Berlin. Von Impfpriorisierung bis Schulöffnung – eine muntere Runde diskutierte über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Wahlkampf.

  • Die Corona-Zahlen sinken immer stärker in Deutschland, während die Zahl der gegen Corona geimpften Menschen täglich steigt
  • Auch bei "Markus Lanz" ging es am Mittwoch um die aktuelle Corona-Lage
  • Virologe Streeck sieht die Gefahr einer vierten Welle nicht gebannt - trotz des Impffortschritts in Deutschland

„Jetzt sind die Kinder erst einmal wieder dran“, bekräftige Christina Berndt von der Süddeutschen Zeitung bei „Markus Lanz“, meinte damit aber nicht, dass sie als nächstes geimpft werden sollten. Weil der Nutzen einer Impfung bei Kindern relativ gering sei – „sie infizieren sich seltener und noch viel seltener sterben sie“ – dürfe es für sie auch keinen Impfzwang durch die Hintertür geben, etwa durch die Forderung von Fluggesellschaften, nur Geimpfte an Bord zu lassen.

Gemeint war das Wohl der Kinder und Jugendlichen, die bisher wie keine andere Gruppe unter dem nicht endenden Lockdown leiden würden, erklärte sie. „Sie brauchen die Schule, die muss jetzt endlich wieder öffnen.“ Es war ja nicht so, dass das Corona-Thema aus dem Lanz-Talk verschwand, nur weil alle Studiogäste die Wiedereröffnung der Außengastronomie und Ladengeschäfte begrüßten. Es gab genug aktuelle Aspekte, über die zu reden sich noch lohnte. Ob es sinnvoll war, die Kinder zu impfen, zum Beispiel.

Oder dass ein „fataler Fehler“ war, die Impfpriorisierung Anfang Juni auszusetzen, wenn immer noch nicht ausreichend Impfdosen geliefert waren. Oder wie „wenig wahrscheinlich“ es war, dass das Virus durch einen Unfall aus einem Labor in Wuhan entwichen war, wie das Wallstreet Journal kürzlich vermutete.

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"Markus Lanz": 60 Prozent der Menschen glauben, die Pandemie sei vorüber

In seiner Sendung am Mittwoch wollte Markus Lanz aber auf jeden Fall schon mal einen Blick „über den Sommer hinaus“ werfen: Wann hat die Pandemie ein Ende? Und wie bald wird das wirklich sein?

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Robin Alexander, Journalist
  • Christoph Ploß, Politiker
  • Prof. Hendrik Streeck, Virologe
  • Christina Berndt, Journalistin

Die Pandemie ist noch nicht vorbei, auch wenn das laut einer Forsa-Umfrage 60 Prozent der Menschen inzwischen glaubten, bestätigte Hendrik Streeck. Der Virologe von der Universität Bonn ließ sich auch auf keine Vorhersage ein, wie die Situation im Herbst aussehen würde: Vielleicht gäbe es eine vierte Welle, vielleicht würde aus dem pandemischen ein endemisches Geschehen werden, „mit dem wir es dann immer wieder“ zu tun haben.

„Wir müssen über den Sommer die Entwicklung der Inzidenzen beobachten und lernen, welche Hygienekonzepte etwas bringen“, plädierte der Virologie am Uniklinikum Bonn für mehr Geduld. Diese Debatte war nicht neu. „Schon im letzten Frühjahr haben wir das gesagt“, schaltete sich Welt-Journalist Robin Alexander in die Diskussion ein. „Und was ist passiert? Nichts“, setzte er entnervt hinzu. „In den Schulen sind immer noch keine Luftfilter installiert.“

Welt-Journalist Alexander: Kinder werden in der Pandemie benachteiligt

Damit spätestens war die muntere Corona-Talk-Runde im deutschen Wahlkampf angekommen. Denn dass die Kinder so schlecht während der Pandemie behandelt wurden, lag seiner Meinung nach daran, dass sie weder ein Wahlrecht noch eine Lobby hatten. „Wir sind ein durch Kinderlosigkeit geprägtes Land“, analysierte er. Politik aber wäre immer auch ein Verteilungskampf, und Familien nur mehr eine Minderheit.

Eingeladen, um sein neues Buch „Machtverfall. Merkels Ende und das Drama der deutschen Politik“ zu promoten, ließ er sich von Markus Lanz dann gerne darauf ein, von seinen Recherchen zur aktuellen Lage der CDU zu berichten.

Identitätskrise der CDU

Die Pandemie im letzten Jahr ihrer Kanzlerschaft habe auch den Machtverfall von Angela Merkel offenbart. „In Washington wurde sie als Trump-Gegenspielerin gefeiert. Und Zuhause konnte sie noch nicht einmal die Herren Haselhoff und Ramelow einsammeln“, spielte Alexander auf ihr schwaches Durchsetzungsvermögen bei der Ministerpräsidentenkonferenz vor Ostern an.

Der Machtkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder, im April als „Gemetzel auf offener Bühne“ ausgetragen, habe dagegen schon im August 2019 bei der Klausurtagung der CDU in Dresden begonnen: Da war Annegret Kramp-Karrenbauer noch CDU-Vorsitzende, als beide schon „bei einer Zigarette auf dem Balkon miteinander frotzelten“, wer von beiden bei der Bundestagswahl den Kanzler machen sollte, berichtete der Journalist.

Dabei sei es bei der Kanzlerkandidatenfrage gar nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung gegangen, sondern nur um die Kampagnenfähigkeit gegangen. Damit diagnostizierte er auch eine „Identitätskrise der CDU“, bei der die Mitglieder „so furchtsam über das Potential des eignen Kandidaten“ waren, dass der fast weggespült worden wäre. Nur Wolfgang Schäuble hätte mit seiner späten Intervention die Abstimmung für Laschet noch gerettet. Lesen Sie hier: Die CSU träumt noch immer von Kanzler Söder

Großteil der jüngeren CDU-Politiker wollte Söder statt Laschet

Vielleicht lag es auch an der neuen Generation von Politikern, für die Christoph Ploß (CDU) exemplarisch stand und nun im Hamburger Studio saß. Erst 2005 war er in die Partei eingetreten, kurz bevor Angela Merkel Kanzlerin wurde. Nun, mit 35 Jahren, ist er Vorsitzender der CDU Hamburg.

Laut Robin Alexander hatte der Jung-Politiker nicht nur für Markus Söder gestimmt, er hatte sogar aktiv versucht, die entscheidende Abstimmung in eine Kreisvorsitzenden-Konferenz zu verschieben und damit eine Pro-Laschet-Entscheidung zu verhindern. „80 Prozent der ,Generation Ploß‘ wollten für Söder stimmen“, behauptete der "Welt"-Korrespondent.

Markus Lanz tat sich schwer nachzuvollziehen, was seinen Studiogast bewogen hatte, für den CSU-Kandidaten zu stimmen. Und so ließ er nicht locker: Was haben Sie gegen Armin Laschet, versuchte er hartnäckig herauszufinden, dass Sie den Kandidaten Ihrer eigenen Partei als Kanzler nicht wollten?

CDU-Mann Ploß vergleicht die Union mit einer Fußballmannschaft

„Ich habe nie gesagt, Laschet ist nicht gut“, verteidigte sich Christoph Ploß, ohne ein Loyalitätsproblem auch nur im Ansatz erkennen zu lassen: „Wir stellen als Union gemeinsam einen Kanzlerkandidaten auf und müssen gucken, wer auf der Position richtig ist.“ Lediglich das Erscheinungsbild sei in diesen Wochen nicht optimal gewesen.

Dann versuchte er es mit einem Fußballvergleich: „Wenn Sie zwei Top-Stürmer haben wie Haaland und Reus, dann müssen Sie sich für einen entscheiden. Wenn dann der andere ausgewählt wird, heißt das trotzdem, wir können das Spiel gewinnen.“ Er stünde inzwischen voll zu dem gewählten Kandidaten Armin Laschet, schon weil der „in den letzten Wochen eine Superperformance“ gebracht hätte. Dann setzte noch einen drauf: „Ich würde sagen, wir haben mit Abstand die beste Aufstellung.“

Für Laschet, aber gegen das Gendersternchen

Markus Lanz überzeugte das nicht: „Sie sind 35 Jahre alt und reden, als wenn Sie 60 Jahre in der Partei wären“, konterte er ungeduldig die mehrfachen Versuche des Jung-Politikers, sich mit gelernten Sprechblasen der Kritik zu entziehen. Am Ende aber gab er auf, indem er gewitzt, aber nicht minder kampflustig das Thema wechselte: „Sie sind jetzt eindeutig für Laschet, das haben wir gehört, aber gegen das Gendern.“

Ja, bestätigte der junge CDU-Mann: „Am Küchentisch kann jeder machen, was er möchte, aber staatliche Institutionen sollten sich an die geltende Grammatik halten“, erklärte Christoph Ploß, ohne sich – schon wieder – auf eine klare Aussage, sprich: auf ein ausdrückliches Verbot einlassen zu wollen.

Immerhin erläuterte er bei diesem Reizthema konkreter, warum er sich lieber an dem französischen Vorbild orientieren als im Behördenalltag Ausdrücke wie „Passivraucher*innen-Schutzverordnung“ zulassen wollte: Das Gendersternchen mache die Sprache nicht nur komplizierter, es spalte häufig auch.

Seiner Meinung nach stecke nämlich hinter der „künstlichen, ideologischen Gendersprache“ eine sehr relevante Frage: Wollen wir die Gesellschaft in immer mehr Gruppen einteilen und dafür sorgen, dass sich die Menschen über Kollektive und Merkmale wie zum Beispiel Geschlecht, sexuelle Orientierung, Hautfarbe selbst identifizieren? „Ich möchte, dass wir eine Wir-Gesellschaft werden“, bekräftigte er, in der es auf solche Unterscheidungen gerade nicht ankomme. Aber auch mit dieser Eischätzung blieb der CDU-Mann in dieser Talk-Runde alleine.

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