Washington. Ein digitales Watergate: Trumps Justizministerium ließ US-Demokraten ausspähen – und Apple musste helfen. Die Wut in den USA ist groß.

In der Zeit der Russland-Affäre hat Donald Trump niemand so stark mit insistierenden Fragen zugesetzt wie die demokratischen Kongress-Abgeordneten Adam Schiff und Eric Swalwell. Ihr Wirken im Geheimdienst-Ausschuss des Repräsentantenhauses hat die Parlamentarier, wie jetzt herauskam, zur Zielscheibe einer regierungsamtlichen Intervention gemacht, die man laut Demokraten in totalitären Regimen oder Bananen-Republiken vermuten würden – nicht aber in den Vereinigten Staaten von Amerika. "Wie Watergate, nur digital", hieß es in demokratischen Kreisen.

Danach habe sich das Justizministerium dafür hergegeben, wie seinerzeit von Trump mehrfach öffentlich gefordert, Kommunikationsdaten von Schiff und Swalwell abzufischen. Zu diesem Zweck wurde der Apple-Konzern 2018 strafbewehrt dazu gezwungen, die Daten der Abgeordneten und mehrerer Mitarbeiter und Familienmitglieder herauszugeben; darunter war auch ein Kind.

USA: Lauschangriff auf gewählte Volksvertreter

Über die seltene Aktion, für gewöhnlich spionieren amerikanische Regierungen nicht ihre gewählten Volksvertreter aus, musste Apple bis jetzt Stillschweigen bewahren. Erst die neue Führung im Justizministerium machte Schiff und Swalwell darauf aufmerksam, dass sie Opfer eines Lauschangriffs geworden waren.

Damit wollte das seinerzeit von Trumpianern wie Jeff Sessions und später von seinem Nachfolger William Barr geführte Justizministerium herausfinden, ob die Parlamentarier Interna aus den Russland-Untersuchungen von Sonder-Ermittler Robert Mueller an die Medien durchgestochen haben. Das Resultat lautete: nein.

Die demokratische Führungsetage vertreten durch die Top-Leute in beiden Kammern des Kongresses, Nancy Pelosi (Repräsentantenhaus) und Chuck Schumer (Senat), reagierte erwartungsgemäß harsch, sprachen von einem "schockierenden Machtmissbrauch". Eine andere Abgeordnete sprach inoffiziell von "Stasi-Methoden". Das Nachspiel beginnt erst in der kommenden Woche und hat das Zeug zum Washingtoner "Sommer-Theater". Der Generalinspekteur im Departement of Justice (DOJ) ist offiziell von der Spitze des Hauses beauftragt worden, die Aktion nachträglich zu untersuchen.

US-Demokraten abgehört: Ex-Justizminister sollen vor Kongress aussagen

Unterdessen sollen die ehemaligen Justizminister der Ära Trump, Jeff Sessions und William Barr, per Zwangsvorladung vor dem Kongress darüber aussagen, ob und wie sie auf Trumps Wünsche eingegangen sind, das Ministerium als seine private Anwaltskanzlei gegen lästige Kritiker in Stellung zu bringen.

Vor allem Barrs Einlassungen werden auf Interesse stoßen. Im Mai 2019 hatte die heutige Vizepräsidentin Kamala Harris ihn im Senat gefragt, ob Trump oder sonst wer aus dem Weißen Haus ihn jemals gebeten oder ihm vorgeschlagen habe, eine Untersuchung gegen jemanden in die Wege zu leiten.

Barr, ein erfahrener Mann, der schon zu Bush-Zeiten im Ministerium tätig war, verfiel in ein langes Schweigen und redete sich mit der Bemerkung hinaus, er wisse nicht, was er von dem Wort "vorschlagen" halten soll. Im aktuellen Fall weist er alle Verdächtigungen und Vorwürfe von sich.

US-Präsident Donald Trump (l) und Justizminister Jeff Sessions während einer Abschlussfeier in der FBI-Akademie (Archivbild)
US-Präsident Donald Trump (l) und Justizminister Jeff Sessions während einer Abschlussfeier in der FBI-Akademie (Archivbild) © dpa | Evan Vucci

Wut in sozialen Netzwerken: "Schlimmer als Watergate"

Dabei ist aktenkundig, dass Trump in seiner Wut auf die Demokraten mehrfach Ermittlungen gegen Schiff gefordert hatte, der damals als ranghöchster Demokrat im Geheimdienstausschuss sein unerbittlicher Gegner war und maßgeblich das später gescheiterte Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten vorangetrieben hatte. Nicht nur das: Unter Trump ließ das US-Justizministerium auch Reporter der "Washington Post", der "New York Times" und des Nachrichtensenders CNN heimlich ausforschen.

Im Licht der neuen Entwicklungen, die in sozialen Medien tausendfach mit den Worten "schlimmer als Watergate" bezeichnet wurden, kommt wieder ins Bewusstsein, wie massiv Donald Trump in Potentaten-Manier immer wieder den Rechtsstaat zu beugen versucht hat, um Verfolger abzustrafen. Er feuerte FBI-Chef James Comey. Er bedrängte seinen ersten Justizminister, Jeff Sessions, FBI-Vize Andy McCabe zu entlassen.

Überwachung unter Trump: Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht

Er beauftragte seinen früheren Rechtsbeistand Don McGahn, Sonderermittler Robert Mueller abzusetzen, was der Jurist verweigerte. Er verlangte strafrechtliche Untersuchungen gegen Hillary Clinton und Joe Biden. Er forderte Strafverschonung für die mehrfache überführten Lügner in der Russland-Affäre, Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn und Trump-Berater-Unikum, Roger Stone.

In Washington setzt sich in Regierungskreisen der Eindruck fest, dass das ganze Ausmaß der Trump`schen Überwachungsmaßnahmen, die allesamt mit der Verfassung auf Kriegsfuß stünden, noch gar nicht bekannt ist. In US-Medien hieß es, die sich häufenden Fälle hätten das Zeug zum bestimmenden "Sommer-Theater" zu werden.