Washington. Trump will seine haltlosen Betrugsvorwürfe gegen den Wahlausgang juristisch zur Waffe gegen Biden machen. Sein Verhalten ist ehrlos.

Ein Präsident mit Ehre und Anstand, ein Demokrat im Sinne der Staatsordnung, nicht der Partei-Orientierung, mit anderen Worten: Ein Präsident in Sorge um das Wohl seiner Nation hätte längst seinen siegreichen Kontrahenten beglückwünscht, die Niederlage zähneknirschend eingestanden und die Weichen für die Machtübergabe gestellt.

Donald Trump war nie Demokrat im beschriebenen Sinn. Darum treibt er das Spiel mit der Volksverdummung auch eine Woche nach der für ihn desaströs geendeten Präsidentschaftswahl immer weiter.

Donald Trump ist jedes Mittel recht

Obwohl sämtliche relevanten Versuche, dem Sieg von Joe Biden in entscheidenden Bundesstaaten mit schnell gestrickten Klagen in die Seite zu grätschen, bisher gescheitert sind, legte Team Trump am Montag nach. Lesen Sie hier: Donald Trump wirft Verteidigungsminister Mark Esper raus

Mit Klageschriften, die etwa im Falle Pennsylvanias, wo Biden den Sieg errang, an Lächerlichkeit kaum mehr zu überbieten sind. Trumps Anwälte führen dort ins Feld, dass republikanische Wahlbeobachter angeblich nicht nah genug hätten dabei sein dürfen, als die Stimmzettel ausgezählt wurden. Als würde das vor Gericht ein Wahlergebnis kippen und Bidens Vorsprung von derzeit rund 45.000 Stimmen einschmelzen. Törichter geht es kaum. Aber es geht.

McConnell und Barr – die Springer in Trumps Spiel

Wie zur Beglaubigung des groben Unfugs, treten kurz darauf der republikanische Senatsführer Mitch MConnell und Justizminister William Barr auf den Plan. McConnell adelt Trumps Nachhutgefecht mit dem in weißer Salbe badenden Hinweis, der Präsident habe zu 100 Prozent das Recht auf seiner Seite, wenn er dem Verdacht von Unregelmäßigkeiten nachspüren lässt; dazu seien Gerichte nun mal da. Richtig. Aber ein paar Beweise sollten schon vorhanden sein. Trump hat keine.

Merkel gratuliert Biden zum Wahlerfolg

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    William „Bill“ Barr agiert fast noch perfider. Auf Druck von außen autorisiert der „Attorney General“ die ihm unterstehenden Bundesanwaltschaften, Hinweisen auf „wesentliche Vorwürfe bei Abstimmungen und Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe“ nachzugehen, sofern sie – wichtig – den Ausgang der Wahl beeinflussen könnten. Das suggeriert Dringlichkeit. Und den Eindruck, irgendwas ist verdammt faul – zu Lasten Trumps.

    Der Präsident kämpft gegen seine Abwahl – und sein Verlierer-Image

    US-Korrespondent Dirk Hautkapp.
    US-Korrespondent Dirk Hautkapp. © Privat | Privat

    Wer die Anordnung bis zum Ende liest, kann das Hallo-geht’s noch?-Gefühl kaum unterdrücken. Barr betont, dass sein Haus bisher nicht das geringste Anzeichen für systemrelevante Missetaten hat. Außerdem bläut er seinen Ermittlern ein, keine Zeit auf – Zitat – „fantasievolle oder weit hergeholte“ Klagen zu verschwenden. Meinte Barr etwa die weit hergeholten Klagen des Trumps-Lagers?

    Je länger die juristischen Manöver Trumps andauern, desto klarer wird, um was es dem Präsidenten geht: Er will Zeit schinden, um sein Verlierer-Image abzuschwächen. Darum lanciert er die Schnapsidee 2024 erneut zu kandidieren. Und er will gleichzeitig „president-elect“ Joe Biden die Übergangsphase bis zur Amtseinführung so gut es geht verdunkeln.

    Darum hält er die Mär vom gestohlenen Wahlsieg mit einer Twitter-Lüge nach der anderen am Leben. Trump nimmt dabei in Kauf, dass rechtsgedrehte Wirrköpfe irgendwann selbstjustizielle Denkzettel ausstellen könnten.

    Trump klammert sich an sein Amt

    Dass sich McConnell und Barr für solche Spielchen hergeben, obwohl sie es besser wissen, illustriert abstoßende Liebedienerei.

    Trump will letztlich verhindern, dass die entscheidenden Bundesstaaten (Pennsylvania, Michigan. Wisconsin, Nevada, Arizona und North Carolina) bald wie vorgeschrieben ihre individuellen Wahlergebnisse zertifizieren. Was die Grundvoraussetzung für die Entsendung der jeweiligen Wahlmänner-Kontingente in das „electoral college“ ist, das Joe Biden am 14. Dezember tatsächlich zum Präsidenten wählen soll. Lesen Sie auch: Trump will nicht gehen: „Donald, ruf den Möbelwagen“

    Trumps leise Hoffnung: Wo keine zertifizierten Wahlergebnisse, da möglicherweise keine Wahlmänner, da möglicherweise ein Hebel, um über Umwege den Demokraten Biden in letzter Minute abzufangen und auch nach dem 20. Januar noch im Weißen Haus zu sitzen – dem Tag, an dem die Amtsübergabe stattfinden soll.

    Wird nicht passieren. Sagen alle. Ein Präsident mit Ehre und Anstand wüsste das.

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