Berlin. „Babylon Berlin“-Star Bruch spricht in einem Video über die “Querdenker“-Demo und beklagt Framing. Wie argumentiert er? Eine Analyse.

„Babylon Berlin“-Star Volker Bruch hält mit Kritik an Corona-Maßnahmen nicht hinterm Berg. Mehr noch: Er sucht die Nähe zur "Querdenker"-Partei. Auch an den jüngsten - im Vorfeld verbotenen - Protestzügen am vergangenen Sonntag in Berlin beteiligte sich der Schauspieler. Später, am selben Tag, ließ er sich dann beim Youtube-Gesprächsformat des Publizisten Paul Brandenburg interviewen.

Unter dem Titel „Cancel Culture, Framing und Videos“ sprachen beide rund 45 Minuten lang in einem Live-Stream über die Proteste. Sie beklagten, Kritiker der Corona-Maßnahmen würden in die rechte Ecke gestellt mit dem Ziel, ihre Kritik auszublenden. Dabei schufen die beiden gewissermaßen ein Lehrstück für das, was sie wortreich debattierten: Framing.

Framing: Was der Begriff bedeutet

Der Begriff stammt aus der Psychologie und Kommunikationswissenschaft. Er beschreibt eine Theorie, nach der durch unterschiedliche Formulierungen einer Botschaft verschiedene Rahmen (engl. frame) entstehen. Dieser Rahmen kann dabei über die Interpretation des Gehörten, Gelesenen oder Gesagten entscheiden.

Ein Beispiel für eine so bewusst herbeigeführte Auslegung einer Botschaft lieferte eine Studie aus den USA im Jahr 2007. Sie untersuchte, wie Politikerinnen und Politiker sowie Medienschaffende über das Thema „Abtreibungsverbot“ sprachen und fand heraus, dass Befürworter mit Vorliebe das Wort „Baby“ benutzten, Gegner hingegen von „Föten“ sprachen, die abgetrieben werden.

Der Schauspieler Volker Bruch fiel in der Vergangenheit bereits häufiger durch seine Nähe zu den sogenannten Querdenkern auf.
Der Schauspieler Volker Bruch fiel in der Vergangenheit bereits häufiger durch seine Nähe zu den sogenannten Querdenkern auf. © Gerald Matzka/ZB/dpa

Wie Framing funktioniert

Ein Experiment dazu ergab, dass Leserinnen und Leser, die ausschließlich Texte lasen, in denen von Föten die Rede war, Abtreibungsverboten eher negativ gegenüberstanden – wer hingegen nur von Babys las, stand solchen Verboten positiv gegenüber. Erklären lässt sich das laut der Studie so: Bei „Baby“ denken Menschen an ein Lebewesen, mit Händen und Gesicht; „Fötus“ hingegen beschreibt einen Zellhaufen, dem menschliche Eigenschaften fehlen und dessen Abtreibung daher eher als unproblematisch bewertet wird.

Mit bestimmten Formulierungen sind also oft bestimmte Absichten verbunden. Umstritten ist in der Framing-Forschung unter anderem, wie sehr sich Empfängerinnen und Empfänger einer Botschaft davon beeinflussen lassen.

Geprägt hat den „Framing“-Begriff in den 90er-Jahren der US-amerikanische Kommunikationswissenschaftler Robert Entman. Er identifzierte vier Bestandteile eines „frames“: Problemdefinition, Ursachenzuschreibung, Bewertung und Lösung – und genau diese vier Bestandteile lassen sich in dem Youtube-Video mit Volker Bruch entdecken.

Volker Bruch im Video: Die Problemdefinition

Zu Beginn des Gesprächs schildert Schauspieler Bruch zunächst seine Eindrücke von dem Protestzug. Er redet von Hubschraubern und „Robocops“, die Menschen in Panik versetzt hätten. Dabei sei die Stimmung „friedlich“ gewesen, die Teilnehmenden hätten lediglich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen wollen.

Später im Video beschreibt Brandenburg die Stimmung in den Protestzügen als „volksfestartig“. Anzeichen für Rechtsextreme unter den Teilnehmenden, etwa Reichskriegsflaggen oder Frakturschrift, wollen beide nicht gesehen haben.

Das Problem verorten Bruch wie Brandenburg dabei einerseits im Verbot der in ihren Augen friedlichen Versammlungen durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG). Anderseits beklagen die beiden Gesprächspartner das Vorgehen der Polizei. Es sei „höchstproblematisch“, dass die Beamtinnen und Beamten „mit so einer Aggression“ gegen die Menschen vorgegangen seien, befindet etwa der Schauspieler Bruch.

Die Ursachenzuschreibung

Die Ursache für Vorgehen der Polizei und Verbot der Versammlung sehen die beiden im angeblichen Framing der „Querdenker“ und Kritiker der Corona-Maßnahmen als Rechte oder gar Rechtsextreme.

„Die Nazikeule wirkt“, sagt Bruch. Viele Menschen trauten sich nicht mehr, zu sagen, was sie denken, aus Angst in die rechte Ecke gestellt zu werden. „Deswegen ist dieses Framing auch so schlimm“, so Bruch. Ohne Framing würden mehr Menschen „den Mund aufmachen”.

Die Bewertung

In der Bewertung des Wahrgenommenen sind sich Brandenburg und Bruch einig. Mit den Veranstaltungsverboten durch das OVG seien „Grenzen des Demokratischen” überschritten worden, befindet etwa der Buchautor.

Bruch, der die Taktik der als „Robocops” entmenschlichten Polizistinnen und Polizisten als aggressiv bewertet hat, stimmt dem zu. Justiz und Exekutive, zwei der drei Säulen der demokratischen Gewaltenteilung, handelten in den Augen der beiden also undemokratisch.

Die Lösung

Im letzten Viertel des Gesprächs diskutieren Bruch und Brandenburg dann, wie sich das Problem lösen lasse, dass Menschen sich nicht mehr trauten, ihre Meinung frei zu äußern. „Wie ändern wir den Ist-Zustand?”, nimmt Brandenburg eine Frage aus dem Publikum des Live-Streams auf.

Bruch gibt zurück, dass die „berechtigte Angst“ vor dem Framing überwunden werden müsse. Die Menschen müssten weiter ihre Meinung äußern, ungeachtet der vermeintlichen Konsequenzen, wie Jobverlust, Kündigung von Mietverhältnissen oder Freundschaften.

Brandenburg und Bruch haben auch eine Lösung für die „regierungsnahe” Seite parat: Sie sollen ihre „verdrängten Ängste” reflektieren, Fehler aufarbeiten und Irrtum eingestehen. Das passiere in den Augen Bruchs nicht, er verweist auf „Divigate” und den Maskenskandal, die beide angeblich nicht aufgearbeitet worden seien, Brandenburg widerspricht dem nicht.

„Missionieren”, also andere von der eigenen Sichtweise überzeugen, sei hingegen keine Lösung. „Das mache ich überhaupt gar nicht”, so Bruch, es bringe nichts. Auch Brandenburg sieht darin keinen Sinn, man könne „niemanden vor sich selbst retten“.

Das Frame

In den knapp 45 Minuten Gespräch stellen Bruch und Brandenburg also die Teilnehmenden von verbotenen Protesten einerseits als überwiegend friedliche Bürgerinnen und Bürger dar, denen die Staatsmacht das Wort verbietet, während sie gleichzeitig mit Polizeigewalt gegen die Menschen vorgeht.

Darin enthalten ist die Unterstellung, in Deutschland würden Meinungen und auch teils legitime Kritik an Corona-Maßnahmen unterdrückt. Skandale würden nicht aufgearbeitet oder blieben folgenlos, was die Verantwortlichen in der Politik in die Nähe einer korrupten Machtelite rückt.

Den vermeintlich Unterdrückten raten beide, sich nicht unterdrücken zu lassen. Ihrer Gegenseite unterstellen sie Ängste, die ihre Handlungen antreiben und vor denen sie nicht gerettet werden wollen. Damit sprechen Bruch und Brandenburg ihren Gegnern die Gesprächsbereitschaft ab. Gleichzeitig stellen sie den Sinn eines Gesprächs in Frage.

Den Rahmen, das „frame”, das die beiden ihren Botschaften damit geben ist der einer Diktatur, die – wie zuletzt etwa in Belarus gesehen – Regierungskritik mit teils tödlicher Gewalt begegnet. Und das alles, ohne einmal die Worte „Deutschland”, „Bundesrepublik“ und „Diktatur” in einem Satz zu nennen.