Berlin. In vielen Städten sprießen Barbiersalons nur für Männer aus dem Boden. Frauen haben keinen Zutritt. Etablierte Friseure ärgert das.

Betreten für Frauen verboten: Eigentlich ist der Zutritt zum Gen­tlemen’s Circle, einer Wohlfühloase für Herren mitten in Berlin, ausschließlich Männern vorbehalten. Schreitet dann doch mal eine Frau durch die großen verglasten Holztüren, wird sie von allen Seiten schräg angeschaut.

Einige sitzen in der hinteren Ladenhälfte auf beigefarbenen Friseurstühlen mit kleinen Aschenbechern in den Armlehnen, während ein Barbier ihnen den Bart stutzt. Andere warten, bis sie an der Reihe sind, und schlürfen auf einer grünen Samtcouch ein Glas Whisky.

Darüber hängt ein großes Porträt von zwei Frauen, beide nackt, eine liegt ganz entspannt auf dem Schoß der anderen, die wiederum genüsslich eine Zigarette raucht. So sieht sie aus, die schöne neue Männerwelt.

Barbiere kümmern sich um Bärte und Männerhaare

„Wir wollten hier einen Ort schaffen, wo Männer unter sich sein und sich einfach wohlfühlen können“, sagt Betreiber André Goerner, während er sich ebenfalls auf dem Sofa niederlässt. Aber warum stören Frauen überhaupt? „Es entstehen ganz andere Gespräche, wenn Frauen mal nicht da sind und ständig dazwischen quatschen“, behauptet der 45-Jährige.

Bei normalen Unisex-Friseuren würden Männer häufig stiefmütterlich behandelt, weil die Friseure an einem klassischen Kurzhaarschnitt kaum etwas verdienten. Beim Barbier bekämen sie hingegen die volle Aufmerksamkeit – allerdings hat die ihren Preis. Bis zu 100 Euro kostet eine neue Frisur im Gentlemen’s Circle. Doch es gibt genug Männer, die viel Geld in ihr Haupthaar investieren wollen.

Barbershop-Betreiber Adré Goerner vom Gentlemen´s Circle.
Barbershop-Betreiber Adré Goerner vom Gentlemen´s Circle. © Pavel Becker

Goerner lässt mit seinem Luxus-Barbershop eine alte Tradition neu aufleben. Bis in die 1960er-Jahre rasierten Barbiere in ihren Salons ein ausschließlich männliches Klientel, doch seit der Erfindung des Rasierhobels gegen Ende des 19. Jahrhunderts gingen viele Männer dazu über, sich selbst zu rasieren. Die typischen Barbiersalons verschwanden langsam aus dem Stadtbild, und der Trend entwickelte sich hin zu gemischten Friseurläden für Damen und Herren.

Aber mittlerweile werden die deutschen Männer immer eitler und lassen gerne Fachleute Hand an Haarschnitt und Bart legen. Als André Goerner vor sechs Jahren den Gentlemen’s Circle eröffnete, sei das einer der ersten Barbershops in Berlin gewesen, sagt er. „Seitdem schießen sie aus dem Boden wie Pilze.“

Barbershops verstoßen gegen das Gesetz

Das bestätigt Jörg Müller, Geschäftsführer des Zentralverbandes des Friseurhandwerks. Belegbare Zahlen gebe es zwar nicht, aber „in dem Bereich ist eine große Entwicklung zu erkennen“ – es gebe in den Städten immer mehr Barbershops, vom 10-Euro-Laden bis zum Luxussalon.

Dem Verband sind die jedoch ein Dorn im Auge. „Gegen diese Spezialisierung ist grundsätzlich nichts zu sagen“, gibt Müller zwar zu bedenken. Doch die meisten Barbershops betrieben Schwarzarbeit. Dazu komme, dass viele Inhaber nach geltendem Recht eigentlich gar keinen Friseurladen führen dürften, da sie weder einen Meister haben noch nach Altgesellen-Verordnung eine Ausübungsberechtigung verfügen.

Stimmt, bestätigt André Goerner: „Die allermeisten, ich schätze rund 90 Prozent der Barbershops, verstoßen gegen das Gesetz.“

Ausbildung zum reinen Barbier gibt es nicht

Goerner ist nach eigener Aussage einer der wenigen legalen Betreiber. Vor rund 30 Jahren hat er unter anderem beim vor wenigen Monaten mit 65 Jahren verstorbenen Münchner Starfriseur Gerhard Meir das klassische Handwerk gelernt.

Barbiere verpassen ihren Kunden im Berliner Barbiersalon Gentlemen’s Circle den Feinschnitt.
Barbiere verpassen ihren Kunden im Berliner Barbiersalon Gentlemen’s Circle den Feinschnitt. © Pavel Becker

Eine Ausbildung zum reinen Barbier gibt es nicht: Seine angestellten Barbiere hätten noch nie in ihrem Leben einer Frau die Haare geschnitten. Sie seien Autodidakten und hätten nur durchs „immer wieder machen“ ihre Erfahrungen gesammelt.

Wichtiger als eine fundierte Ausbildung ist den Kunden offenbar eine stilvolle Atmosphäre und die Gewissheit, unter sich zu sein. Der Gentlemen’s Circle veranstaltet etwa sogenannte Smokey Fridays, also Freitagabende, an denen die Herren nach offiziellem Geschäftsschluss noch in kleiner Runde bei einem Glas Whisky beisammen sitzen.

Frauen fühlen sich in dieser Atmosphäre unwohl

Passt so ein Konzept überhaupt in eine Zeit, in der die Geschlechtertrennung immer stärker aufgehoben wird? Anruf bei einer, die ganz sicher eine Meinung dazu hat: Margot Müller ist Bundessprecherin der Feministischen Partei Die Frauen.

Sie findet Barbershops aus frauenrechtlicher Sicht durchaus vertretbar. „Es gibt ja auch andersherum reine Frauenfriseure, in denen Männer keinen Zutritt haben.“

Trotzdem kann bei Frauen ein Unbehagen zurückbleiben. Denn ihnen wird der Zutritt verwehrt. Und wenn doch mal eine Frau kommt, müssen sie sich im Gentlemen’s Circle ganz schön verrenken, um ihre eigenen Regeln nicht zu brechen.

Als die Reporterin den Laden betritt, bekommt sie erstmal eine Akkreditierungsbescheinigung, in der sie „ehrenhalber zum Mann ernannt“ wird. Vorschrift ist Vorschrift.