Hamburg. Jendrik Sigwart ist für Deutschland beim Eurovision Song Contest angetreten. Mit „I Don’t Feel Hate“ stieß er nicht auf Begeisterung.

Über Ebay-Kleinanzeigen zum Erfolg: Für den Hamburger Sänger und Musical-Darsteller Jendrik Sigwart (26) war das Online-Portal der Schlüssel zum Eurovision Song Contest. Im Sommer 2020 sammelte er 18 zu verschenkende Waschmaschinen, schleppte sie in einen Keller und richtete sich einen „Waschsalon“ als Kulisse seines Bewerbungsvideos für den deutschen Vorentscheid ein.

Die Kreativität reichte zwar für ein Ticket nach Rotterdam - doch mit seinem Lied „I Don’t Feel Hate“ belegte er beim ESC-Finale 2021 mit insgesamt drei Punkten lediglich den vorletzten Platz. Schlechter schnitt nur Großbritannien mit null Punkten ab. Gewonnen hat den Wettbewerb die italienische Rockband Måneskin.

Jendrik nahm die Platzierung mit Fassung. Bei Instagram schrieb der Sänger: "Ganz ehrlich, ich habe mir gedacht, dass sowas passieren könnte." Es sei aber nie sein Ziel gewesen, eine gute Platzierung zu erreichen. "Ich wollte teilnehmen, um das Event persönlich zu erleben – und dabei die Musik, verschiedene Kulturen und Gemeinschaft zu zelebrieren."

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ESC: Sigwart platzierte sich auf Umwege in der Vorentscheidung

Um antreten zu können, musste Sigwart in drei Durchgängen zwei unabhängige Jurys aus 100 deutschen ESC-Profis und 20 internationalen Musikexperten überzeugen – „als absoluter Nobody“, wie er es beschreibt. Über Umwege platzierte er sich in der Vorentscheidung.

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Der ausführende NDR hatte es so diskret wie möglich gehalten: Kein Aufruf, keine Webseite wies auf Bewerbungsmöglichkeiten hin. Also produzierte Sigwart ohne Budget in Eigenregie das Video und stellte es ins Netz. In das Auswahlverfahren platzte der Song somit hinein wie ein bunter Farbbeutel auf einem Holi-Festival.

Ein Song wie eine Mischung aus Sahnetorte und Pulverglitzer

Denn genau das ist „I Don’t Feel Hate“. Wer eine Konfettikanone abfeuert und Pulverglitzer und Sahnetorten hinterherwirft, kommt der Wirkung von Sigwarts Song sehr nahe. Schon sein bevorzugtes Instrument, die Ukulele, sorgt für fröhliche Beschwingtheit. Im Refrain kommen mit tanzbarer Dynamik Glamrock-Gitarren und Synthiebläser-Fanfaren dazu. Voll Zucker, voll bunt: „Das muss man erst mal verdauen“, sagte NDR-Moderatorin Alina Stiegler.

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„I Don’t Feel Hate“ war Sigwarts „Corona-Projekt“

Sein Talent als Sänger und Entertainer schulte er von 2014 bis 2018 am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück und seit 2015 zudem in bislang 17 Musicalproduktionen, zuletzt in der Comedian-Harmonists-Show „Berlin, Berlin“. Wegen des Stillstands des Musicalgeschäfts seit März 2020 überlegte sich Sigwart ein „Corona-Projekt“. Ergebnis: „I Don’t Feel Hate“.

Für die deutsche Delegationsleiterin Alexandra Wolfslast und den ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber war Jendrik Sigwarts Lied jedenfalls der richtige Song zur richtigen Zeit. Überzeugen konnte er beim ESC am Ende jedoch nicht.

ESC-Song richtet sich gegen Mobbing und Hass

Der Sänger sagte zu seinem Song im Vorfeld: „Es erzählt sechs Geschichten von verschiedenen Menschen, die degradiert, gemobbt und gehasst werden. Die Botschaft ist, auf Hass nicht mit Hass zu reagieren.“ Persönliche Beleidigungen nehme er eher gelassen hin, auch Kritik an seiner Musik. Aber: „Rassismus und Homophobie sind nicht egal.“

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Hier mal ohne Ukulele: Der Hamburger Sänger, Songschreiber und Musical-Darsteller Jendrik Sigwart (26) vertritt Deutschland beim Eurovision Song Contest am 22. Mai in Rotterdam.
Hier mal ohne Ukulele: Der Hamburger Sänger, Songschreiber und Musical-Darsteller Jendrik Sigwart (26) vertritt Deutschland beim Eurovision Song Contest am 22. Mai in Rotterdam. © NDR

Doch homophobe Kommentare konnten schon die Triumphe von Netta Barzilai 2018 (Israel), Conchita Wurst 2014 (Österreich) oder Dana International 1998 (Israel) nicht verhindern. Der ESC war und bleibt eine große Bühne, um sich für die Rechte von lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen, von Transgendern und Queeren zu engagieren. Was das betrifft, ist Jendrik Sigwart der passendste Kandidat, den Deutschland bislang zum Eurovision Song Contest geschickt hat - Platzierung hin oder her.

(mit fmg)