Berlin. In „Pretty Happy“ hinterfragen Schauspielerin Vivien Wulf und Journalistin Nena Schink Schönheitsideale, Social Media und Feminismus.

Nena Schink und Vivien Wulf sind jung, schlank, blond und stets stilvoll gekleidet. Die meisten würden sie wohl als außerordentlich hübsch bezeichnen. Und doch plagen die beiden Frauen Unsicherheiten.

Ein zu großer Mund, zu wenig Busen, zu viele Pickel auf der Stirn – als sich die Freundinnen eines Abends über ihre vermeintlichen Makel austauschen, stellen sie fest: „Wir sind mit diesen Zweifeln nicht allein.“ Die Schauspielerin und die Journalistin beschließen, sich näher mit dem Thema zu befassen und stoßen auf erschreckende Zahlen.

Frauen: 65 Prozent wären lieber schöner als schlauer

66 Prozent der Mädchen zwischen elf und 21 Jahren in Deutschland haben laut einer Studie das Gefühl, nicht gut auszusehen. Eine weitere Studie ergibt, dass 65 Prozent der deutschen Frauen bereit wären, zehn IQ-Punkte abzugeben, um einen Schönheitsmakel auszugleichen. „Wieso ist uns fehlendes Wissen weniger peinlich, als ein paar Kilos zu viel auf den Rippen?“, fragen sich die beiden.

Die Schauspielerin Vivien Wulf (hinten) und die Journalistin Nena Schink (vorne) haben ein Buch über den Schönheitswahn geschrieben.
Die Schauspielerin Vivien Wulf (hinten) und die Journalistin Nena Schink (vorne) haben ein Buch über den Schönheitswahn geschrieben. © Peter Müller | Peter Müller

„Wir sind von dem Fehlglauben geleitet, Glück entstünde durch perfektes Aussehen“, lautet ihre Vermutung. Und so begeben sie sich zunächst auf eine Reise durch vergangene Zeiten und betrachten die Schönheitsköniginnen der letzten Jahrzehnte genauer: Marilyn Monroe, Audrey Hepburn, Prinzessin Diana. „Viele Frauen, die dem Schönheitsideal ihrer Zeit exakt entsprachen, waren sogar todunglücklich“, fasst die 27-jährige Wulf das Ergebnis ihrer Recherche zusammen.

Social Media verstärkt die Sucht nach Perfektion

Heute sei all das noch deutlich schlimmer geworden, gibt Schink zu bedenken. Nie zuvor in der Geschichte sei der Wunsch nach Makellosigkeit und Schönheitsoperationen so präsent gewesen. „Den Schönheitswahn gab es schon immer, aber durch die sozialen Medien haben wir ein ganz neues Niveau erreicht“, sagt die 28-Jährige, deren erstes Werk „Unfollow“ von den Gefahren im Netz handelt und zum „Spiegel“-Bestseller aufstieg.

Die Schönen und Reichen sind heute rund um die Uhr auf dem Smartphone zu bewundern. Perfektionierte Posen, fein säuberlich bearbeitete Fotos und jede Menge Filter für makellose Haut und weiße Zähne. „Durch die perfekte Illusion auf Social Media wird der Druck immer mehr verstärkt“, sagt Schink.

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Nena Schink: "Wir sind ebenfalls Täterinnen"

Dennoch spielen die beiden Frauen das Spiel, das sie so scharf kritisieren, selbst mit. „Ich hatte in den letzten Monaten viele dunkle Momente“, sagt Schauspielerin Wulf, die seit ihrer frühen Jugend vor der Kamera steht. Doch davon habe sie ihren 28.000 Instagram-Fans nichts gezeigt. Im Netz wirken auch Wulf und Schink stets hübsch und glücklich. „Wir sind ebenfalls Täterinnen“, sagt Schink. „Jede, die bei Instagram ihr gefiltertes Leben zeigt, trägt zum Schönheitswahn bei.“

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Und der kann mitunter gefährliche Ausmaße annehmen: Vivien Wulf berichtet von einer Bekannten, die sich innerhalb weniger Monate die Haare verlängern, die Lippen aufspritzen, Tattoos stechen und die Brüste vergrößern ließ, einzig weil ihrem Partner das gefiel. Die Beziehung hielt gerade mal ein Jahr. „Manche Frauen suchen Anerkennung und verlieren sich dabei Stück für Stück selbst.“ Das müsse sich schleunigst ändern.

Female Empowerment: Feminismus als Mogelpackung

Nena Schink und Vivien Wulf lieben teure Handtaschen und hohe Schuhe. Passt das zum Bild einer unabhängigen, selbstbewussten Frau? „Es geht uns nicht darum, dass Schönheit etwas Schlechtes ist, sondern dass Schönheit nicht das Wichtigste ist“, sagt Schink.

Anstelle von zu vielen Artikeln mit Schmink- und Diättipps brauche die Welt mehr Sichtbarkeit von erfolgreichen Frauen. Eltern müssten endlich anfangen, ihre Töchter zu mehr Selbstbewusstsein zu erziehen. Frauen müssten aufhören, sich mit anderen zu vergleichen und stattdessen damit beginnen, einander wirklich zu unterstützen.

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„Am Schönheitswahn sind vor allem wir Frauen selbst schuld“, ist Schink überzeugt. Frauen seien einander oft gegenseitig die größten Feindinnen. Sie selbst erlebte bereits, wie Kolleginnen in der Kaffeeküche über ihre Kleidung ablästerten oder sie vor versammelter Mannschaft bloßstellten: „Der Chef hat die doch nur eingestellt, weil er sie heiß findet.“ Heute sei Female Empowerment zum bloßen Modewort verkommen, von wahrem Zusammenhalt nichts zu spüren. „Wenn du wirklich Hilfe brauchst, sind die wenigsten da“, pflichtet ihr Wulf bei.

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Pretty Happy: Vivien Wulf und Nena Schink veröffentlichen ein Buch

Um junge Frauen tatsächlich zu bestärken, haben die Freundinnen ein Buch geschrieben. Es heißt „Pretty Happy“ und ist am 5. März 2021 erschienen. Die Autorinnen erläutern darin, dass die gefährliche Gleichung „Schönheit = Glück“ nicht aufgeht. Das Motto: „Feiere deine Einzigartigkeit!“ Manches davon hat man sicherlich irgendwo irgendwann schon mal so gelesen, doch Schink und Wulf legen überzeugend dar, warum heute mehr denn je über den Schönheitswahn gesprochen werden muss.

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„Pretty Happy“ ist ein Plädoyer für Unvollkommenheit. Es ist eine Gesellschaftskritik, die nicht nur für junge Frauen gedacht ist, sondern auch für deren Mütter und Väter. Es ist ein Aufruf, sich auf die Suche nach dem wahren Glück zu begeben. Die Art von Glück, die sich weder im Spiegel noch in den sozialen Medien finden lässt. Und dann, so die Autorinnen, kommt die Schönheit von ganz allein: „Denn wenn du glücklich bist, dann bist du schön.“