Berlin. Tatort „Rebland“ thematisiert Vor-und Nachteile der erweiterten DNA-Analyse. Seit fast einem Jahr ist sie in Deutschland schon erlaubt.

Drei Männer, alle verdächtig. Da ist der Friseur mit seinen Hawaiihemden und einer Vorliebe für Musik, ein Polizeikollege – etwas eigenwillig und auch mal ausfallend – , sowie der alleinerziehende und überforderte Vater, der nach dem Tod seiner Frau Angst hat, dass ihm das Jugendamt auch noch seine Tochter nehmen könnte.

Was macht sie so verdächtig? Sie wollen nach der Vergewaltigung von Radiomoderatorin Beate Schmidbauer im Tatort „Rebland“ keine Speichelprobe für den DNA-Abgleich hergeben.

Die DNA-Analyse ist für die Ermittler im Schwarzwald, Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner), die einzig wirkliche Möglichkeit, um den Täter zu überführen. Nach der Tat vergleichen sie die sichergestellte DNA des Mannes am Körper der Vergewaltigten mit denen in der Datenbank. Ohne Erfolg. In einer großangelegten Untersuchung in der Region werden daher schließlich alle Männer zu einer DNA-Probe gebeten. Wieder kein Erfolg.

Tatort „Rebland“: Debatte über erweiterte DNA-Analyse

90 Männer aber weigern sich, die DNA zu liefern. Das macht sie verdächtig. Hilfe kommt aus dem Ausland. Zusammen mit den Kollegen aus Frankreich finden sie heraus, dass die gesuchte DNA auch bei einer Vergewaltigung im Elsass gefunden wurde. Der Mann aber ist unbekannt.

Die Ermittler wollen den Fall trotz weniger Indizien aber nicht einfach zu den Akten legen, also bedienen sie sich einer Methode, die zum Zeitpunkt des Tatort-Drehs in Deutschland noch nicht erlaubt war: der erweiterten DNA-Analyse. Mit ihrer Hilfe lässt sich die DNA auf Merkmale wie Alter, Haut- und Augenfarbe untersuchen – und so der Kreis der Verdächtigen weiter eingrenzen.

Ohne Absprache mit ihrer Chefin wählen Tobler und Berg diesen nicht erlaubten Weg und schließen nach und nach Männer aus. Bis zuletzt nur noch die drei oben beschriebenen Verdächtigen bleiben.

Der Film stößt damit eine Debatte über die Frage an, ob die Polizei in Deutschland eine erweiterte DNA-Analyse nutzen dürfen soll oder nicht. Das Thema kommt inzwischen etwas überholt daher, denn diese Analyse ist seit Ende des vergangenen Jahres bereits erlaubt. Sie wurde im Rahmen der Modernisierung des Strafverfahrens eingeführt. Die DNA-Analyse wurde hierbei um äußerlich erkennbare Merkmale wie Augen-, Haar-und Hautfarbe sowie das Alter erweitert.

„Tatort“ zeigt Schattenseite der DNA-Analyse

Zuvor war es nur erlaubt, das Geschlecht zu erfassen. Nicht von der Erweiterung gedeckt ist allerdings die „biogeografische Herkunft“. Es darf also nicht bestimmt werden, ob die Person aus Deutschland oder dem Ausland stammt. „Das, was auch mit Videoüberwachung, Fotos oder Zeugenaussagen erkennbar wäre, soll künftig auch durch die DNA-Analyse ermittelbar werden“, hieß es damals von der Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Die DNA-Analyse sollte eine Ermittlungslücke schließen. Helfen, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft wurden.

Aber ist die Entscheidung auch richtig? Der „Tatort“ zeigt die Schattenseiten dieser erweiterten Analyse auf. Den drei Männern im Film wird von allen Seiten misstraut, sie werden unter einen Generalverdacht gestellt, allein weil sie sich gegen die DNA-Abgabe gewehrt haben und sie ein paar äußerliche Merkmale aufweisen, die auch in der Täter-DNA gefunden wurden. Hätte einer von ihnen das Glück, braune und nicht blaue Augen zu haben, würden sie gar nicht erst in den Fokus der Ermittler rücken. Haben wir es hier mit Willkür zu tun?

Jedenfalls zeigt der Film eindrücklich, was diese DNA-Fahndung mit der Psyche dieser Menschen machen kann und wie sie ihr Leben negativ beeinflusst. Dass der Kollege von der Polizei verdächtigt wird, führt dazu, dass ihn andere Polizisten drangsalieren und eine Kollegin, die ganz offensichtlich für ihn schwärmt, sich nicht mehr zu ihm nach Hause traut. Dem Vater nimmt das Jugendamt vorsorglich die Tochter weg und der Friseur verliert den Job und seine Frau trennt sich von ihm.

DNA-Analyse: Nützlich oder diskriminierend?

Auch in Deutschland gab es im vergangenen Jahr eine Debatte um die erweiterte DNA-Analyse. Das Vorhaben war umstritten, weil die Analyse stark in die Persönlichkeitsrechte eingreift. Kritiker befürchteten eine Diskriminierung bestimmter Personengruppen.

Außerdem gab es Zweifel an der Genauigkeit der Vorhersage – etwas des Alters. Das Justizministerium schrieb dazu damals: „Die Vorhersagegenauigkeit liegt bei plusminus drei bis fünf Jahren.“ Es seien aber auch Abweichungen „von bis zu zehn Jahren möglich“.

Kriminologe Tobias Singelnstein von der Ruhr-Universität Bochum gab damals gegenüber „Legal Tribune Online“ zu bedenken, dass Gefahr bestehe, dass Ermittler die Aussagekraft der DNA-Ergebnisse überbewerten. „Diese spiegeln ja nur Wahrscheinlichkeiten wider. Das könnte dazu führen, dass andere Ermittlungsansätze zu frühzeitig ausgeschlossen werden.“

Kriminalmediziner begrüßten die Erweiterung

Kriminalmediziner zeigten sich erfreut über die Erweiterung. „Die Ermittlung ist typischerweise ja in einem Stadium, wo man an einem Punkt anlangt und nicht mehr weiter weiß“, sagte damals Peter Schneider, Leiter der Forenischen Molekulargenetik vom Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln im Deutschlandfunk. „Es gibt keinen Treffer in der nationalen DNA-Datenbank, es gibt keine Zeugenaussagen, man weiß nicht, aus welcher Region ein unbekannter Straftäter kommt. Und dann überlegt man sich, welche Möglichkeiten habe ich, jetzt noch Ermittlungshinweise zu bekommen, um gezielte Ermittlungen vornehmen zu können.“

Die Ermittler im Tatort sind schnell an genau diesem Punkt angekommen und greifen auf die Merkmalsanalyse zurück. Das Verrückte am Ende aber ist: Überführt wird der Täter auf ganz anderem, viel banalerem Wege. (jb)

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