Berlin. Ein Test kann feststellen, wie viel Schutz die eigene Corona-Impfung bietet. Doch wie sinnvoll ist das? Darüber streiten Experten.

Es ist ein Wettlauf: Lassen sich die Deutschen schnell genug impfen, um die Ausbreitung der Delta-Variante zu stoppen – oder zumindest die schlimmsten Folgen abzumildern? Knapp 60 Prozent der Deutschen sind mindestens einmal geimpft. Die Wissenschaft führt bereits die Debatte, wann eine erneute Auffrischimpfungen nötig sein könnte. Noch ist unklar, wer die dritte Impfung mit Biontech, Moderna oder Astrazeneca braucht.

Ob eine Impfung wirkt wie gewünscht, können spezielle Antikörpertests erkennen. Laborärzte und Diagnostiker plädieren dafür, die Tests zahlreich einzusetzen. Doch die Ständige Impfkommission (Stiko) widerspricht. Für wen ist die Überprüfung der eigenen Immunantwort also sinnvoll?

So funktioniert der Test für den Impfschutz

Als Immunantwort bezeichnen Medizinerinnen und Mediziner die Reaktion des Körpers auf den Impfstoff. Je mehr Antikörper das Immunsystem nach der Impfung bildet, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit Corona zu infizieren - und desto besser ist somit auch die Immunantwort. Ganz unabhängig von dem verimpften Vakzin, können aber auch Alter und Vorerkrankungen die Immunantwort beeinflussen.

Ein schwaches Immunsystem, zum Beispiel von Menschen mit einer Krebserkrankung, bildet möglicherweise weniger Antikörper nach der Impfung. "Die individuelle Antwort auf die Impfung kann sehr unterschiedlich sein", sagt Dr. Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

Immunschutz: Diese Werte sind ausschlaggebend

Um den individuellen Immunschutz herauszufinden, können Mediziner und Medizinerinnen auf neutralisierende Antikörper testen, die sich bei der Impfung bilden. Diese Antikörper blockieren die Andockstellen des Spike-Proteins des Coronavirus. Über diese Andockstellen gelangt das Virus in die Zellen. Die Impfung könne man sich also vorstellen "als würde man einen Schlüssel mit Kaugummi verkleben, damit er nicht mehr ins Schloss passt und nutzlos wird", sagt Falk.

Wann kommt die Corona-Impfauffrischung?

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    Um festzustellen, wie stark der "Schlüssel" verklebt ist, wird eine Blutprobe darauf untersucht, ob sie spike-spezifische Antikörper enthält. Diagnostiker haben dafür bei den gängigsten Tests den relativen Wert "AU/ml" festgelegt.

    Bei einem Wert unter 50 ist kein Antikörper gegen das Spike-Protein nachweisbar. "Liegt der Wert zwischen 50 und circa. 1000 ist der Impfschutz eher gering", sagt Falk. Eine gute Immunantwort liege bei einem Wert von 1000 AU/ml oder darüber vor. Insgesamt geht die Skala bis 40.000 AU/ml.

    Laborärzte fordern Ausweitung der Antikörpertests

    Lässt sich also einfach anhand dieser Skala ablesen, wann eine Auffrischungsimpfung notwendig ist? Der Berufsverband Deutscher Laborärzte fordert bereits mehr Antikörpertests, um neutralisierende Antikörper nachzuweisen. In Österreich werden diese Tests bereits als Teil der nationalen Teststrategie genau dafür benutzt. Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) spricht sich dafür aus, dass auch Deutschland diesen Weg geht.

    Hierzulande ist die Teststrategie noch darauf ausgelegt, eine Infektion so schnell und einfach wie möglich zu erkennen, um deren Ausbreitung zu verhindern. Daher werden Antikörpertests auch nur durchgeführt, wenn Corona-Symptome auftreten. Dann ist eine klinische Indikation also eine medizinische Notwendigkeit dafür gegeben. Ohne diese müssen Testwillige die Kosten selbst übernehmen, so die Techniker Krankenkasse auf Anfrage.

    Heißt: Wer seine eigene Immunantwort mittels Antikörpertest vorsorglich überprüfen will, muss selbst zahlen. Der VDGH argumentiert: Könnten mehr Menschen diesen Test machen, dann hätten auch mehr Menschen Vertrauen in die Wirkung der Impfung.

    Sinnhaftigkeit von Impfschutz-Tests: Stiko widerspricht

    Dr. Christian Bodgan, Mitglied der Stiko, widerspricht: "Eine anlasslose Testung von allen Covid-19-Geimpften zu propagieren, ist nicht zielführend und erweckt den Eindruck eines Geschäftsmodells." Die Stiko lehnt bisher eine generelle Überprüfung der Immunantwort durch einen Antikörpertest ab. "Wir führen doch auch bei Impfungen gegen andere Erkrankungen keine routinemäßigen Kontrollen des Impferfolgs mittels Antikörpermessungen durch", sagt Bodgan. Zumal nicht nur die Antikörper der Impfung zum Schutz vor Corona beitragen würden.

    Mehrere Studien zeigen, dass auch T-Zellen von Corona befallene Zellen erkennen und zerstören können. "Zur Beantwortung der Frage, wann Auffrischungsimpfungen nach einer Covid-19-Grundimmunisierung notwendig sind, ist in erster Linie relevant, ob und wann vermehrt Durchbruchsinfektionen und -erkrankungen beobachtet werden", sagt Bodgan.

    Bei einer Durchbruchsinfektion infiziert sich eine Person trotz überstandener Covid-Erkrankung oder vollständiger Impfung mit dem Coronavirus. Bisher gäbe es dazu laut Bogdan noch keine ausreichenden Daten.

    In Altenheimen wird der Impfschutz bereits überprüft

    "Flächendeckend kann man die Tests auf die Stärke der Immunantwort nicht machen", sagt auch Christine Falk. Doch gerade für Risikogruppen wie Patienten mit onkologischen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen oder Transplantationen seien die Tests sehr sinnvoll.

    Aufgrund des angegriffenen oder absichtlich unterdrückten Immunsystems zeigen diese Patientinnen und Patienten häufig eine schwache Immunantwort auf die Impfung.

    Falk zählt zur Gruppe mit einer möglicherweise schwachen Immunantwort zudem Personen über 80 Jahre. "Da haben ja viele Heime bereits angefangen zu messen, um rauszufinden, für wen eine Auffrischungsimpfung notwendig sein wird." Außerhalb der Heime bleibt die Lage unklar. Tests auf Infektionen werden wohl erst einmal die Regel bleiben – Tests auf den Impfschutz die Ausnahme.