist. Ihr Rücktritt 2019 bedeutet für Scholz dann: „Gehe zurück auf Los.“ Das wiederholt sich ein Jahr später, als er im Rennen um die Nahles-Nachfolge das Nachsehen hatte.

Umso größer muss die Genugtuung gewesen sein, als die beiden damaligen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ihn im Juli 2020 intern und einen Monat später auch förmlich als Kanzlerkandidaten vorschlugen. Für viele klang das nach einem aussichtslosen Vorhaben – doch Scholz strafte seine Kritiker Lügen. Er überzeugte vor der Wahl und konnte die SPD zur stärksten Kraft im Bundestag machen. Und sich selbst zum Bundeskanzler.

Erfolg für Scholz auch auf dem internationalen Parkett

Juli 2021, Venedig, Treffen der G-20-Finanzminister: die globale Mindeststeuer wird beschlossen. Scholz hatte sie 2018 ins Spiel gebracht und alle überzeugt, die Franzosen, die Europäer und zum Schluss quasi auch noch den Rest der Welt. Schöne Schlagzeilen, noch schönere Bilder gehen um die Welt: Im Wassertaxi braust Scholz durch das schäumende Wasser im Canal Grande.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD, spricht bei einer Wahlkampfkundgebung im Bezirk Mitte.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD, spricht bei einer Wahlkampfkundgebung im Bezirk Mitte. © dpa

Scholz überzeugt: Die Aufholjagd im Wahlkampf

Eine Korrespondentin von Bloomberg TV fragte Scholz in einem Interview zur Bundestagswahl: „Sir, how will you manage to become next chancellor with 15 percent of votes?“ Wie soll einer mit 15 Prozent seinen Anspruch auf die Kanzlerschaft begründen? Die Frage stellte sich tatsächlich. Zu Beginn des Wahlkampfs war seine Kampagne eine Anmaßung. Doch Scholz wurde zum Favoriten – und triumpfierte.

Im Wahlkampf wurde aber auch deutlich: Scholz' kürzliche Erfolge täuschen ein wenig über seine Pleiten hinweg.

Olaf Scholz: Unbeliebt als Innensenator

Das Amt des Innensenators war Scholz' erste Bewährungsprobe. Scholz führt 2001 die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln zur Beweissicherung bei mutmaßlichen Drogendealern ein und hält auch nach einem Todesfall (Achidi John) daran fest. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt den Einsatz von Brechmitteln in Deutschland im Juli 2006 als menschenrechtswidrig. Scholz macht sich unbeliebt.

Während Scholz Bürgermeister war: Das Gipfel-Trauma von Hamburg

Zum Trauma wird für Scholz der G-20-Gipfel im Jahr 2017 in Hamburg – für die Hansestadt eigentlich die beste Chance zur Eigenwerbung. Eigentlich. Denn die Proteste auf der Straße eskalieren zu wahren Gewaltexzessen. „Das Dramatischste, das ich erlebt habe“, erinnert sich Scholz. Bis heute bedrücke es ihn immer wieder, dass er damals, obwohl er es als Erster Bürgermeister zugesagt hatte, die Bürger „nicht so habe beschützen können, wie ich das versprochen habe“, so Scholz.

Der CumEx-Skandal - was hat Scholz damit zu tun?

CumEx-Geschäfte sind Aktiendeals, bei denen der Staat betrogen wird: Eine einmal gezahlte Steuer wird mehrmals erstattet. Die Warburg-Bank hat in Hamburg leichtes Spiel, als Scholz Bürgermeister ist. Als eine Rückerstattung droht, wendet sich ein Banker drei Mal an Scholz. Er kann sich zunächst nur an ein Gespräch erinnern. Ein Fall von politischer Amnesie? Der Skandal verfolgt ihn bis heute.

Zudem spielten im Hamburger Untersuchungsausschuss Dokumente eine Rolle, die mit grüner Farbe unterstrichen waren, die vermeintliche Farbe der Chefetagen – bis eine Sachbearbeiterin der Finanzbehörde zu Protokoll gab, dass sie Stellen grün unterstrichen hatte und dass nicht geregelt sei, wer welche Farbe benutzen dürfe. Da war Scholz buchstäblich wieder im grünen Bereich. Unserer Redaktion sagt er, es habe „keine politische Einflussnahme auf die Steuerverwaltung in Hamburg gegeben“.

Der Wirecard-Betrug: Verantwortung beim Finanzminister?

Der milliardenschwere Wirecard-Finanzskandal wird direkt dem damaligen Finanzminister Scholz zugeordnet, weil die Prüfung der Zahlen und Bücher bei Wirecard definitiv versagt hat. Viele sind darüber gestolpert, der Chef der Finanzaufsicht (Bafin) Felix Hufelde ebenso wie seine Vize Elisabeth Roegele. Die „politische Verantwortung“ aber siedeln Kritiker aber bei Scholz an.

Fremdeln in der Partei - und jetzt doch Kanzlerkandidat

Liebesentzug ist Scholz in der SPD gewohnt. Ob als Generalsekretär oder Vizechef, Scholz hat ein ums andere Mal auf Parteitagen Klatschen kassiert – die mit Abstand heftigste beim Mitgliederentscheid über den Parteivorsitz 2020. Eine Erfahrung, die er mit Gerhard Schröder gemeinsam hat. Scholz war damals ziemlich konsterniert.

Heute dürfte er der Enttäuschung was Positives abgewinnen: Hätte er gewonnen, hätte er sich womöglich nur innerparteilich aufgerieben. Die siegreichen SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter Borjans jedoch befriedeten die Sozialdemokraten, sorgen bis heute für Geschlossenheit und servierten Scholz die Kanzlerkandidatur auf dem Silbertablett. Nach der seltsamen sozialdemokratischen Logik: Nicht gut für die SPD, aber gut für das Land.