Berlin. Ein Video auf TikTok sorgt für Angst vor dem Dritten Weltkrieg. Der Kinderschutzbund nimmt jetzt Eltern und Medien in die Pflicht.

  • TikTok ist besonders bei Jugendlichen beliebt – aber auch viele Erwachsene benutzen die App
  • Doch die Macher der chinesischen App müssen sich immer wieder Kritik gefallen lassen, weil es Sicherheitsbedenken gibt
  • Der Kinderschutzbund warnt Eltern – und hat eine klare Forderung

Auf Deutschlands Schulhöfen herrscht Aufregung. Seit Tagen diskutieren Kinder und Jugendliche über die Frage, ob womöglich ein „Dritter Weltkrieg“ ausbrechen könnte. Die Diskussion hat ihren Ursprung dort, wo sich junge Menschen heute am liebsten aufhalten: im Internet.

Seit der gezielten Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch eine amerikanische Drohne ist der Hashtag #WWIII („World War 3“) in den sozialen Netzwerken besonders gefragt. Auch auf Google schossen Suchbegriffe wie „World War 3“ oder „Dritter Weltkrieg“ schlagartig in die Höhe. Zahlreiche Internetnutzer sprangen auf den Trend auf.

TikTok: Laura Sophie teilte „Erklärvideo“ zur Gefahr eines „Dritten Weltkriegs“

So auch Laura Sophie. Die 18-Jährige teilte auf dem Videoportal TikTok ein „Erklärvideo“ mit ihren 2,2 Millionen Fans. Darin warnt die Influencerin: „Der Dritte Weltkrieg wird vielleicht ausbrechen.“

Laura Sophie versucht zu berichten, was im Falle eines militärischen Konflikts zwischen Iran und USA passieren könnte: „Sobald die USA anfangen zu kämpfen, treten Deutschland und Frankreich auch mit ein. Das sind alles Länder der Nato.“ Sie fügt hinzu: „Der Iran verfügt über extrem viele Atombomben und gefährliche Waffen. Wenn da eine hochgeht, sind wir alle futsch.“

Viele ihrer jungen Zuschauer waren verunsichert, wussten sie doch nicht, dass die meisten Aussagen in dem 59-sekündigen Video schlichtweg falsch sind. Der Iran ist nicht im Besitz von Atombomben, und die Nato ist ein Verteidigungs-, kein Angriffsbündnis. Es steht also jedem Staat frei, ob und in welchem Umfang er ein anderes Mitgliedsland militärisch unterstützt.

Einen Dritten Weltkrieg halten Experten für sehr unwahrscheinlich. Laura Sophie hat ihr Video mittlerweile gelöscht. Doch auf Twitter kursiert es weiter – meist verbunden mit Empörung über Influencer und deren mangelndes Wissen über das politische Geschehen.

TikTok und Politik – passt das zusammen?

Es ist das erste Mal, dass der Inhalt eines TikTok-Videos in Deutschland für so viel Aufsehen sorgt. Die Videoplattform gehört zu der chinesischen Firma Bytedance und ist vor allem bei einer besonders jungen Zielgruppe beliebt. Auf TikTok dominieren kurze Sketche, Karaoke-Videos und Schminktipps. Politische Inhalte haben hingegen Seltenheitswert.

Alex Zhu, der Chef der chinesischen Video-App sagte in einem Interview mit dem „Spiegel“, er habe keine „wirklich gute Antwort“ darauf, wie sein Unternehmen mit politischen Inhalten umgehen solle. Darauf angesprochen, ob auf TikTok auch für Politiker wie Donald Trump Platz sei, sagte Zhu: „Jeder ist bei uns willkommen. Aber ich hoffe, dass TikTok weiterhin als Ort für Unterhaltung wahrgenommen wird, nicht als politische Plattform.“

Doch Fakt ist: Die Generation Z, zu der auch Laura Sophie gehört, interessiert sich immer stärker für Politik. Das zeigt sich nicht nur bei den Fridays-for-Future-Demos auf der Straße, sondern eben auch in den sozialen Medien.

Kein deutsches YouTube-Video war 2019 erfolgreicher als Rezos „Zerstörung der CDU“, das bis heute mehr als 16 Millionen Mal geklickt wurde. Spätestens seit Rezo wissen Politiker und Medienschaffende, dass politische Äußerungen von Internetstars die junge Zielgruppe beeinflussen.

TikTok und Co.: Rechweite von Influencern ist enorm

Die Reichweiten mancher Influencer sind sogar weitaus höher als die von klassischen Medien. „Einige scheinen sich der Verantwortung, die damit einhergeht, aber nicht bewusst zu sein“, sagt Anna-Valentina Plesnar, die in ihrem Podcast „Pancake Politik“ politische Inhalte für eine junge Zielgruppe aufbereitet. Lesen Sie hier: TikTok – Das ist die Facebook-Alternative aus China.

Die 18-Jährige ist ebenfalls bekannt auf Instagram und Youtube. Sie recherchiere stets gründlich, bevor sie Informationen ins Netz stelle. „Natürlich können trotzdem Fehler passieren“, sagt Plesnar. „Ich bin keine Redaktion mit professionellen Fakten-Checkern. Ich bin eine junge Frau, die sich für Politik interessiert.“

Gerade bei TikTok können Fehler allerdings gravierend sein. Die jungen Nutzer sind leicht zu beeinflussen und zu verängstigen. In den USA, wo der #WWIII-Trend seinen Anfang nahm, war sogar die Webseite des Selective Service zeitweise nicht mehr erreichbar. Die US-Behörde gibt dort Auskunft darüber, welche Wehrpflichtigen bei einem Verteidigungsfall eingezogen werden würden.

TikTok: Kinderschutzbund appelliert an Eltern und Medien

„Die aktuelle politische Situation und die damit verbundenen Angriffe können selbstverständlich Angst und Verunsicherung bei Kindern und Jugendlichen auslösen“, sagt Cordula Lasner-Tietze, die Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes. Neben der Fähigkeit, zwischen richtigen Informationen und „Fake News“ zu unterscheiden, sei auch das Gespräch mit den Eltern nötig, um mit Ängsten besser umgehen zu können.

CSU-Politikerin Dorothee Bär – im Kanzleramt für Digitalisierung zuständig – will sich noch in dieser Woche mit den Betreibern von TikTok treffen. Dabei soll unter anderem die Hysterie um den Dritten Weltkrieg zur Sprache kommen. Lesen Sie hier: Experten warnen vor der Internetsucht.

Lasner-Tietze appelliert indes auch an traditionelle Medien, eine kindgerechte Aufklärung voranzutreiben, um Eltern und Kindern Sicherheit im Umgang mit Botschaften im Netz zu vermitteln. Das Beispiel von Laura Sophie zeigt, dass auch seriöse Medienmarken neue Plattformen in den Blick nehmen müssen. Denn Falschaussagen bekämpft man am besten dort, wo sie entstehen.

TikTok und Co. – Mehr zum Thema:

Selbst die „Tagesschau“ hat mittlerweile einen Kanal auf der umstrittenen App TikTok. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey will Kinder besser vor Cyber-Gefahren schützen. Was sich jetzt für Instagram, Snapchat, TikTok und WhatsApp ändern soll.