Portland/Los Angeles. Rekordtemperaturen von mehr als 49 Grad im Westen Nordamerikas: Menschen flüchten vor der Sonne in riesige Kühlhallen, Dörfer brennen.

  • Eine Hitzewelle hat den Nordwesten der USA und den Südwesten Kanadas im Griff
  • Die Temperaturen erreichen an manchen Orten beinahe 50 Grad Celsius
  • In großen Kühlhallen versuchen die Menschen, sich an den heißen Tagen abzukühlen

Das kleine kanadische Dorf Lytton liegt etwa 260 Kilometer nordwestlich von Vancouver. Lytton hat gerade einmal 259 Einwohnerinnen und Einwohner und wäre so eigentlich keiner Erwähnung wert - wenn der Ort nicht in den vergangenen Tagen mehrere Hitzerekorde für Kanada aufgestellt hätte.

49,6 Grad Celsius zeigten die Thermometer am Dienstag in Lytton. So warm war es noch nie in Kanada. Und schon einen Tag später kam es für die Bewohnerinnen und Bewohner in Lytton noch schlimmer: Am Mittwochabend ordnete Bürgermeister Jan Polderman die Evakuierung des Ortes an, weil mehrere Feuer in Lytton loderten.

"Es ist schrecklich, die ganze Stadt steht in Flammen", sagte Polderman dem Fernsehsender CBC. "Es dauerte etwa 15 Minuten vom ersten Rauchanzeichen bis zu dem Punkt, an dem plötzlich überall Feuer war."

Hitzewelle fordert viele Todesopfer

Die Hitzewelle hat den Südwesten Kanadas, aber auch den sonst milden Nordwesten der USA fest im Griff - und fordert viele Opfer. In der kanadischen Provinz British Columbia wurden von Freitag bis Mittwoch 486 plötzliche und unerwartete Todesfälle gemeldet. Die Zahl liegt damit 195 Prozent über dem üblichen Durchschnitt in einem vergleichbaren Zeitraum.

Auch in der US-amerikanischen Metropole Portland ist es brutal heiß, zeitweise stiegen die Temperaturen hier auf 47 Grad Celsius. Wer Abkühlung während der Hitzewelle sucht, flüchtet ins angenehm klimatisierte Oregon Convention Center. In früheren Zeiten fanden in der Mehrzweckhalle am Ufer des Willamette River Popkonzerte statt, während der Pandemie wurde sie zur Obdachlosenunterkunft – und nun zum „Cooling Center“, einer Art Großraumkühlschrank für temperaturgeplagte Stadtmenschen.

Portland: Menschen flüchten vor der Hitze in Kühlhallen

Mitten in diesem amerikanischen Hitzedrama werden die in vielen Städten eröffneten Kühlhallen zur letzten Rettung. In Portland liegen die Menschen erschöpft und fast nackt auf Matratzen, einige haben ihre Hunde mitgebracht. Tag und Nacht bitten Männer und Frauen um Einlass, die Zentren sind 24 Stunden lang geöffnet. Lesen Sie auch: So einfach baut man sich eine Klimaanlage für zu Hause

Das „Cooling Center“ in Portland bietet mehreren Hundert Menschen Schutz vor der Sonne.
Das „Cooling Center“ in Portland bietet mehreren Hundert Menschen Schutz vor der Sonne. © Reuters | MARANIE STAAB

„Diese Hitze ist für den Körper eine Qual. Schon ein paar Stunden im Cooling Center helfen, damit klarzukommen“, beschwört Jennifer Vines, die Gesundheitsbeauftragte von Multnomah County, zu dem Portland gehört. Sie mahnt: „Die Situation ist lebensbedrohlich.“ Gerade für Ältere und Kranke.

Vines sorgt sich außerdem um Menschen mit geringem Einkommen, die in einfachen Holzhäusern oder Wohnwagen leben. Rund ein Drittel der Häuser in Portland ist nicht klimatisiert, berichtet die „Washington Post“. In der ebenfalls hitzegeplagten Stadt Seattle sind es sogar zwei Drittel der Wohngebäude, die von der Sonne gnadenlos aufgeheizt werden. Lesen Sie auch: Waldbrand: Wann die Gefahr groß ist und was man tun kann

Behörden warnen vor einer „historischen und gefährlichen Hitzewelle“

Während Mitarbeiter von Wohltätigkeitsorganisationen gekühlte Wasserflaschen an Bedürftige verteilen und Eltern sich mit ihren Kindern stundenlang in innerstädtischen Springbrunnen erfrischen, schlagen die Behörden Alarm. Kanadas Umweltministerium gab Warnungen für British Columbia, Alberta und weitere benachbarte Regionen heraus. Die Temperaturen liegen dem Ministerium zufolge 10 bis 15 Grad über den Normalwerten.

Eine ähnliche Warnung vor einer „historischen und gefährlichen Hitzewelle“ veröffentlichte der nationale Wetterdienst der USA für die Bundesstaaten Washington und Oregon. Auch interessant: Kein Alkohol in der Sonne? Die größten Hitze-Irrtümer

Der Westen der USA ist Extremwetter seit Jahren gewohnt – aber was die Gegend dieser Tage erleidet, ist laut Experten eine Wetternotlage. Bereits Mitte Juni wurden Kalifornien, Nevada, Utah, Arizona und Teile von Colorado von der Hitze heimgesucht, überall maßen Meteorologen neue Rekorde. In der Wüstenstadt Phoenix war es zeitweise 48 Grad Celsius heiß.

Seen in Kalifornien verlieren Wasser

Mittlerweile hat sich das dafür verantwortliche Hochdruckgebiet ausgebreitet. Solche Hitzewellen seien aufgrund des Klimawandels in Zukunft häufiger zu erwarten, prophezeien Forscher. Wird sogar Oregon unbewohnbar, wo es sonst im sommerlichen Durchschnitt angenehme 26 Grad Celsius warm ist?

Fast ausgetrocknet: Der Wasserstand des Lake Oroville, eines der größten Stauseen Kaliforniens, ist um 65 Prozent gesunken.
Fast ausgetrocknet: Der Wasserstand des Lake Oroville, eines der größten Stauseen Kaliforniens, ist um 65 Prozent gesunken. © Aude Guerrucci / Reuters

Wohin die Dauerdürre führt, lässt sich am Lake Oroville beobachten, einem der größten Stauseen Kaliforniens. Dessen Wasserstand ist in den letzten zwei Jahren um 58 Meter gesunken. Die meisten Bootsanlegestellen sind bereits geschlossen – der See ist zum Tümpel verkommen.

Ein Ende der großen Trockenheit ist nicht in Sicht: Die Hitzewelle, warnt der US-Wetterdienst, werde die ganze Woche über an­dauern.