Braunschweig. Die Wahlkreis-Karte in der Region Harz und Heide ist tiefrot. Die Union macht bei ihrer Analyse eine fehlende Nähe zu VW-Arbeitern aus.

Die SPD hat in unserer Region eine breite Brust: Vom „roten Klops“ spricht Außenminister Sigmar Gabriel stolz. Er führte einst den SPD-Bezirk Braunschweig. Während die SPD bei der Bundestagswahl fast überall den Bach runterging, verteidigten Gabriel und seine Mitstreiter die Wahlkreise in der Region. Nun, bei der Landtagswahl, setzte die SPD noch einen drauf: Sie gewann sämtliche elf Wahlkreise zwischen Harz und Heide. Detlef Tanke, SPD-Generalsekretär in Niedersachsen, sprach bereits von einer „Bastion“.

Die CDU hingegen steckt mitten in der Fehleranalyse. 2008 holte sie noch acht Wahlkreise in der Region direkt, fünf Jahre später waren es noch vier von elf. Nun das Desaster: Die SPD hat der CDU auch noch die weiteren vier Direktmandate abgejagt.

Erststimmenergebnis Karte Region 2008-2017

Viele in der CDU sind sich bereits einig: Das schlechte Ergebnis hat auch mit dem Wahlkampfthema VW zu tun. Vor allem habe eine Äußerung des Fraktions-Vize der CDU im Bundestag, Michael Fuchs, geschadet, sagte der Landtagsabgeordnete Frank Oesterhelweg. Letzterer ist CDU-Chef in der Region. Fuchs hatte im August gefordert, dass das Land Niedersachsen seine Beteiligung an VW aufgibt. „Herr Fuchs hat uns da einen Bärendienst erwiesen. Das hatte autistische Züge“, sagte Oesterhelweg scharf.

Auch der unterlegene CDU-Direktkandidat in Wolfsburg, Peter Kassel, kritisierte gegenüber der dpa Fuchs’ Aussagen: „Sowohl Frau Merkel als auch die Landes-CDU haben ihm widersprochen, aber trotzdem ist das bei den Leuten hängengeblieben.“

Ulf Thiele, Generalsekretär der CDU in Niedersachsen, erkennt eine fehlende Nähe zur VW-Belegschaft und zu den Gewerkschaften. Die IG Metall hat in der Region fast 140 000 Mitglieder, alleine in Wolfsburg sind es 90 000. „Wir müssen stärker auf die Arbeitnehmer und Gewerkschaften zugehen“, so Thiele.

Der Braunschweiger Politik-Professor Nils Bandelow stimmt der CDU in ihrer Analyse zu: „Der CDU fehlt es an Wirtschaftskompetenz, an Kompetenz, die vielen VW-Beschäftigten und Mitarbeiter in den Industrieunternehmen anzusprechen.“ Bandelow macht eine Schwäche der CDU in den Städten aus. Der Landwirt Oesterhelweg stehe für den ländlichen Raum. Bandelow legt der CDU einen personellen Neuaufbau nahe.

CDU-General Thiele verteidigt Oesterhelweg. „Er ist ein Freund des offenen Wortes. Alle fordern Typen – er ist einer.“

Oesterhelweg selbst räumt Fehler ein: „Es wäre taktisch besser gewesen, den netten, lieben Onkel zu geben. Das bin ich aber nicht.“ Er kündigte ein Gespräch am Freitag an, bei dem er sich auch über seine Zukunft äußern will.

Doch Oesterhelweg teilte erneut aus: gegen seine Partei, gegen Konkurrenten und unsere Zeitung. So wirft er seinem Parteifreund, Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink, mangelnde Unterstützung vor. Er kritisierte auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Kanzlerin Merkel. Beide hätten nicht gerade für Rückenwind gesorgt. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Wolfenbüttel hatte sich de Maizière offen für einen muslimischen Feiertag gezeigt. Merkel habe die Verluste bei der Bundestagswahl schöngeredet, so Oesterhelweg.

Polit-Neuling Dunja Kreiser (SPD) gewann gegen Oesterhelweg das Direktmandat im Wahlkreis Wolfenbüttel-Nord. Auch das nagt an ihm. Über seine Konkurrentin sagt er: „Sie hat ein nettes Auftreten. Aber wo sind ihre Themen für die Region? Da ist nix.“

Zugleich erneuerte Oesterhelweg seine Kritik an der vermeintlich ungünstigen Berichterstattung unserer Zeitung. „Sie machen nicht gerade eine Hofberichterstattung.“ Er sieht „Kampagnen“ gegen seine Person und beschwerte sich darüber, dass seine Pressemitteilungen zu oft unberücksichtigt geblieben seien.

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