Die Ablösung der Regierenden von der Macht ist ein Kernproblem der Regierungslehre wie der praktischen Politik“, schrieb Daniel Hofmann vor Jahren in den „Vierteljahresheften für Zeitgeschichte“. Die Zeiten ändern sich. Heute scheint die Herausforderung eher in der Annäherung der Gewählten an die Macht zu liegen.

Im Bund erklärte die SPD nach ihrem verheerenden Wahlergebnis, sie stehe für eine neuerliche Koalition nicht zur Verfügung. In Niedersachsen ist die FDP zu Gesprächen über eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen nicht bereit. Die Grünen mögen sich in Hannover nicht mit CDU und FDP beschäftigen – man könne doch keine Koalition der Wahlverlierer schließen.

Dies ist eine erstaunliche Emanzipation der Parteien vom Primärauftrag der Wähler: Die Bürger haben artikuliert, in welche Richtung sich unser Gemeinwesen entwickeln und wer es steuern sollte. Daraus ergibt sich die Pflicht aller politischen Kräfte, ergebnisoffen nach einer stabilen, produktiven Regierungsbasis zu suchen, auf der sie möglichst große Teile ihres Programms umsetzen können. Stattdessen errichten einige von ihnen Mauern, die die Regierungsbildung behindern.

Wenn sich CDU, FDP und Grüne oder SPD, Grüne und FDP oder SPD und CDU auf ein Programm einigen können und die Mehrheit der Parlamentssitze auf sich vereinigen, sollten sie Verantwortung übernehmen. Es ist ein Gebot der Seriosität und der Achtung vor den Wählern.

Vielleicht sind die betonierten Absagen nur so haltbar wie die Stadtmauern von Jericho; vielleicht hängt die Koalitionsfähigkeit am Posaunenspiel der Herren Weil und Althusmann. Nur hat Niedersachsen für Spielereien keine Zeit. Insofern geht die CDU mit gutem Beispiel voran. Sie zeigt Bereitschaft zur Großen Koalition, obwohl sie nicht ihr Herzenswunsch ist. Es ist ein Signal des Verantwortungsbewusstseins.