Berlin. Die Kassen zahlen Versicherten zwischen 50 und 54 eine jährliche Stuhl-Untersuchung. Neuartige Tests bringen Vorteile für Patienten.

Darmkrebs ist in Deutschland bei Frauen die zweit-, bei Männern die dritthäufigste Krebserkrankung. Pro Jahr gibt es Schätzungen zufolge 62.000 neue Diagnosen. Ab dem 50. Lebensjahr zahlen die Krankenkassen ihren Mitgliedern eine Stuhluntersuchung zur Früherkennung.

Für diese gibt es neuartige Tests, die die Untersuchung einfacher und zuverlässiger machen. Eine Studie des Deutschen Krebsforschungszen­trums (DKFZ) in Heidelberg ergab: Alle der neun untersuchten Produkte entdeckten die große Mehrheit aller Erkrankungen sowie viele Darmkrebsvorstufen. Darunter war auch ein Smartphone-Test, der ohne spezielle Laboranalytik auskommt.

Welche Möglichkeiten der Früherkennung gibt es?

Die Wahrscheinlichkeit, an Darmkrebs zu erkranken, steigt mit dem Alter an. Seit 2002 gibt es deshalb ab dem 55. Lebensjahr das Angebot einer Darmspiegelung. Sie wird von den Kassen bezahlt und ist bei der Früherkennung die zuverlässigste Untersuchung, der sogenannte Goldstandard. Dabei werden Dick- und Enddarm mithilfe eines fingerdicken, biegsamen Schlauchs samt Kamera und Lichtquelle untersucht. Entdeckt der Arzt verdächtige Wucherungen, können diese sofort beseitigt werden. Gibt es keinen auffälligen Befund, muss die Darmspiegelung erst nach zehn Jahren wiederholt werden.

Etwa jeder vierte Deutsche über 55 nimmt nach DKFZ-Angaben das Angebot einer Darmspiegelung zur Früherkennung wahr. Noch einmal jeder vierte wird im Rahmen einer anderen Untersuchung gespiegelt. „Das bedeutet aber auch, dass die Hälfte der über 55-Jährigen in Deutschland keinen wirksamen Schutz haben“, sagt Professor Hermann Brenner, Leiter der Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung beim DKFZ.

Im Darm können sich Tumore bilden.
Im Darm können sich Tumore bilden. © E+/Getty Images | Getty Images

Menschen, die eine eher aufwendige und mitunter als unangenehm empfundene Darmspiegelung zunächst vermeiden wollen, können stattdessen einen Stuhltest machen. Dieser soll helfen, mehr Männer und Frauen zur Darmkrebsfrüherkennung zu motivieren. Im Alter von 50 bis 54 Jahren wird der Test jährlich von der Krankenkasse bezahlt, ab 55 alle zwei Jahre. Dabei wird der Stuhl auf nicht sichtbare Spuren von Blut untersucht. Tumore oder deren Vorstufen bluten eher als die gesunde Darmschleimhaut.

Was ist neu an den Stuhltests?

Seit April hat der immunologische Test den chemischen abgelöst. Der Blutfarbstoff Hämoglobin wird dabei mithilfe von Antikörpern nachgewiesen. Eine Reihe von Studien habe gezeigt, „dass der neue Test viel sensitiver ist als die bisherige Analyse. Dabei wird ein höherer Anteil von Darmkrebserkrankungen und -vorstufen erkannt“, sagt Hermann Brenner.

Darüber hinaus könne der immunologische Test verlässlich zwischen menschlichen und tierischen Blut-Quellen unterscheiden. „Beim alten Test konnte es auch dann zu positiven Ergebnissen kommen, wenn die Patienten zuvor ein blutiges Steak gegessen hatten“, erklärt Brenner. Ein weiterer Vorteil sei die Anwenderfreundlichkeit: „Bei den neuen Tests reicht es aus, eine Probe aus einem Stuhlgang zu entnehmen. Zuvor waren es drei aus drei aufeinanderfolgenden Stuhlgängen.“

Wie läuft der Test ab?

Die mit einem Stick entnommene Probe wird in ein Röhrchen gegeben und dann in ein zertifiziertes Labor geschickt. Bei einem positiven Befund sollte eine Darmspiegelung zur Abklärung der Ursachen folgen. Ein Blutnachweis bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Darmkrebserkrankung vorliegt. Blut im Stuhl kann auch andere Ursachen haben, eine Entzündung zum Beispiel.

Was ergab die DKFZ-Studie?

„Bisher war unklar, ob und in welchem Umfang es Unterschiede zwischen den auf dem Markt erhältlichen immunologischen Tests gibt“, sagt Hermann Brenner. Um Klarheit zu schaffen, verglichen die DKFZ-Wissenschaftler neun Produkte miteinander. Für fünf von ihnen ist eine Laboranalyse notwendig, vier können mit einem kleineren Gerät auch direkt in der Praxis ausgewertet werden, einer sogar mittels eines speziellen Computerprogramms fürs Smartphone.

Alle neun Tests entdeckten die große Mehrheit aller Erkrankungen und viele Vorstufen. Allerdings unterschieden sich die Herstellerangaben, ab welchem Schwellenwert ein Test als positiv galt. „Manche Werte waren zu niedrig, sodass die Tests zu oft falschen Alarm ausgelöst haben, andere Tests hatten eher zu hohe Schwellenwerte, sodass zu häufig etwas übersehen worden ist“, sagt Brenner. Passten die Forscher bei der Analyse die Werte an, lieferten alle Tests sehr ähnliche Ergebnisse.

In der Folge ließen sich anhand der Studie Empfehlungen für die Schwellenwerte ableiten. „Einige Hersteller haben bereits reagiert und ihre Werte angepasst. Längerfristig ist davon auszugehen, dass auch die anderen Hersteller nachziehen“, sagt Brenner.

Wie funktioniert der Test mit dem Smartphone?

Zu dem Test gehören eine Testkassette sowie ein Mini-Computerprogramm, eine sogenannte App. Ein Tropfen der verflüssigten Stuhlprobe wird auf die Kassette aufgetragen, auf deren Oberfläche kommt es zu einem Farbumlauf. Dieser kann mit der Smartphone-Kamera fotografiert und zur Analyse an die App geschickt werden. Nach der optischen Messung wird ein Ergebnis zurückgespielt. Brenner: „Der Test, der in unserer Studie von geschultem Personal durchgeführt wurde, hat ähnlich gut funktioniert wie die anderen Tests.“

Was könnte das Ergebnis für die Zukunft bedeuten?

„Gegenstand der Untersuchung war einzig und allein die Frage, inwieweit verschiedene auf dem Markt angebotene Tests zu vergleichbar guten Messergebnissen kommen“, erklärt Hermann Brenner. Das sei, bei entsprechender Anpassung der Schwellenwerte für alle Tests der Fall gewesen. Der Einsatz des Smartphone-Tests könnte theoretisch dazu führen, dass Stuhlproben künftig nicht mehr aufwendig und kostenintensiv hin- und hergeschickt werden müssten. Dies könnte, bei Sicherstellung der geeigneten Rahmenbedingungen, eine weitere Möglichkeit des effizienten Einsatzes digitaler Technologien in der Medizin darstellen.