Berlin. Christian Drosten fordert in der neuen Folge des Corona-Podcasts temporäre Lockdowns. So könnten sie das Infektionsgeschehen bremsen.

  • In der neuen Folge des Podcasts „Coronavirus-Update“ spricht Virologe Christian Drosten über Lockdowns
  • Drosten hält temporäre Mini-Lockdowns auch in Deutschland für sinnvoll
  • Außerdem könnten sich immer zwei oder drei Haushalte zu sozialen Blasen zusammenschließen

In der neuen Folge des NDR-Podcast „Coronavirus-Update“ zeigt sich der Virologe Christian Drosten besorgt über die exponentiell wachsende Zahl der Neuinfektionen in Deutschland. „Das Virus verlangt ab einer bestimmten Fallzahl einen Lockdown“, sagt Drosten. „Es gibt europäische Nachbarländer, die haben diesen Punkt schon überschritten, und wir werden in den nächsten Tagen und Wochen sehen, dass sie wieder in einen Lockdown gehen“, so der Leiter der Virologie an der Berliner Charité weiter.

Wenn die Belastung zu groß werde, müsse man eine Pause einlegen, sagt Drosten. Der Virologe hält für Deutschland daher temporäre Mini-Lockdowns für sinnvoll. Deutschland wäre nicht das erste europäische Land, das sich für einen solchen „Mini-Lockdown“ entscheidet. In Wales, Nordirland und Schottland ist dieser Schritt bereits erfolgt.

Christian Drosten im Corona-Podcast: Temporäre Lockdowns wären sinnvoll

Diese sogenannten „Circuit-Breaker“ (auf Deutsch: Überlastschalter) sollen eine mit Vorlauf angekündigte und zeitlich befristete Maßnahme sein. Der Schritt soll das System vor einer Überlastung bewahren und den Infektionsverlauf pausieren. Forscher der London School of Medicine empfehlen, ein „Mini-Lockdown“ sollte mindestens zwei Wochen dauern. Drosten hält drei Wochen, also etwas länger als eine Quarantäne-Zeit, für noch wirkungsvoller.

Der Vorteil eines solchen temporären Lockdowns gegenüber einem allgemeinen, von vornherein unbegrenzten Lockdown, wie er im Frühjahr in Deutschland verhängt wurde, sei folgender: „Alle wissen von vornherein: Er ist zeitlich befristet. Dann können sich alle darauf einstellen“, sagt Drosten. Das Entscheidende sei die Planbarkeit. Lesen Sie hier: Corona-Pandemie: Das ist ein Wellenbrecher-Shutdown

Zeitplan könnte Mini-Lockdowns vorab festlegen

Denkbar seien laut Drosten auch mehrere Mini-Lockdowns über einen längeren Zeitraum – „bis zum Frühjahr, bis die Situation wieder besser ist, bis ein Impfstoff verfügbar ist, bis die Temperaturen wieder besser werden“. In diesem Fall könnte man bereits jetzt einen Zeitplan aufstellen, der festlegt, in welchen Wochen es Einschränkungen geben wird – und in welchen Wochen die Einschränkungen wieder aufgehoben sind. So könne auch die Wirtschaft besser planen, so der Virologe.

Wie genau ein solcher „Mini-Lockdown“ aussehen könnte, müsse jedoch die Politik entscheiden. „Man könnte sich überlegen, dass die Schulen offen bleiben – oder dass man die Maßnahmen in die Ferienzeit legt“, erklärt Drosten. Dadurch könne man den temporären Lockdown so durchführen, dass er möglichst wenig Schaden anrichte. Nach einem „Mini-Lockdown“ wäre die Anzahl der neu auftretenden Infektionen laut Drosten „erheblich gesenkt“. Dann würden die Gesundheitsämter auch wieder Fall-Nachverfolgungen schaffen.

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Vergleich: Corona-Infektionszahlen wie ein ungebremster LKW

Das verdeutlicht Drosten mithilfe eines Bildes aus dem Alltag: „Angenommen: Wir fahren mit einem schweren Lastwagen einen Berghang hinunter, der kein Ende nehmen will, und wir wissen, wir fliegen demnächst aus der Kurve. Die Bremsen sind kaputt und wir dürfen nur fünf Sekunden lang auf die Bremse treten. Wo machen wir das jetzt? Da wird man zu dem Schluss kommen: Es wird nicht reichen, wenn wir nur einmal bremsen, wir müssen das alle paar Hundert Meter machen.“

Am ersten Oktober erhielt der Virologe Christian Drosten das Bundesverdienstkreuz für seine Arbeit in der Corona-Pandemie.
Am ersten Oktober erhielt der Virologe Christian Drosten das Bundesverdienstkreuz für seine Arbeit in der Corona-Pandemie. © Getty Images | Pool

Übertrage man dieses Bild auf die aktuelle Situation in Deutschland, bedeute das: Der Lastwagen ist noch kaum angerollt. „Zum Glück sind wir noch in einer günstigen Situation, auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern“, meint Drosten. „Wenn wir jetzt einmal auf die Bremse treten, hätten wir einen ganz nachhaltigen Effekt. Das würde uns ganz viel Zeit einspielen.“

„Social Bubble“: Zwei bis drei Haushalte könnten eine soziale Blase bilden

Wenn man sich früh auf einen „Mini-Lockdown“ verständige, müsse man das Alltagsleben auch nicht sehr stark ausbremsen. Noch sei die Lage hierzulande noch nicht so schlimm wie in anderen Ländern, aber Drosten befürchtet, dass die Fallzahlen in Deutschland „weiter sehr stark exponentiell anwachsen“ werden.

Mit dem heutigen Wissen über das Coronavirus würde man einen Lockdown außerdem anders gestalten, sagt Drosten im Podcast. Eine Idee wäre eine sogenannte „Social Bubble“, eine soziale Blase.

„Man könnte sagen, es dürfen sich immer zwei oder sogar drei Haushalte zusammentun und eine soziale Blase bilden. Diese zwei oder drei Familien dürften sich auch während eines ,Lockdowns’ die ganze Zeit treffen, auch um sich bei der Kinderbetreuung oder beim Einkaufen zu helfen“, erklärt Drosten das Konzept.

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Schwerer Krankheitsverlauf auch bei jungen Menschen möglich

Christian Drosten betonte zudem, dass auch er selbst nicht gelassen sei, was eine Infektion mit dem Coronavirus angeht. „Ich möchte das nicht haben“, so der Virologe im Podcast. Niemand könne abschätzen, wie eine Erkrankung verläuft. „Es gibt auch in den jüngeren Altersstufen diese plötzlichen, sehr schweren Verläufe. Es gibt den 25-jährigen Fußballspieler, der innerhalb von drei Tagen auf der Intensivstation liegt und zwei Tage später tot ist.“

„Man weiß eben vorher nicht, ob man nicht zu diesen seltenen Fällen gehört“, sagt Drosten. Darum sollte seiner Ansicht nach jeder versuchen, sich im eigenen Alltag vor einer Infektion zu schützen. „Das sollte wirklich auf der Tagesordnung stehen. Man sollte Gelegenheiten vermeiden, wo man sich infizieren kann.“ So schlägt der Virologe vor, nicht jeden Tag in den Supermarkt zu gehen, sondern nur einmal in der Woche. Oder nach Möglichkeit den Bus und die U-Bahn zu meiden, indem man mit dem Fahrrad fährt.

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