Washington. In den USA wächst die Sorge vor Unruhen – bei einem knappen Wahlergebnis sind gewalttätige Ausschreitungen nicht ausgeschlossen.

Sperrholzplatten vor den Schaufenstern Dutzender Einzelhandelsgeschäfte und Banken in amerikanischen Innenstädten, darunter Washington, sind eine Woche vor der Präsidentenwahl der hölzerne Beweis dafür, dass etwas anders ist als sonst.

Anstatt sich uneingeschränkt auf den höchsten Feiertag der Demokratie zu freuen, geht in den USA die Sorge vor gewalttätigen Ausschreitungen und Unruhen um. Vor allem dann, wenn sich in der Wahlnacht am 3. November im Duell Donald Trump gegen Joe Biden kein klarer Sieger abzeichnen sollte.

Im Visier der Behörden stehen vordringlich rechtsextreme, neonazistische und rassistische Milizen, die wie zuletzt in Michigan für Aufruhr sorgen. In dem mit wahlentscheidenden Bundesstaat, den Präsident Donald Trump am Dienstag besuchte, verhaftete die Bundespolizei FBI kürzlich 13 weiße Rechtsextremisten aus dem Umfeld der „Wolverine Watchmen“.

Bürgerkrieg nach der USA-Wahl? Behörden nehmen Lage ernst

Ein Teil der Männer hatte die von Präsident Trump im Zusammenhang mit Corona-Restriktionen getwitterte Aufforderung „Befreit Michigan!“ wörtlich genommen und detaillierte Pläne zur Entführung der demokratischen Gouverneurin Gretchen Whitmer und der Erstürmung des Parlaments in der Hauptstadt Lansing ausgeheckt. Erklärtes Ziel der Beschuldigten war es, einen „Bürgerkrieg“ vom Zaun zu brechen.

Wie ernst die Lage im gesellschaftlich extrem aufgeheizten Land genommen wird, in dem seit Jahresbeginn so viele Waffen an Privatbürger verkauft wurden wie selten zuvor, zeigen übereinstimmende Lagebeurteilungen der Bundespolizei, der Ministerien für Heimatschutz und Justiz sowie Dutzender lokaler Polizeidirektionen.

Danach sind Hassverbrechen und Zusammenstöße zwischen rechten und linken Gruppen aus dem Antifa-Umfeld, die zuletzt in Städten wie Minneapolis oder Portland für Gewalt, Plünderungen und Brandstiftung sorgten, „nicht auszuschließen“.

Mitglieder der schwer bewaffneten „Proud Boys“ haben sich zu einer Kundgebung in Portland (US-Bundesstaat Oregon) versammelt. US-Präsident Donald Trump hatte die in Teilen neonazistische Miliz aufgefordert, sich rund um den 3. November „bereitzuhalten“.
Mitglieder der schwer bewaffneten „Proud Boys“ haben sich zu einer Kundgebung in Portland (US-Bundesstaat Oregon) versammelt. US-Präsident Donald Trump hatte die in Teilen neonazistische Miliz aufgefordert, sich rund um den 3. November „bereitzuhalten“. © Amy Harris/Shutterstock | Amy Harris/Shutterstock

Trump zu neonazistischen „Proud Boys“: „Haltet euch bereit“

Sorgen bereitet den Behörden, dass Präsident Trump persönlich den Boden für Konfrontationen bereitet haben könnte. Seit Wochen erweckt der Präsident den Eindruck, dass die diesmal hohe Zahl der Briefwähler in einen „gigantischen Betrug“ einmünden und es am Wahltag selbst nicht mit rechten Dingen zugehen werde.

US-Wahl 2020 - Alles zum Duell Trump vs. Biden

Darum, so Trump bei nahezu jeder Kundgebung, sollten seine Anhänger an den Wahllokalen quasi Wache schieben, um frühzeitig Unregelmäßigkeiten aufzuspüren.

Völlig verquer, sagen Wahlexperten: „Abgesehen von den Wahlhelfern darf niemand, der nicht aktiv wählt, ein Wahllokal betreten.“ Dass Trump die teils neonazistischen „Proud Boys“ live im Fernsehen dazu aufgerufen hat, sich rund um den 3. November „bereitzuhalten“, wird in Polizeiquartieren als „Alarmsignal“ gewertet. Hintergrund: Kommentar: Wie Trump Körperverletzung am eigenen Land begeht

Trump-Fans schüchtern Wähler vor Urnengang ein

Allgemein ist die Stimmung eine Woche vor dem Wahltag überdurchschnittlich gereizt. In Florida, New Mexico, Tennessee, Maryland und anderen Bundesstaaten wurden Einschüchterungsversuche vor den Lokalen regis­triert, in denen Wähler vorzeitig ihre Stimme abgeben können.

Mal sind es kleinere Gruppen von Trump-Fans, die Wähler mit aggressiven Sprechchören traktieren. Mal fahren Anhänger des Präsidenten mit Fahnen und Megafondurchsagen im Autokorso vor Wahllokalen auf und ab.

Chris Stanley, Demokraten-Vorsitzender im Rentnerparadies „The Villages“ in Florida, berichtete im Gespräch mit unserer Redaktion von Wählern, die „aus Angst wieder kehrtgemacht haben, ohne ihre Stimme abzugeben“.

In vielen Bundesstaaten ist das Tragen von Waffen erlaubt

Trump spricht bei seinen Aufpassern von einer „Army“. Angeblich stehen dem republikanischen Kandidaten am 3. November 50.000 Freiwillige, sogenannte Poll-Watcher, zur Verfügung, die vor den Wahllokalen Wache schieben wollen.

Sicherheitsbehörden sehen die größte Gefahr darin, dass Begegnungen von Trump-Anhängern und Gegnern im aufgeheizten politischen Klima schnell zu Missverständnissen führen können. Weil in vielen Bundesstaaten das Tragen von Waffen erlaubt ist, sogar im Wahllokal, seien „Eskalationen“ denkbar.

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    Dabei kommt den sozialen Medien besondere Bedeutung zu. Was dort ungefiltert verbreitet wird, kann oft kaum mehr eingefangen werden. Als im Sommer in Portland ein Mitglied der rechten „Patriot Prayer“-Miliz von einem Linksextremisten getötet wurde, meldete sich Stewart Rhodes zu Wort.

    Der Chef der knapp 20.000 Mitglieder starken „Oath Keepers“-Miliz, die Trump Treue geschworen hat und Amerika im Würgegriff von Linksterroristen sieht, erklärte damals, dass im „neuen Bürgerkrieg“ der „erste Schuss“ abgefeuert worden sei.

    Sollte Donald Trump die Wahl verlieren, eine Niederlage aber nicht anerkennen, könnten sich die „Eidbewahrer“ aufgerufen fühlen, als Schutzmacht des Präsidenten aufzutreten. Das fürchten Experten des FBI.