Berlin. Wenn Angehörige von Pflegebedürftigen eine Auszeit brauchen, gibt es Geld vom Staat. Sie haben sogar auch rückwirkend ein Recht darauf.

Endlich mal ausspannen und Urlaub machen: Viele Menschen, die einen Angehörigen zu Hause pflegen, sind mit ihren Kräften am Ende und benötigen eine Auszeit. Wenige wissen: Zu ihrer Entlastung gibt es unter bestimmten Voraussetzungen Geld, und das jetzt sogar rückwirkend – bis zu 2496 Euro für die Jahre 2015 und 2016.

Die Pflegekassen gewähren diesen sogenannten Entlastungsbetrag allen Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 1. Rückwirkend für die beiden Vorjahre geht es um 104 Euro pro Monat, in dem ein Anspruch auf den Entlastungsbetrag bestand. Zum 1. Januar dieses Jahres hat der Gesetzgeber den Betrag auf monatlich 125 Euro erhöht. Das Geld steht ausschließlich zur Verfügung, um Leistungen der stationären Kurzzeit-, Tages- oder Nachtpflege oder auch bestimmte Angebote eines ambulanten Pflegedienstes zu finanzieren.

Mittel werden „angespart“

Dass somit Pflegenden fast 2500 Euro rückwirkend bereitstehen, fällt selbst Fachleuten erst beim genauen Lesen des Anfang Januar in Kraft getretenen neuen Pflegegesetzes auf. Darin heißt es sinngemäß: Soweit Versicherte im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 Anspruchsvoraussetzungen erfüllt haben, sie den Anspruch aber nicht oder nicht vollständig genutzt haben, erhalten sie die Möglichkeit, diese Leistungsbeträge noch bis zum 31. Dezember 2018 abzurufen. Nicht abgerufene Mittel würden zudem nicht verfallen, sondern würden als angesparte Mittel gelten, die bis Ende 2017 eingesetzt werden können. Das Gesetz im Internet: https://tinyurl.com/zw7eoow und https://tinyurl.com/jkk87fu.

„Wir befürchten, dass einige Pflegekassen die Pflegebedürftigen über diese Gesetzesänderung nicht ausreichend informieren, da dies in der Vergangenheit leider auch nicht immer geklappt hat“, sagt Meret Lobenstein, Pflegeexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Sie rät Pflegebedürftigen, die Beträge, auf die sie in den Jahren 2015 und 2016 bereits Anspruch hatten, nicht verfallen zu lassen und zusätzlich zu den monatlich 125 Euro für die Zeit ab Januar 2017 zu nutzen. „Niemand muss dabei ein schlechtes Gewissen haben. Der Gesetzgeber stellt das Geld ja extra bereit, damit Pflegepersonen einmal Pause machen und neue Energie tanken können“, so Lobenstein.

Kostenerstattung für Pflegebedürftige

Beispiel: Ein pflegebedürftiger Mann mit Pflegegrad 3 geht im Juni dieses Jahres zur Kurzzeitpflege in ein Pflegeheim, da sein pflegender Angehöriger für zwei Wochen verreist. In den Jahren 2015 und 2016 hat er die Entlastungsleistung nie genutzt, obwohl er die ganze Zeit über Anspruch darauf gehabt hätte. Für die zwei Wochen im Pflegeheim stehen nun bereit: 2496 Euro rückwirkend für die beiden Vorjahre plus 750 Euro Entlastungsbetrag für die ersten sechs Monate dieses Jahres (sechs mal 125 Euro). Zusätzlich zahlt die Pflegekasse die Hälfte des Pflegegeldes, also 272,50 statt 545 Euro in Pflegegrad 3.

Der Pflegebedürftige erhält den Entlastungsbetrag in Form einer Kostenerstattung. Das bedeutet: Er muss der Pflegekasse die Belege über Kosten einreichen, für die er in Vorleistung getreten ist. Das Geld dient dazu, die Eigenanteile für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten, die das Heim in Rechnung stellt, ganz oder teilweise zu decken. Laut Gesetz sind die Pflegekassen verpflichtet, nicht abgerufene Beträge für die Jahre 2015 und 2016 auch noch in diesem oder dem nächsten Jahr auf Antrag bereitzustellen.

Pflegegrade 2 bis 5 von Erstattung ausgenommen

Auch wer bereits 2015 oder 2016 beispielsweise Leistungen der Kurzzeitpflege wahrgenommen hat, ohne den Entlastungsbetrag einzusetzen, kann sich auf die neue Regelung berufen. „Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass damals Anspruchsberechtigte eine Kostenerstattung nachträglich beantragen können“, erläutert Verbraucherschützerin Lobenstein.

Zusammen mit Belegen über die in den beiden Vorjahren getragenen Eigenbelastungen muss der Antrag bis Ende 2018 bei der Pflegekasse vorgelegt werden. Statt für eine Kurzzeitpflege können Pflegebedürftige den Entlastungsbetrag für eine stationäre Tages- oder Nachtpflege sowie für bestimmte Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes verwenden. Ausgenommen von einer Kostenerstattung sind laut gesetzlichen Bestimmungen in den Pflegegraden 2 bis 5 ambulante Angebote im Bereich der Selbstversorgung.

Weitere Unterstützung

Wichtig zu wissen ist: Diese Entlastungsbeträge gibt es zusätzlich zu dem Geld für die sogenannte Verhinderungspflege von bis zu 1612 Euro im Jahr. Diese Verhinderungspflege (oft „Ersatzpflege“ genannt) greift, wenn die eigentliche Pflegeperson vorübergehend ausfällt und eine andere Person (ausgenommen nahe Verwandte) oder ein ambulanter Pflegedienst einspringt.

Es kann sich dabei um Urlaubs- und Krankheitszeiten handeln, aber auch um einzelne Ausfallstunden, etwa wegen eines Arzt- oder Friseurbesuchs, eines Treffens mit Freunden oder eines Theaterabends. „Dieser Anspruch besteht neben dem Anspruch auf Kurzzeitpflege und den Entlastungsbetrag“, so Expertin Lobenstein. Eine rückwirkende Auszahlung des Verhinderungspflegegeldes für die Jahre 2015 und 2016 sei jedoch – anders als beim Entlastungsbetrag – nicht möglich.