Berlin. Richard David Precht konfrontierte Maischberger mit einer Gegenfrage. Doch die Moderatorin machte alles andere als eine gute Figur.

  • Richard David Precht rettete vergangenen Mittwoch eine ansonsten eher langweilige Maischberger-Sendung
  • Seit Umstellung des Sendungskonzepts hat die Talkshow den Charakter eines bayerischen Stammtisch als den einer politischen Talkshow
  • Anders dagegen der Aufritt von Precht, mit dem Maischberger so ihre Probleme hatte – zum Glück für die Moderatorin kam der Abspann schnell

„Sie sind radikal, oder?“, wollte Sandra Maischberger vergangenen Mittwoch (19. August) von Richard David Precht wissen, und meinte es ernst. Der adrette Philosoph blieb cool, rettete mit seinen haltungsfesten Ausführungen sogar die Sendung – und brachte die Moderatorin ins Schwitzen. Ein wenig, wenigstens.

In der vergangenen Woche noch hatte Sandra Maischberger den neuen Kanzlerkandidaten der SPD, Olaf Scholz, mit unbequemen Fragen „gegrillt“. Nun saß sie selbst auf einem heißen Stuhl. Obwohl sie mit Precht eigentlich nur ein wenig über die großen Krisen der Zeit philosophieren wollte – Banken, Finanzen, Corona. Und natürlich das Klima.

Dass der „Klimaschutz“ unser Leben viel stärker bedrohe als das Coronavirus – wie sie gleich zwei Mal formulierte – war vielleicht nur ein Versprecher. Bestimmt aber muss die Moderatorin noch überzeugt werden, dass sich die eklatanten Folgen der Erderwärmung, wie sie für 2050 prognostiziert sind, nicht von selbst erledigen. Aktualisierung vom 27. August: Bei „Maischberger“ warnt der Virologe Streeck vor steigenden Corona-Zahlen.

„Maischberger“-Sendung hat viel von bayerischem Stammtisch

Ihre Fragen klangen konfrontativ. Aber die verständlichen Antworten erschienen ihr immer wieder nur radikal, fast suspekt. Und Precht‘s fassungsloser Gegenfrage, ob sie ernsthaft bezweifele, dass der Klimawandel Menschen gemacht sei, wich sie aus – und beeilte sich, den Abspann anzukündigen. Auch interessant: Trump-Fan nervt Plasberg bei „Hart aber fair“.

Gerade noch mal Glück gehabt, könnte man sagen, dass die 60 Minuten einer größtenteils glanzlosen Sendung just in diesem Augenblick vorüber waren. Aber zurück auf Anfang. Das neu überarbeitet Format von „Maischberger. Die Woche“ hat viel von einem bayerischen Stammtisch, nicht nur die vorgeblich qualifizierten Kommentierungen mit wenig Erkenntniswert.

Ein bisschen dies, ein bisschen das und also möglichst alles, was die Woche an politischen Aufregern bis zum Mittwoch eben hergab: Lukaschenko und die Gefahr einer russischen Intervention wie in der Ukraine. Joe Biden und der Parteitag der US-Demokraten. Angela Merkel zu Besuch bei Armin Laschet in NRW, der sich nun als harter Arbeiter gegen den „Monarchen Söder“ im Schloss Herrenchiemsee von vor vier Wochen inszenierte. Wer von den beiden machte neben der Kanzlerin die bessere Figur?

Sandra Maischberger und ihre Gäste: Amelie Fried, Nikolaus Blome, Golineh Atai (v.r.).
Sandra Maischberger und ihre Gäste: Amelie Fried, Nikolaus Blome, Golineh Atai (v.r.). © WDR/Melanie Grande | WDR/Melanie Grande

Nikolaus Blome: Diktator von Belarus fälschte „einmal zu viel eine Wahl“

Leicht und locker plauderten sich die drei Co-Diskutanten auf ihren Barhockern durch die vorgegebenen Themen, ergänzten sie mit rein persönlichen Einschätzungen: Golineh Atai, die bis 2018 als ARD-Korrespondentin in Moskau arbeitete, gab zu, der „Effekthascherei von Markus Söder“ nicht zu trauen.

Amelie Fried, ehemalige „3nach9“-Moderatorin befand, dass das arme Amerika nur die Wahl hätte zwischen einem „durchgeknallten“ und einem „halbsenilen“ Präsidenten. Und Nikolaus Blome, neuerdings Politik-Ressortleiter bei der RTL Mediengruppe, glaubte, dass der Diktator von Belarus „einmal zu viel eine Wahl fälschte, wie in der DDR.“

Dazwischen schnell noch die Bühne gewechselt, zum Doppelinterview mit Tobias Hans, Ministerpräsident des Saarlands, und dem Virologen Alexander Kekulé. Auch hier ging es im Galopp durch einen ganzen Corona-Fragekatalog. „Testen, testen, testen“

Auch interessant: Coronavirus: Experten beantworten die wichtigsten Fragen

Virologe Kekulé fordert massenweise Corona-Schnelltests

Alexander Kekulé und Tobias Hand (vl.) bei „Maischberger“.
Alexander Kekulé und Tobias Hand (vl.) bei „Maischberger“. © WDR/Melanie Grande | WDR/Melanie Grande

Der momentane Anstieg der Infektionszahlen mache Sorge, waren sich beide einig. Statt weiterer Verbote, sollten die Menschen, die sich absichtlich der Maskenpflicht verweigerten, aber noch weiter überzeugt werden. Denn ohne jeden Einzelnen lasse sich die Pandemie nicht in den Griff bekommen.

Ginge es nach Kekulé, dann am besten mit massenweisen Schnelltests, die jeder einfach in der Apotheke durchführen können soll. Die 20-Minuten-Tests seien zwar nicht so sicher wie Labortests, aber „viele weniger qualitative Tests bringen mehr als wenige hochqualitative“, war er sich sicher. Erst recht in der kommenden Grippe-Saison, wo Sofort-Tests die einzige Chance wären.

Der Saarländische MP schien dennoch skeptisch. Dafür glaubte er, entgegen der neuesten Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass sich der Karneval gar nicht absagen lasse. „Schunkeln auf 1,5-Meter-Abstand geht natürlich nicht“, relativierte Tobias Hans.

Man müsse neue Formen finden, damit die Fastnacht gefahrlos stattfinden kann. Standards für Hygiene und Nachverfolgung natürlich auch. Mehr dazu in unserem Corona-Newsblog.

Richard David Precht mit klaren „radikalen“ Ansichten

Da erschienen zum Schluss der Sendung die unerwartet klaren, „radikalen“ Ansichten eines durch Grünen-Eltern sozialisierten Philosophen wie leuchtendste Erleuchtung. „Menschen lieben Verbote“, hatte er schon im Frühjahr, noch vor dem Corona-Ausbruch, in einem Interview behauptet – wenigstens dann, wenn es um ihre elementaren Sicherheitsinteressen ginge.

Deshalb habe es ihn auch nicht überrascht, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Corona-Einschränkungen so folgsam akzeptiert habe, erklärte Precht ruhig und gelassen. „Die Menschen fühlten sich aufgehoben, sie spürten, der Staat kümmerte sich um sie.“

Auch ein Tempolimit auf Autobahnen oder ein Bann von SUVs in Innenstädten würde von der Bevölkerung akzeptiert werden, wenn die Politik nicht so viel Angst vor der Autoindustrie hätte, war Precht sich sicher.

Lesen Sie hier: Coronavirus: Die Pandemie als Chance für die Klimaziele

Precht: Nachhaltigkeit spielt untergeordnetes Thema gegenüber Arbeitsplätzen

Und erinnerte an das Rauchverbot, von dem es zunächst ebenfalls geheißen habe, dass es sich in Deutschland niemals durchsetzen lasse. Leider sehe auch er, dass „Nachhaltigkeit ein völlig untergeordnetes Thema gegenüber Arbeitsplätzen“ sei.

Das gelte inzwischen auch für Bündnis 90/ Die Grünen, die nicht ansatzweise die Forderungen der „Fridays for Future“-Aktivisten umsetzen würden, „weil sie ihre momentan hohen Sympathiewerte nicht riskieren wollen.“

Erst wenn in 20, 30 Jahren, so seine Prognose, die eklatanten Folgen des Klimawandels richtig spürbar werden, werde sich etwas ändern. „Und dann ist es egal, wer regiert.“

• Maischberger-Talk – mehr zum Thema:

Zuvor hatte die Moderatorin mit Gästen über Anti-Corona-Demos, Präsidentschaftswahl und die Sorge vor einer zweiten Welle diskutiert: Maischberger: Palmer spricht von „geopferten Kindern“.

Vor der Sommerpause hatte Maischberger mit ihren Gästen über die Proteste in den USA, die der gewaltsame Tod von George Floyd ausgelöst hatte, getalkt: „Maischberger“: „Menschenleben wichtiger als Sachschäden“.