London. Der Missbrauchsskandal um Prinz Andrew erschüttert die britische Monarchie. Experten meinen: Die Führung der Queen stimmt nicht mehr.

„Ausgestoßen“ lautete die lapidare Schlagzeile der „Daily Mail“ am Donnerstag, die dann die nächsten zehn Seiten einem einzigen Thema widmete: Prinz Andrew, der zweitälteste Sohn der Queen, hat bekannt gegeben, von seinen öffentlichen Aufgaben zurücktreten zu wollen. Tatsächlich wurde er zum Abgang gezwungen.

Das katastrophale Fernsehinterview, das der 59-Jährige am letzten Samstag dem Sender BBC gegeben hatte, sorgte für einen Mediensturm. Die Freundschaft Andrews mit dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein sowie Vorwürfe, dass der Royal Sex mit einer Minderjährigen gehabt haben soll, wurden ihm zum Verhängnis.

Hat die Queen noch das Heft in der Hand?

Mit dem Skandal um Andrew wird deutlich: Das Königshaus befindet sich in einer Krise. Beobachter fragen sich, ob die 93-jährige Queen noch das Heft in der Hand hält. Der Schatten der Bekanntschaft mit Epstein hing schon lange über Prinz Andrew. Der millionenschwere US-Geschäftsmann war ein langjähriger Freund. 2008 wurde er wegen Sex mit minderjährigen Mädchen verurteilt. Im August dieses Jahres nahm sich Epstein kurz vor seinem zweiten Prozess das Leben.

Der Fall Jeffrey Epstein

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    In dem Fernsehinterview bestritt der Herzog energisch, Virginia Giuffre, ein Opfer Epsteins, zu kennen, geschweige denn Sex mit der damals 17-Jährigen gehabt zu haben. Zurück blieb nach dem Interview der Eindruck eines stotternden, arroganten und um Ausflüchte bemühten Royals, der weder Reue zeigt noch Empathie für die Opfer.

    Damit war die Jagd auf Andrew freigegeben. Als Unternehmen wie British Telecom und selbst Wohlfahrtsorganisationen, bei denen der Herzog von York Schirmherr ist, auf Distanz gingen, wurde klar, dass Andrew die Reißleine ziehen muss.

    Einmaliges Ereignis in der langen Herrschaft der Queen

    Am Mittwoch wurde er zum Buckingham-Palast zur Audienz mit der Queen gerufen und von ihr zum Abgang gezwungen. Immerhin durfte er seine Erklärung selbst schreiben: Ihm sei klar geworden, dass der Wirbel um seine Person „zu einer schwerwiegenden Störung der Arbeit meiner Familie“ geworden sei. Auch sei er bereit, bei den Ermittlungsbehörden zum Fall Epstein auszusagen.

    So unausweichlich sich der Abtritt des Prinzen abgezeichnet hatte, so schockiert waren Verfassungsexperten, als er schließlich eintrat. Ein monumentales Ereignis, kommentierte Robert Lacey: „So etwas ist in der langen Herrschaft der Queen noch nie eingetreten.“

    Queen hätte Prinz Andrew früher stoppen müssen

    Tatsächlich wirft Andrew die Monarchie in eine Krise. Das Problem ist: Die Führung stimmt nicht mehr. Der 98-jährige Prinz Philip hat sich von seinen öffentlichen Aufgaben zurückgezogen. Er hatte früher die Rolle des Zuchtmeisters übernommen. Auch Sir Christopher Geidt, der Privatsekretär der Queen, ist nicht mehr im Dienst. Er sei, befand Royal-Experte A. N. Wilson, „der beste, den sie jemals hatte“ und habe „den Laden geschmissen“, aber er wurde in einem Machtkampf letztes Jahr hinausgedrängt.

    Die Queen hat zwar jetzt gegenüber Andrew ein Machtwort gesprochen, aber es ist bezeichnend, dass sie es so weit überhaupt hat kommen lassen. Denn zumindest das desaströse Interview hätte sie stoppen können.

    2019 gilt als das schlimmste Jahr der Queen seit 1992, als ihr unter anderem die skandalträchtige Scheidung von Prinz Andrew und Sarah Ferguson zu schaffen machte. Sorge bereitet ihr auch ihr Lieblingsenkel Prinz Harry, der sich mit Ehefrau Herzogin Meghan immer mehr vom Königshaus absondert.