Berlin. 2024 soll die erste Frau auf dem Mond stehen, die Industrie wünscht sich einen Weltraumbahnhof: So sehen Deutschlands Pläne im All aus.

Raketenstarts in Rostock oder Nordholz bei Cuxhaven – nicht wirklich, oder? „Wir brauchen einen unabhängigen Zugang zum All“, betonte Andreas Hammer vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie jüngst zur Idee eines Weltraumbahnhofs in Deutschland.

Eigene Systeme, das sei in der Raumfahrt wichtig, gerade mit Blick auf mögliche „robuste Auseinandersetzungen“, also Krisen und Konflikte, sagt der Koordinator der Bundesregierung für die deutsche Luft- und Raumfahrt, Thomas Jarzombek (CDU). „Ich glaube, dass das Potenzial in der Raumfahrt extrem groß ist. Deshalb ist es für uns wichtig, dass wir vorne dabei sind, damit wir nicht eine neu entstehende Industrie verschlafen.“

Pierre Godart, Deutschlandchef des Herstellers ArianeGroup, spricht von Sicherheitsaspekten: „Die Raumfahrt findet Anwendung in so vielen wichtigen Bereichen: Wettervorhersagen, Grenzkontrollen, Internet, Netzempfang, Fernsehen und vieles mehr.“ Es handle sich um kritische Infrastruktur.

„Wollen wir uns diesbezüglich wirklich von anderen abhängig machen? In der Raumfahrt gilt: ohne Souveränität auf der Startrampe keine Souveränität im Orbit.“

Kekse backen im Weltall

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    Nato will Weltraum zum Operationsgebiet erklären

    Auch die Nato wappnet sich für Kriege im Weltraum. Die 29 Bündnisstaaten haben vergangene Woche beschlossen, das All zu einem eigenständigen Operationsgebiet erklären zu wollen. Der Beschluss soll beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in London in der kommenden Woche verabschiedet werden.

    Konkret könnte der Beschluss der Nato bedeuten, dass mögliche Angriffe aus dem Weltraum künftig als Bündnisfall behandelt werden – also so wie bislang Angriffe am Boden oder im Luft-, See- oder Cyberraum. Das Bündnis soll zudem zu einem Schlüsselforum für den Austausch von Fähigkeiten und Informationen werden – ohne dabei allerdings selbst den Einsatz von Weltraumwaffen zu unterstützen oder diese sogar zu entwickeln.

    „Die Nato hat nicht die Absicht, Waffen im Weltraum zu stationieren, aber wir müssen sicherstellen, dass unsere Missionen und Operationen die passende Unterstützung haben“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg.

    Esa-Chef Jan Wörner will Müll im Weltraum vermeiden

    Die Weichen für künftige gemeinsame Raumfahrtprojekte in Europa sollen am 27. und 28. November gestellt werden – dann verhandeln die Mitgliedsländer der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) in Sevilla über Raumfahrtprogramme und deren Finanzierung. Für Esa-Chef Jan Wörner steht fest, dass Investitionen in die Raumfahrt das tägliche Leben betreffen würden.

    Täglich und überall könnten Konsumenten dank der Raumfahrt auf Angebote für Navigation und Wetter zurückgreifen. Während früher das Rennen um die Vorherrschaft im All politisch gewesen sei, rücke die Raumfahrt nun in den Fokus der Wissenschaft.

    Deshalb möchte Wörner in Sevilla für ein Projekt werben, das politisch unsexy wirkt: Im All soll Müll aufgeräumt und künftig vermieden werden. Dabei geht es dem Esa-Chef um eine ernste Sicherheitsproblematik: Immer mehr kaputte Satelliten und anderer Weltraumschrott umkreisen die Erde. Deshalb steigt die Wahrscheinlichkeit einer Kollision des Schrotts mit funktionsfähigen Satelliten.

    Mehr als 900.000 Fremdkörper sollen um die Erde schwirren

    „Falcon 9“-Raketen sollen in den nächsten Jahren bis zu 42.000 SpaceX-Satelliten ins All schicken.
    „Falcon 9“-Raketen sollen in den nächsten Jahren bis zu 42.000 SpaceX-Satelliten ins All schicken. © dpa | Malcolm Denemark

    Wird die Entstehung von Weltraummüll nicht bekämpft, könnten niedrige Umlaufbahnen um die Erde für Satelliten unbrauchbar werden – die Kollisionsgefahr wäre schlicht zu hoch. Die Esa geht schon jetzt von mehr als 900.000 Fremdkörpern mit einer Größe von mindestens einem Zentimeter aus, die um die Erde schwirren. Nur ist eine Müllabfuhr im All hoch anspruchsvoll.

    Deutschland scheint dennoch gewillt, dem Wunsch von Esa-Chef Wörner zu entsprechen. Bisher gibt es keine verbindlichen Regeln im All. Vereinfacht gesagt kann jeder nach oben schießen, was er will.

    „Auch für uns ist die Entfernung von Weltraumschrott zentral“, sagt Raumfahrt-Koordinator Jarzombek dazu und wirbt für ein internationales Regelwerk. „Das wollen wir sowohl auf UN-Ebene, als auch europäisch und mit den US-Amerikanern in Angriff nehmen, die da momentan auch sehr nach vorne gehen.“

    Doch die Esa kann nicht nur Müllabfuhr. Im kommenden Jahr soll die Rakete „Ariane 6“ zum ersten Mal abheben. Über ihren Bau war vor fünf Jahren entschieden worden. Die „Ariane 6“ soll schneller und günstiger sein als ihre Vorgängerin. Doch reicht das?

    Elon Musks Weltraumfirma SpaceX drückt die Preise

    Der Markt hat sich seit der Entscheidung stark verändert, vor allem das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX des Tech-Milliardärs und Tesla-Gründers Elon Musk drückt die Preise – Esa-Chef Wörner findet das unfair: „Elon Musk bekommt Milliarden von der Nasa, um irgendwelche Cargogüter auf die Raumstation zu bringen.“ Die Frage sei aber, ob Musk diese Milliarden wirklich für seinen Service brauche, oder sie dafür nutze, um kommerzielle Raketenstarts günstiger anbieten zu können.

    Die Investitionen ermöglichen der US-Konkurrenz, gegenüber der Esa technisch voraus zu sein. Während die europäische „Ariane 6“ ein Einwegprodukt ist, kann die „Falcon 9“ von SpaceX wieder auf der Erde landen.

    Auch bietet SpaceX Starts billiger an – das führt dazu, dass selbst EU-Institutionen und auch die Bundeswehr lieber mit einer Rakete des US-Unternehmens fliegen. So plante die Bundeswehr zuletzt, drei Spionagesatelliten mit SpaceX ins All zu befördern. Der Betreiber der europäischen Rakete, Arianespace, hatte dagegen bis Mitte Oktober insgesamt lediglich acht Aufträge für Flüge in ins All.

    Insgesamt seien Deutschland und Europa aber nicht schlecht dabei, sagt Jarzombek: „Es gibt kaum eine Wissenschaftsmission, bei der nicht deutsche oder europäische Technik mit an Bord ist.“ So werde etwa der Zylinder „European Service Module“ (ESM) in Bremen gebaut. Das ESM ist Teil des Raumschiffes „Orion“, mit dem die USA 2024 wieder Menschen – diesmal auch eine Frau – zum Mond schicken wollen.

    Wettbewerb um den Weltraum: Wissenschaftler sieht Deutschland gut aufgestellt

    Trotzdem würde Deutschland seine Potenziale nicht ausschöpfen, meint Wissenschaftler Klaus Schilling von der Universität Würzburg. Dabei sei nicht nur Geld entscheidend, es komme auch auf strategische Entscheidungen an. So habe Luxemburg bereits 2017 ein Gesetz zum Weltraum-Bergbau erlassen.

    Auch Deutschland hätte ausreichend Chancen. So würden neue Satellitengenerationen nicht mehr wie früher in Handarbeit hergestellt, sondern müssen wegen ihrer hohen Stückzahlen weitgehend automatisiert produziert werden.

    „Eigentlich hat Deutschland hier durch Industrie 4.0 im weltweiten Maßstab besondere Stärken, aber dennoch steht noch keine konkurrenzfähige Raumfahrt-Fabrik in Deutschland“, so der Experte. Am Potenzial scheitert es für Schilling also nicht. Stattdessen müssten die richtigen Weichen gestellt werden. (dpa/mbr/br)