Braunschweig. Die Bayerin Bettina Gaebel ist eine von ihnen. Sie sagt: Ich will gehört werden.

Unser Leser, der sich Hans-Peter Dampf nennt, fragt auf unseren Facebookseiten:

Wer sind die drei zufällig ausgewählten Bürger im Nationalen Begleitgremium?

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Als Bettina Gaebel den Hörer abnahm, dachte sie zuerst, dass der Anrufer mit der unbekannten Nummer ihr etwas verkaufen will. Eine Versicherung etwa. Doch es handelte sich nicht um einen Werbeanruf – auch nicht um eine der vielen Umfragen. Stattdessen lautete die ungewöhnliche Frage des Anrufers: „Interessieren Sie sich eigentlich für die Endlagerung?“

Die selbständige Marketing- und Kommunikationsberaterin aus der Nähe von München hatte viel zu tun, blieb aber am Telefon. Sie ließ sich Unterlagen zuschicken, fuhr ein paar Wochen später zu einem Treffen nach München. Ein zweites folgte. Nun ist Gaebel als eine von drei ganz normalen Bürgern Mitglied im Nationalen Begleitgremium. Wenn Behörden damit beginnen, ein Endlager für hoch radioaktiven Atommüll zu suchen, soll der Rat dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit mitreden kann. Wie genau das geschehen soll, ist noch unklar. Gerade berät der Bundestag erst ein Gesetz, das festlegen soll, wie viel das Nationale Begleitgremium tatsächlich mitzureden hat.

„Es ist nicht unsere Aufgabe, Entscheidungen zu treffen, sondern ein Bindeglied zu den Bürgern zu schaffen. Wir wollen für Transparenz und Glaubwürdigkeit sorgen“, beschreibt Gaebel ihre Aufgabe. „Ich bin in der Kommunikation zu Hause und weiß, wie viel bei einem solch sensiblen Thema wie der Entsorgung von Atommüll falsch laufen kann“, sagt Gaebel am Telefon.

Fehler wie bei Schacht Konrad will man beim noch zu findenden Endlager tunlichst vermeiden. Schacht Konrad in Salzgitter ist das einzige genehmigte Endlager für Atommüll in Deutschland. Es soll in fünf Jahren in Betrieb gehen. Doch bis heute fehlt gerade in unserer Region die Akzeptanz dafür. Außerdem ist Schacht Konrad nicht für hoch radioaktive Abfälle geeignet. Deswegen die Suche nach einem weiteren Endlager. Lange galt Gorleben als Favorit. Nun gilt das Prinzip der „weißen Landkarte“, das auf der Suche nach einem Entsorgungskonsens beschworen worden ist.

„Ich habe noch eine Art jungfräulichen Blick auf die Dinge. Das kann nicht schaden.“
„Ich habe noch eine Art jungfräulichen Blick auf die Dinge. Das kann nicht schaden.“ © Bettina Gaebel sitzt im Nationalen Begleitgremium zur Endlagersuche

Sechs der neun Mitglieder im Nationalen Begleitgremium sind Fachleute, darunter Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und mehrere Professoren. Sie wurden von Bundestag und Bundesrat bestimmt. Gaebel ist wie die beiden anderen normalen Bürger mithilfe des Zufalls ausgewählt worden: 69 000 Menschen hat die Uni Bamberg im Auftrag des Bundesumweltministeriums angerufen und gefragt, ob sie Lust an der Arbeit im Gremium hätten. Ganze 123 Bürger davon fuhren zu den Regionaltreffen, am Ende wurde gewählt.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ernannte neben Gaebel auch Hendrik Lamprecht und Jorina Suckow. Lamprecht aus Pforzheim ist Professor, Suckow studiert Jura in Hamburg.

Gaebel nennt eine Mischung aus Neugier und Bürgerpflicht als Motivation. „Ich halte das Standortauswahlverfahren für sehr sinnvoll.“ Als Bürger habe man oft nur über die Wahlurne die Möglichkeit, Dinge zu beeinflussen. „Ich will aber gehört werden“, meint Gaebel. Dass das auch viel Arbeit mit sich bringt, nimmt sie in Kauf. Neben den monatlichen Treffen des Nationalen Begleitgremiums ist Gaebel dabei, sich Wissen über Kernenergie und die Entsorgung des Atommülls anzueignen. „Ich habe noch eine Art jungfräulichen Blick auf die Dinge. Das kann nicht schaden.“

Doch die Aufgabe ist sensibel: Es wird ein Standort gesucht für Müll, den keiner haben möchte. Ex-Minister Töpfer sagte im Dezember, als die Mitglieder zum ersten Mal in Berlin zusammenkamen: „Das Nationale Begleitgremium ist ein absolutes Novum, die Aufgabe der Mitglieder in hohem Maße verantwortungsvoll.“

Bundesumweltministerin Hendricks ließ per Mitteilung ausrichten: „Dank des neu eingerichteten Gremiums wird die Suche nach einem Endlagerstandort fortan von einer unabhängigen und vermittelnden Instanz begleitet.“

Das Gremium wurde auf Initiative der Endlager-Kommission ins Leben gerufen. Diese schlug das Nationale Begleitgremium in ihrem Abschlussbericht vor. Damit das Begleitgremium nicht zu einem reinen Debattierclub wird, hat es umfassende Informationsmöglichkeiten und soll sich im Bedarfsfall kritisch äußern. Es kann sämtliche Akten und Unterlagen des Bundesamtes für Kerntechnische Entsorgungssicherheit und der Bundesgesellschaft für Endlagerung einsehen. Damit es Fachfragen besser beurteilen kann, wird sich das Begleitgremium auch den Rat von Experten und Gutachtern einholen dürfen.

Dass sogenannte Zufalls-Bürger in das Gremium aufgenommen worden sind, und nicht Vertreter der Anti-Atombewegung, hat vor allem Aktivisten in Gorleben erzürnt. Aus Behördenkreisen hieß es dazu am Montag schlicht: „Sie hätten sich ja für einen der sechs Experten-Posten im Gremium bewerben können.“