Berlin. Die Länge der Auszeit für Schüler, wenn es einen Corona-Fall gibt, sorgt für Kritik. Eltern und Lehrergewerkschaft fordern neue Regeln.

Für Schüler und Schülerinnen, Kita-Kinder und Eltern ist die Quarantäne wegen eines Corona-Falles in der Klasse oder Gruppe ein drohendes Damoklesschwert. In den meisten Bundesländern gilt: Mindestens die Kinder im engen Umfeld des Kindes mit einer Corona-Infektion gelten als Kontaktperson eins und werden damit in eine 14-tägige Quarantäne verabschiedet.

Ob in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Thüringen oder Hamburg. Bayern hingegen, wo die Schule erst Mitte September wieder beginnt, plant „angepasste Quarantäneregeln“, damit nicht wegen eines infizierten Schülers die ganze Klasse in Quarantäne muss.

Corona an Schulen: Lehrerverband fordert Aufrechterhaltung der Schutzmaßnahmen

Selbst wenn die Schüler einen negativen PCR-Test vorweisen können wie zum Beispiel Reiserückkehrer, die damit ihre Quarantäne beenden können, dürfen sie nicht zurück in die Schulen. Meist sind es die Gesundheitsämter, die die Regeln festlegen. Doch diese sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

Derzeit sind es vor allem die jungen Menschen, die sich mit dem Coronavirus infizieren. Der Grund dafür: Nur wenige von ihnen sind bisher geimpft. Erst im August hat die Ständige Impfkommission eine Impfempfehlung für die über Zwölfjährigen ausgesprochen.

Bereits jetzt warnt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, vor einer Durchseuchung der Schulen. Er spricht sich zwar für einen möglichst vollständigen Präsenzunterricht aus, aber nicht zulasten der Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen, diese sollten nicht heruntergefahren werden.

Sieben-Tage-Inzidenz bei 5- bis 14-Jährigen steigt auf 142

Das Robert-Koch-Institut stellt in seinem Wochenbericht zur Corona-Lage fest, dass vor allem die Zahl der Infektionen in Kitas und Schulen sprunghaft angestiegen sind. Im Vergleich etwa mit den Monaten Juni und Juli 2020, in denen die Altersgruppe der Null- bis Fünfjährigen lediglich 27 Prozent der beteiligten Fälle ausmachte, waren es in den Monaten Juni und Juli 2021 schon 48 Prozent. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg in dieser Altersgruppe auf 60, bei den 5- bis 14-Jährigen stieg sie rapide auf 142.

Immer mehr Kinder werden in den nächsten Wochen wieder in Quarantäne geschickt und Unterricht verpassen – und Eltern werden den Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling versuchen müssen. Nehmen Eltern für die Betreuung der Kinder die Kinderkrankentage in Anspruch, droht den gesetzlich Versicherten ein Verdienstausfall von zehn Prozent des Nettolohns.

Corona-Quarantäne auf Minimum begrenzen

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken fordert nun mehr „Solidarität“ mit Familien, Kindern und jungen Erwachsenen. Gerade sie hätten „in der Anfangszeit der Pandemie in hohem Maße Rücksicht genommen und Solidarität gezeigt mit den durch das Coronavirus besonders gefährdeten Älteren und anderen vulnerablen Gruppen“, sagte sie unserer Redaktion.

Esken fordert daher alle Erwachsenen auf, sich impfen zu lassen. Nicht nur zum eigenen Schutz – sondern zum Schutz der Kinder. Und auch um die vierte Corona-Welle einzudämmen.

Beim Bundeselternrat haben viele Eltern in den vergangenen Wochen angerufen, um sich über die langen Quarantäneregeln zu beschweren. Vor allem wenn gleich ganze Klassen wegen eines Schülers oder einer Schülerin für 14 Tage nach Hause geschickt wurden, sorgt das für ziemlichen Unmut bei den Eltern.

Deutschland laut RKI am Beginn der vierten Corona-Welle

weitere Videos

    Corona: Bundeselternrat verweist auf Recht auf Bildung

    Der Bundeselternrat fordert daher: „Die Quarantänemaßnahmen in den Schulen sollten auf das Minimum begrenzt werden. Nur die direkten Kontaktpersonen sollten davon betroffen sein“, sagt Ines Weber vom Vorstand des Bundeselternrates. Weder eine ganze Klasse noch eine ganze Schule dürfe vollständig in Quarantäne geschickt werden.

    Denn alle Schüler hätten ein Recht auf Bildung. Und gerade sie seien es gewesen, die in den vergangenen anderthalb Jahren die Fehler politischer Entscheidungen durch monatelanges Lernen zu Hause zu spüren bekamen. Außerdem dürfe keine „Zweiklassen­gesellschaft“ aufgebaut werden, wenn nicht geimpfte Schüler bei einem Verdachtsfall in Quarantäne geschickt werden, geimpfte Kinder aber davon ausgenommen sind.

    Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft geht in ihren Forderungen indes noch weiter: „Die GEW hält es grundsätzlich für richtig, Schülerinnen und Schüler, die zwar zur ersten Kontaktgruppe eines mit Corona infizierten Kindes gehören, aber einen negativen ­PCR-Test vorweisen können, nicht 14 Tage in Quarantäne zu schicken“, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern unserer Redaktion. Und spricht sich für „bundesweit gültige Leitlinien für die Gesundheitsämter“ aus.