Berlin. Ist die AfD eine rechtsextreme Partei? Das will das Bundesamt für Verfassungsschutz nun prüfen. Besonders im Visier: der Höcke-Flügel.

Sollte die AfD durch den Verfassungsschutz beobachtet werden? Nach einer wochenlangen Debatte gibt es eine Entwicklung.

Wie Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, am Dienstag erklärte, stuft die Behörde die AfD als sogenannten „Prüffall“ ein, ihre Jugendorganisation „JA“ und die Sammlungsbewegung „Der Flügel“, gegründet vom Thüringer Landeschef Björn Höcke, sogar als „Verdachtsfall“.

NRW-Verfassungsschutz nimmt AfD-Landesverband ins Visier

Unter stärkerer Beobachtung steht bald auch die AfD NRW. „Unser nordrhein-westfälischer Verfassungsschutz bearbeitet den NRW-Landesverband der AfD in Zukunft ebenfalls als ‘Prüffall’“, erklärte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstagabend in Düsseldorf.

Ob der Landesverband der Jungen Alternative darüber hinaus als Verdachtsfall eingestuft werde, „werden wir nach Prüfung des Gutachtens des Bundesamtes entscheiden.“

Es ist das erste Mal, dass eine im Bundestag vertretene Partei derart abgekanzelt wird; die Linke erfuhr eine solche Sonderbehandlung nur in Teilen. Die AfD kündigte bereits rechtliche Schritte gegen die Beobachtung an.

AfD wird zum „Prüffall“ – was das bedeutet

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang sieht die Partei „am Scheideweg“. Er steht dem Bundesamt seit Herbst 2018 vor. Es ist seine erste große Entscheidung. Und eine Duftmarke. Er will die Beobachtung des rechten Spek­trums verstärken, die Fachabteilung soll personell um 50 Prozent aufgestockt werden. So setzt er sich von seinem Vorgänger Hans-Georg Maaßen ab.

„Prüffall“ ist ein Begriff, den man nicht im Gesetz findet. Er bedeutet praktisch, dass der Verfassungsschutz wie bisher Material sammelt, sichtet, sortiert und auswertet, künftig aber erklärtermaßen, kontinuierlich, systematischer.

Verfassungsschutz will öffentlich zugängliche Aussagen sammeln

Noch liegen dem Amt nicht hinreichend Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor. Die Programmatik gibt dafür wenig her, die Abgeordneten der 30.000 Mitglieder starken Partei sind wiederum durch das Grundgesetz besonders geschützt.

Der Verfassungsschutz wird anhand öffentlicher Äußerungen von AfD-Mitgliedern und offen erkennbaren Verbindungen zur rechtsextremen Gruppe der

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untersuchen, inwieweit in der Alternative für Deutschland rechtsextremistische Bestrebungen festzustellen seien, heißt es.

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Die unmittelbaren Nachteile für die Politiker der AfD sind gering, aber der Rufschaden ist immens, zumal 2019 im Osten Wahlen anstehen. Geradezu zwangsläufig kündigte die Partei am Dienstag an, gegen das Bundesamt zu klagen. Fraktionschefin Alice Weidel sprach von einer „Wettbewerbsverzerrung“. Die Reaktion hatten die Kölner Beamten einkalkuliert.

„Wir werden uns die Begründung jetzt genau anschauen und wenn da keine Überraschung dabei ist, wovon wir ausgehen, werden wir vor die Verwaltungsgerichte ziehen“, sagte Roland Hartwig, Leiter der im Oktober 2018 gegründeten „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“ in der Bundes-AfD, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Nachwuchsorganisation im Visier

Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht bei der

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und der Vereinigung „Der Flügel“ sogar noch einen Schritt weiter und stuft beide als Verdachtsfall ein, eine höhere Stufe als ein Prüffall.

Der Verdachtsfall ist zum einen gesetzlich geregelt, zum anderen hat er eine neue Qualität. Nun kann der Verfassungsschutz gegen „JA“ und „Der Flügel“ nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, etwa Abhöraktionen und V-Leute.

Von besonderer Bedeutung war der thüringische AfD-Chef Björn Höcke. Er führt den „Flügel“ an, das Gründungsdokument bezeichnete er als „zweite Geburtsurkunde“ der AfD. Höcke bringt sie damit in Verlegenheit.

„JA“ und „Flügel“ sind eindeutige Fälle

Wenn Haldenwang von einer Partei am Scheideweg spricht, meint er damit, dass der Ausgang offen ist. Möglich, dass Höcke den Weg seines sachsen-anhaltinischen Kollegen André Poggenburg wählt.

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ARCHIV - 12.09.2017, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Andre Poggenburg, damaliger Landesvorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt, spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung. Poggenburg darf zwei Jahre lang keine Parteiämter bekleiden. Das beschloss der Bundesvorstand der Partei, wie Vorstandsmitglied Gottschalk berichtete. (zu dpa
Von Theresa Martus und Alexander Kohnen

„JA“ und „Flügel“ sind eindeutige Fälle. Flüchtlinge sind für sie pauschal rückständig, unzivilisiert, triebgesteuert, nicht integrierbar. In ihrem „Deutschlandplan“ fordert die „JA“ eine Ausgangssperre für männliche Flüchtlinge.

„JA“ pfeift auf die Würde des Menschen

Multikulturell übersetzt sie mit kriminell, mit Messermigration, Einwanderung begreift sie als Invasion und setzt sie gleich mit Parallelgesellschaften und Untergang. Dann ist schnell von einem „Lumpenproletariat“ und „Dreckskultur“ die Rede.

Kurzum: Die „JA“ pfeift auf die Würde des Menschen und hat ein völkisches Verständnis vom Staat. Sie macht überdies die Demokratie verächtlich und relativiert den Nationalsozialismus. Zu dem Schluss kommt jedenfalls der Verfassungsschutz nach der Auswertung von mehr als 1000 Seiten an Material.

Der Beschluss, mit den Ländern Material zu sammeln, war im September 2018 gefallen. Im November war bekannt geworden, dass der

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ARCHIV - 16.11.2018, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Jörg Meuthen, Co- Bundessprecher der AfD, spricht mit Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, bei der Europawahlversammlung der Alternative für Deutschland. Bei dem AfD-Delegiertenparteitag sollen die Kandidaten zur Europawahl 2019 gewählt werden. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Von Tobias Kisling, Theresa Martus, Miguel Sanches, Christian Unger

AfD könnte als nächstes Beobachtungsfall werden

Der Verfassungsschutz kann nachladen, die AfD zum Verdachtsfall, „JA“ und „Der Flügel“ zum Beobachtungsfall erklären – und auf eine Stufe mit Rechtsextremisten stellen. Haldenwang kann die AfD nicht ewig als „Prüffall“ führen.

Irgendwann wird er zum Ende kommen. Er weiß auch, dass die AfD der Hauptgegner der Linksextremisten ist. Es sei wichtig, auch Aktionen gegen die Rechtspopulisten in den Blick zu nehmen.

AfD-Fraktionschefin Weidel: Maaßen musste aus dem Weg

Die AfD sieht die Entscheidung erwartungsgemäß kritisch. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland erklärte: „Wir halten diese Entscheidung für falsch. Wir werden gegen die Entscheidung juristisch vorgehen, das ist klar.“ Er halte die Argumente von Verfassungsschutz-Präsident Haldenwang nicht für tragfähig, sagte Gauland.

Weidel stellte einen Zusammenhang mit dem

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n her. Sie sagte: „Es wird nun offensichtlich, warum Verfassungsschutz-Präsident Maaßen den Hut nehmen musste. Er musste aus dem Weg, um einen „Prüffall AfD“ konstruieren zu können“. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte Maaßen im November in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

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Die AfD wird Prüffall – das sind die Reaktionen

Politische Reaktionen auf die Verfassungsschutz-Entscheidung folgten prompt. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl sagte: „Das ist ein erster Schritt, um verfassungsfeindlichen Tendenzen in der AfD ein Stoppschild zu setzen.“

Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser erklärte: „Die rechtsextreme Identitäre Bewegung ist mittlerweile an vielen Stellen stark mit der Partei verflochten. Bei Demonstrationen und Veranstaltungen wie auch als Mitarbeiter in den Fraktionen in Landtagen und Bundestag sind diese Kader eine willkommene Unterstützung für die AfD.“

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU) sagte, die Entscheidung über den Umgang mit der AfD sei keine politische Frage. Es sei „Ausdruck einer wehrhaften Demokratie und eines Rechtsstaats, von dem vorhandenen und durchaus differenzierten Instrumentarium Gebrauch zu machen und zwischen der Partei, ihren Teilorganisationen und einzelnen Mitgliedern zu unterscheiden“.

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    Monatelang stand der Verfassungsschutz unter Druck. Nun hat der neue Präsident das heiße Eisen AfD angefasst und bekommt Lob von den Konkurrenzparteien, vom Dienstherren, Innenminister Horst Seehofer (CSU), und den Ländern. Die machen gute Miene zum bösen Spiel.

    Eigentlich sind sie pikiert, weil der Bund den Alleingang wagt und sie erst nachträglich einbindet. Seehofer hat seinen Behördenchef dazu ermuntert. Er wollte den Überraschungsmoment, einen Coup. (san/dpa/moi)