Essen. Der Kohleausstieg bis 2038 ist beschlossen. Aber die Politik hat den Kompromiss unnötig verzerrt – und er ist klimapolitischer Unsinn.

Die Kohlekommission hat lange gebraucht, um einen für alle irgendwie gangbaren Kompromiss für die Abschaltung aller Kraftwerke bis zum Jahr 2038 zu finden. Ein halbes Jahr lang rangen Experten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften und Umweltverbänden um jedes Kilowatt und jedes Jahr Laufzeit.

Die Bundesregierung hat doppelt so lange gebraucht, diesen guten Kompromiss wieder zu verwässern, neue Gräben aufzureißen und die Senkung der Treibhausgasemissionen zu verlangsamen.

Kohleausstieg: Politische Ränkespiele und künstlich aufgeblasener Ost-West-Konflikt

Konzerne und Klimaschützer beklagen nun unisono und völlig zurecht, dass die Regierung ihre Empfehlungen nicht 1:1 umgesetzt hat. Es war ihnen in der Kommission gelungen, die Interessen von Wirtschaft und Klimaschutz halbwegs überein zu bringen. Politische Ränkespiele und ein künstlich aufgeblasener Ost-West-Konflikt haben aus einem gereiften Kompromiss nun einen halbgaren gemacht.

Es wird länger dauern, den Ausstoß von Treibhausgasen in der gewünschten Menge zu senken. Und der Ausstieg belastet manche Unternehmen deutlich stärker als andere.

Uniper als Beispiel absurder Politik

Das liegt vor allem daran, dass die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer längere Laufzeiten für ihre besonders klimaschädlichen Braunkohlereviere erstritten haben. Die Betreiber selbst hätten bei auskömmlicher Entschädigung auch früher abgeschaltet, so wie es RWE im Rheinischen Revier mit seinen alten Blöcken macht.

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Dass etwa Uniper sein Braunkohlekraftwerk in Schkopau schon im Jahr 2026 auf Gas umrüsten wollte, nun aber von der Landespolitik gezwungen wird, dort bis 2034 Braunkohle zu verbrennen, ist einfach absurd.

Klimapolitisch ist das blanker Unsinn

Politik-Korrespondent Stefan Schulte kommentiert den Kohle-Kompromiss.
Politik-Korrespondent Stefan Schulte kommentiert den Kohle-Kompromiss. © WAZ | MATTHIAS GRABEN

Weil die Regierung hohe Entschädigungen für die jüngeren Braunkohlekraftwerke scheut und die ostdeutschen Bundesländer befrieden will, müssen statt der Braunkohle nun die wenig rentablen Steinkohlekraftwerke früher vom Netz, obwohl sie deutlich weniger CO2 ausstoßen.

Klimapolitisch ist das blanker Unsinn. Mit Datteln 4 geht zwar das modernste Steinkohlekraftwerk im Sommer doch noch ans Netz, es wird aber vor älteren und schmutzigeren Braunkohlemeilern wieder abgeschaltet. Den zusätzlichen Kohlestrom aus Datteln hätte die Bahn als Hauptkundin ohnehin lieber durch Ökostrom ersetzt.

Bessere Lösung scheiterte am Geld

Und im Gegensatz zu den meisten älteren Steinkohleblöcken, die für Datteln nun vom Netz gehen sollen, wird das Riesen-Kraftwerk weitgehend in Volllast laufen. Die von vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet mantraartig wiederholte Behauptung, Datteln 4 trage zum Klimaschutz bei, ist deshalb falsch.

Wenn nun Politiker aus CDU und SPD das Kohleausstiegsgesetz als schwer errungenen, aber ausgewogenen Kompromiss feiern, gar historische Dimensionen bemühen, ist das reiner Selbstschutz. Sie haben eine bessere Lösung, die auf ihrem Tisch lag, am Geld scheitern lassen.

Deutsche Energiewende droht auf halbem Weg stehen zu bleiben

Denn natürlich haben RWE, Uniper Co. ein Recht auf Entschädigungen, wenn der Staat sie ihrer Kraftwerke enteignet. Und natürlich hätten die ostdeutschen Reviere für einen früheren Ausstieg mehr Unterstützung benötigt. Selbst die allseits als Brückentechnologie gewünschte Kraft-Wärme-Kopplung mit Gas wird sich schwer tun, weil die Förderung knapp ausfällt.

Weil es allemal besser ist als der Status Quo, bleibt das Gesetz zum Kohleausstieg natürlich ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn im laufenden Gesetzgebungsverfahren bis zum Sommer oder spätestens in den kommenden Jahren aber nicht bald nachgesteuert wird, droht die deutsche Energiewende auf halbem Wege stehen zu bleiben.

Kohleausstieg und Klima – mehr zum Thema:

Der aktuelle Risikoreport des Weltwirtschaftsforums in Davos listet die größten Gefahren für die Welt in diesem Jahr auf. Erstmals stehen dieses Jahr ökologische Themen auf den fünf Spitzenplätzen der wahrscheinlichsten Risiken.

Um das Klima zu schützen, sollen Bundesbeamte häufiger den Zug nehmen. Bisher wurde geflogen, um zu sparen – alles zur Neuregelung des Bundesreisekostengesetzes (BRKG).

Auf den Kohleausstieg hatten sich Bund und Länder bereits Mitte Januar geeinigt. Was der Kohleaustieg für den Hambacher Forst bedeutet. Auch über das Wie herrscht bereits Einigkeit: Das muss man zum Kohleausstieg-Fahrplan wissen.