Brüssel. Urlaub im Sommer: Das geplante europaweite Impfzertifikat weckt viele Hoffnungen. So funktioniert´s – wenn Berlin und Brüssel liefern.

Diese Nachricht macht vielen Mut: Ein europaweit gültiger Corona-Impfpass, der das Leben und Reisen leichter machen könnte, rückt näher. Die EU-Regierungschefs haben beim jüngsten Gipfel vereinbart, das Vorhaben weiter voranzutreiben. In Deutschland gibt es schon sehr konkrete Pläne. Aber eine entscheidende Frage ist noch offen. Was man jetzt wissen muss.

Wie wird der neue Impfpass aussehen?

Winzig. In Deutschland wird es im Prinzip ein Barcode auf dem Smartphone sein. Den Ausweis entwickelt in der EU jedes Land für sich, auf der Basis gemeinsamer europaweiter Standards, die schon im Januar festgelegt wurden.

Hierzulande arbeitet das Bundesgesundheitsministerium an einem digitalen Impfnachweis, für den in der Arztpraxis, dem Impfzentrum oder im Krankenhaus Informationen über Zeitpunkt, Impfstoff und Chargennummer gebündelt werden sollen.

Daraus wird ein 2D-Barcode erstellt, den der Nutzer direkt über eine App aufs Smartphone scannen oder als Papierausdruck zum späteren Scannen mitnehmen kann. Als Nachweis auslesen lässt sich der Code über eine Prüf-App - so wie zum Beispiel beim Einchecken ins Flugzeug, erklärt das Gesundheitsministerium. Über diese Prüf-App sollen nicht nur staatliche Stellen, etwa beim Grenzübertritt, den Nachweis lesen können, auch private Dienstleister könnten Zugang haben - also etwa Hotels oder Veranstalter.

Ist der Impfpass Pflicht, was er kostet er?

Der digitale Pass ist freiwillig und wird ergänzend zum üblichen Impfnachweis auf Papier ausgegeben. Wer kein Smartphone hat oder es verliert, kann immer noch auf den gelben Impfausweis zurückgreifen, sagen die Experten von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Ein zentrales Impfregister ist demnach ausdrücklich nicht geplant. Über die Kosten macht das Ministerium noch keine Angaben, der gelbe Impfausweis ist aber kostenlos - das erwarten Experten auch beim digitalen Nachweis. Zum Schutz gegen Missbrauch könnte bei Überprüfungen auch ein Lichtbildausweis verlangt werden. Der Impfpass ist an nur ein Smartphone gebunden, um Vervielfältigung zu verhindern.

So funktioniert der deutsche Impfausweis

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    Was bringt der Impfpass?

    Vorerst gilt: Es ist ein rein medizinischer Nachweis, mit dem sich für den Geimpften nichts ändert. Aber das bleibt nicht so. Schon im Lauf des Jahres dürfte der Corona-Impfnachweis vor allem von privater Seite hier und da eine Zutrittsbedingung werden - für Theater, Kinos, Restaurants, Reiseveranstalter. Als erstes Reiseunternehmen hat Alltours angekündigt, in seinen eigenen Clubhotels nur noch Urlauber mit Impfnachweis aufzunehmen, wahrscheinlich gilt das ab Herbst.

    Private Anbieter haben diese Möglichkeit, sagt der Deutsche Ethikrat. Der Staat hat es schwerer. Doch ist die verbreitete Erwartung, dass der Pass in Europa unkompliziertes Reisen ermöglicht - für Pendler, den Güterverkehr und natürlich für Touristen. Die Entscheidung haben die Regierungschefs beim jüngsten EU-Gipfel aber vertagt.

    Urlaubsländer wie Griechenland oder Zypern machen Druck, nun auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz: Er will den Impfausweis europaweit zum „Grünen Pass“ nach dem Vorbild Israels machen, mit dem problemloses Reisen in der EU möglich wäre, aber auch der Zugang zu Restaurants oder Theatern. Dazu würde auch eingetragen, ob jemand einen PCR-Test vorlegen kann oder nach einer Covid-Erkrankung immun ist.

    Die technisch mögliche Aufnahme dieser zusätzlichen Daten nennt auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, in den deutschen Plänen ist es bisher nicht vorgesehen. Mehrere Länder bremsen bei der Anwendung des Impfnachweises, unter anderem Deutschland und Frankreich. Sie wollen eine politische Entscheidung etwa über Reiseerleichterungen erst treffen, wenn wissenschaftlich zweifelsfrei gesichert ist, dass Geimpfte das Virus nicht mehr übertragen können. Und wenn ein größerer Teil der Bürger geimpft ist.

    Kommt eine europaweit einheitliche Regelung?

    Erstmal wohl nicht, das ist eine der Botschaften des jüngsten EU-Gipfels. Es zeichnet sich jetzt doch ein Flickenteppich ab, der eigentlich vermieden werden sollte. Von der Leyen sagt: „Letztlich liegt die Entscheidung, was man mit einem solchen Zertifikat tun könnte, bei jedem einzelnen Land.“ Eine ganze Reihe von EU-Ländern will die freie Einreise nach der Corona-Spritze im Sommer zulassen, besonders Frankreich mauert aber. Zugleich plant aktuell kein Land, die Einreise nur auf Geimpfte zu beschränken - Tests dürften überall eine Alternative sein. Von der Leyen plant für den März einen Gesetzes-Vorstoß, der nicht nur den Datenaustausch zwischen den EU-Staaten auf eine sichere Grundlage stellen soll, sondern ausdrücklich auch darauf abzielt, allmählich wieder sicheres Reisen innerhalb der EU und in der übrigen Welt zu ermöglichen. Dem Vorschlag müssten dann aber die Mitgliedstaaten im Rat und das EU-Parlament zustimmen - unwahrscheinlich vor dem Sommer.

    Wieso ist dann vom EU-Impfpass die Rede?

    Weil sich die EU-Regierungschefs im Januar darauf verständigt haben, die nationalen Ausweise nach gemeinsamen Standards auszustellen, damit sie in ganz Europa überprüft und anerkannt werden können.

    Die EU-Kommission ist außerdem in der Verantwortung, dazu eine europaweite Verbindung der nationalen Datensysteme aufzubauen. Das ähnelt dem laufenden Projekt einer Verknüpfung der nationalen Corona-Warnapps: Da hat die Kommission bislang 15 der 27 EU-Länder zusammengebracht.

    Ab wann gibt es den Ausweis?

    Wenn es gut geht etwa ab Juni, vielleicht auch deutlich später. In Deutschland erklärte das Gesundheitsministerium vor wenigen Tagen: „Wir gehen aktuell davon aus, dass dieses Angebot zum Ende des zweiten Quartals bereitgestellt werden kann.“ Also bis Ende Juni. Nachdem Kanzlerin Merkel jetzt von drei Monaten spricht, hat Spahn auf „plus-minus zwölf Wochen“ verkürzt, also bis Ende Mai. Ob das erreicht wird, ist aber völlig unklar, Experten sind skeptisch. Erst vergangene Woche hat die Bundesregierung das System in einem Dringlichkeitsverfahren ausgeschrieben.

    Ebenso unsicher ist die Zeitplanung auf EU-Ebene für die technischen Voraussetzungen: Die Erwartung der Regierungschefs ist nach Merkels Worten, dass man das „in den nächsten Monaten“, bis zum „Sommerzeitraum“ erreicht. Die Kanzlerin selbst setzt eine Drei-Monats-Frist. Von der Leyen ist nach den jüngsten Enttäuschungen vorsichtiger.

    Sie warnt: „Das wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, mindestens um die drei Monate. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, damit die Erwartungen nicht zu früh zu hoch sind.“ Wer immer mit dem Pass plant - diesen Hinweis sollte man ernst nehmen. Die Flop-Gefahr ist erheblich.

    Unterm Strich: Ist das eine gute Idee?

    Ja, aber aktuell wird sie oft überbewertet oder missverstanden. Ob der Pass im Sommer problemlos einsetzbar ist, ist noch längst nicht sicher. Und er wird so oder so auch nicht überall problemlosen Zugang garantieren. Aber im Inland dürfte der Smartphone-Code dennoch bald ebenso hilfreich sein wie in ausgesuchten anderen EU-Ländern - Griechenland zum Beispiel oder Österreich. Polen, Rumänien und Estland bieten schon jetzt problemlose Einreise gegen einen Impfnachweis.

    Klar ist aber auch, dass eine schwierige Debatte noch bevorsteht: Die Staaten müssen darauf achten, dass durch den Impfpass nicht ein Impfzwang durch die Hintertür eingeführt wird - andere Zugänge etwa durch negative Tests müssen erhalten bleiben. Unter den EU-Regierungschefs herrscht da bislang Einigkeit. Merkel sagte nach dem Gipfel: „Ein Impfpass heißt nicht, dass nur derjenige reisen darf, der einen Impfpass hat.“