Washington. Die US-Präsidentschaftswahl ist noch ein offenes Rennen. Klar indes ist, dass beide Kontrahenten ganz unterschiedlich regieren würden.

Entschieden ist noch nichts. Die ersten Prognosen des Wahlabends im amerikanischen Fernsehen gaben noch keinen definitiven Aufschluss darüber, ob die Präsidentschaftswahlen in den USA auf eine zweite Amtszeit Donald Trumps hinauslaufen – oder ob sein Herausforderer Joe Biden die Nase vorn haben würde. Klar ist: Amerika unter Trump wäre ein anderes Land als unter Biden. Zwei Szenarien:

Was passiert, wenn Donald Trump gewinnt?

In den heiß umkämpften Bundesstaaten wie Florida und Ohio lag Präsident Donald Trump am Wahlabend vorn. Der Fernsehsender Fox News erklärte Trump in Florida zum Sieger, CBS in Ohio. In der Florida-Metropole Miami jubelten Anhänger von Donald Trump bereits auf den Straßen und schwenkten US-Flaggen.

Ein Wahlprogramm für weitere vier Jahre hat Donald Trump, abgesehen von lose geäußerten Gedanken, nie vorgelegt. „Ein Second-Term-Trump“, sagen Leute aus seinem engeren Umfeld, „wird nur noch seinen unberechenbaren Instinkten und Eigeninteressen folgen.“

Was das heißt? Trump würde bei der größten Herausforderung, der Bekämpfung der Corona-Pandemie, bei seiner scharf kritisierten Strategie des Abwiegelns bleiben; trotz steigender Infektionszahlen im nahenden Winter. Ein flächendeckendes Test-Programm wird es mit ihm nicht geben. Auch Epidemiologen wie Anthony Fauci, der zu frühe Lockerungen ablehnt, wird man in Trumps Umgebung wohl nicht mehr antreffen. Lesen Sie dazu: Corona-Prognose: Fauci widerspricht Trump massiv

„Ein Second-Term-Trump“, sagen Leute aus seinem Umfeld, „wird nur noch seinen unberechenbaren Instinkten und Eigeninteressen folgen.“
„Ein Second-Term-Trump“, sagen Leute aus seinem Umfeld, „wird nur noch seinen unberechenbaren Instinkten und Eigeninteressen folgen.“ © AFP | MANDEL NGAN

Der Präsident wird die Verteilung eines Impfstoffes forcieren, der möglicherweise erst im Sommer breiten Bevölkerungsschichten zur Verfügung steht. Ob Trump die Republikaner zu einem neuen Konjunktur-Paket in Billionen-Höhe bewegen kann, um die Härten der Corona-Krise für Unternehmen und Bürger weiter abzufedern, ist offen.

US-Wahl- Die finale Entscheidung dauert an

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    Wirtschaftlich würde er seine protektionistische Politik verfeinern, die auf Stärkung heimischer Industrien und die Behinderung ausländischer Wettbewerber zielt. Wer abwandert, würde bestraft und öffentlich angefeindet.

    Die exorbitante Staatsverschuldung der USA von zuletzt 27 Billionen Dollar ginge weiter. Prestige-Projekte wie eine bemannte Mission zum Mars oder der Bau einer Mondstation würden Milliarden-Summen verschlingen.

    Ein dringend benötigtes Programm für die Verbesserung der Infrastruktur (Straßen, Flughäfen), würde wohl im Köcher seiner Wahlversprechen bleiben. Donald Trump würde den Regierungsapparat ganz auf Loyalität zu ihm einschwören. Anstöße für Reformen der Polizeiarbeit zugunsten von Schwarzen und anderen Minderheiten wären nicht zu erwarten. Lesen Sie mehr: Trump spaltet Amerika – auch bei seinem Besuch in Kenosha

    Was passiert, wenn Joe Biden gewinnt?

    Joe Biden lag zwar in ersten Prognosen zurück. Seine große Hoffnung sind nun die noch nicht ausgezählten Briefwahl-Stimmen in heiß umkämpften Bundesstaaten wie Pennsylvania, Michigan oder North Carolina.

    Sollte er das Ergebnis drehen, wäre Bidens Markenzeichen das Gegenteil der Trump’schen Twitter-Orgien: gemächliche, unaufgeregte Politik, versöhnlich in Ton und Stil. Innenpolitisch würde der Demokrat streng an wissenschaftlicher Expertise orientiert die Corona-Pandemie bekämpfen und mit den Gouverneuren der Bundesstaaten eine Maskenpflicht koordinieren. Biden fordert seit Monaten ein flächendeckendes Test-Programm.

    Dieses müsste mit einer engmaschigen Kontrolle der Kontakte von Infizierten gekoppelt sein, um das Entstehen neuer regionaler Infektions-Nester zu verhindern. Die USA würden sich wieder in die Weltgesundheitsorganisation WHO integrieren, der Trump den Rücken gekehrt hat.

    Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden spricht neben seiner Frau Jill Biden zu seinen Anhängern.
    Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden spricht neben seiner Frau Jill Biden zu seinen Anhängern. © dpa | Andrew Harnik

    Um durch Trump entstandene soziale Unwuchten durch Sozial- und Steuerpolitik zu dämpfen, will Biden den Spitzensteuersatz von 37 auf 39,6 Prozent erhöhen und Schlupflöcher schließen. Wer unter 400.000 Dollar im Jahr verdient (knapp 98 Prozent der amerikanischen Bevölkerung) bleibt von Steuer-Korrekturen verschont, verspricht Biden. Die Unternehmensteuern sollen auf 28 Prozent angehoben werden.

    Nach der Torpedierung der Krankenversicherung „Obamacare” durch Trump würde Biden einen neuen Anlauf machen, um das Gesundheitswesen solidarischer zu gestalten. Biden will „Obamacare” retten und ausbauen, ohne dabei existierende private Versicherer an die Wand zu drängen.

    Darüber hinaus wirbt Biden für Reformen, die bei der Definition von innerer Sicherheit die Bedürfnisse von ethnischen Minderheiten einschließt. Die Immunität von Polizisten vor Strafverfolgung soll eingeschränkt, das Waffenrecht für die Allgemeinheit verschärfen werden.

    Auf der außenpolitischen Bühne ist eine Rückkehr ins Pariser Klimaabkommen für Biden beschlossene Sache. Anders als Trump würde er die Gewinnung von fossilen Energieträgern (Öl, Gas, Kohle) nicht mehr steuerlich und regulatorisch begünstigen. Biden hatte angekündigt, zwei Billionen Dollar in klimaschonende Infrastruktur zu investieren. Sein politisches Langfristziel ist es, die USA bis zum Jahr 2050 CO2-frei zu machen.