Durban. Eine HIV-positive Frau trug 32 Corona-Mutationen in ihrem Körper. Der besorgniserregende Befund ist für ganz Afrika von Bedeutung.

Während die ärmeren Länder der Welt mit rasanten Anstiegen der Corona-Infektionen zu kämpfen haben und sehnlichst auf Impfstoffe warten, dokumentieren Forschende in Südafrika eine weitere unheilvolle Entwicklung: die Kollision der Pandemie mit HIV.

Der Fall einer Frau aus Südafrika erregt Aufsehen: Die 36-Jährige trug das Coronavirus sieben Monate lang in sich. Ihr Körper entwickelte dabei 32 Corona-Mutationen, von denen einige besorgniserregend zu sein scheinen. Die Patientin ist HIV-positiv, befindet sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit und hat ein entsprechend schwaches Immunsystem.

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Das Ergebnis der Einzelstudie könnte nahelegen, dass eine HIV-Erkrankung potenziell zur Variantenbildung beim Coronavirus beiträgt. Bislang sei nicht klar, ob die Mutationen, die die Erkrankte in sich trug, an andere weitergegeben wurden, berichtet die „Los Angeles Times.“ Einige der gefundenen Mutationen wurden als besorgniserregend eingestuft, zum Beispiel:

  • die E484K-Mutation: Sie ist die Teil der Alpha-Variante (B.1.1.7), die zuerst in Großbritannien festgestellt wurde
  • die N510Y-Mutation: Diese ist Teil der Beta-Variante, die zuvor als in Südafrika erstmalig festgestellte B.1.351-Variante bekannt war

Corona-Mutationen ändern Verhalten des Virus

Von den 32 Mutationen des Coronavirus, die im Körper der 36-Jährigen festgestellt werden konnten, wurden laut dem Bericht insgesamt 13 Mutationen am Spike-Protein erkannt. Das Spike-Protein ist die nach außen ragende Hülle des Virus. Es ist für die Bindung an eine Wirtszelle nötig.

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Die meisten Mutationen richten sich gegen das sogenannte Spike-Protein. Dadurch wird das Virus ansteckender bzw. kann sich besser verbreiten. Neben den 13 Mutationen am Spike-Protein wurden zusätzliche 19 gefunden, die das Verhalten des Virus verändern könnten.

Der Fallbericht der 36-Jährigen wurde Anfang Juni als Preprint auf dem Dokumentenserver für wissenschaftliche Fachpublikationen, medRxiv, veröffentlicht. Bislang wurde dieser noch nicht von anderen Forschenden begutachtet.

Corona: Trägt HIV zur Mutationsbildung bei?

Sollten weitere solcher Fälle gefunden werden, würde dies die Annahme bestärken, dass HIV zur Mutationsbildung beitragen kann. Das könnte daran liegen, dass HIV-positive Personen ein geschwächtes Immunsystem haben, sagte der Autor der neuen Studie, Tulio de Oliveira, im Gespräch mit der „LA Times.“ Oliveira ist Genetiker an der Universität von KwaZulu-Natal in Durban. Er nimmt an, dass Betroffene das Virus aufgrund ihres schwachen Immunsystems länger in sich tragen könnten.

Für eine verlängerte Infektion, wie die der 36-Jährigen, sei aber eine enorme Immunschwäche erforderlich, betonte Juan Ambrosini, Professor für Infektionskrankheiten an der Universität von Barcelona. Die Frau in der Fallstudie war immunsupprimiert, das heißt ihr Immunsystem wurde durch Medikamente stark geschwächt.

Corona-Patienten werden in einem Krankenhaus in Pretoria, Südafrika, mit Sauerstoff behandelt. (Archivbild)
Corona-Patienten werden in einem Krankenhaus in Pretoria, Südafrika, mit Sauerstoff behandelt. (Archivbild) © dpa | Jerome Delay

Immunschwache Menschen tragen Coronavirus wohl länger als andere

Der Fall der 36-Jährigen hätte leicht unbemerkt bleiben können. Denn als die Frau im Krankenhaus behandelt wurde, zeigte sie nur leichte Symptome von Covid-19. Auf die zahlreichen Mutationen stießen die Forschenden lediglich, weil die Erkrankte an einer Studie teilnahm. Für diese wurden 300 Menschen mit HIV hinsichtlich ihrer Immunantwort auf Covid-19 untersucht.

Dabei fanden die Forscher auch heraus, dass vier weitere HIV-Kranke ebenfalls das Coronavirus länger als einen Monat in sich trugen. Auch bei anderen Patienten mit geschwächten Immunsystemen konnte das Coronavirus über längere Zeiträume im Körper festgestellt werden, so Ambrosini.

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Der neue Befund der 36-Jährigen ist besonders für Afrika von Bedeutung. Auf dem Kontinent leben derzeit laut den Vereinten Nationen mehr als 26 Millionen Menschen mit HIV. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt, dass ein starker Anstieg der Covid-19-Fälle zu einer neuen Corona-Welle auf dem gesamten Kontinent führen könnte.

(amw)