Salzgitter. Unter anderem mit einer geänderten Behördenstruktur soll beim Ausbau alles besser laufen.

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Unser Leser Eckart Sander aus Salzgitter sagt:

Zu Schacht Konrad gibt es keine Alternative, darum wurde der Schacht 2002 als sicher erklärt, die Transportwege sind somit auch sicher. Der Dreck muss weg.

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

In eine ohnehin schon angespannte Situation platzte im Oktober eine Nachricht, die in der Region wieder mal alle Warnlampen angehen ließ.

„Die Umstrukturierung soll die Inbetriebnahme von Schacht Konrad beschleunigen.“
„Die Umstrukturierung soll die Inbetriebnahme von Schacht Konrad beschleunigen.“ © Ursula Schönberger, AG Schacht Konrad

„Die zusätzliche Einlagerung von 300 000 Kubikmeter strahlendem Müll ist noch lange nicht vom Tisch und nun soll entgegen allen Beteuerungen doch ein Eingangslager kommen“, schimpfte Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) im Gleichklang mit AG Schacht Konrad und IG Metall.

„Die Lügen gehen weiter und die ganze Wahrheit kommt nur langsam Stück für Stück auf den Tisch“, erklärt Wolfgang Räschke, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Salzgitter-Peine. Gegen eine solche Salamitaktik helfe nur, das Atommülllager Schacht Konrad ganz zu verhindern. Bekannt geworden war, dass ein Gesetzentwurf des Bundes als Möglichkeit ein neues „zentrales Eingangslager“ für schwach- und mittelaktiven Atommüll vorsieht, der in „Konrad“ eingelagert werden soll.

„Die Genehmigung für Konrad schreibt mit gutem Grund vor, dass die radioaktiven Abfälle von den Atomanlagen im ganzen Bundesgebiet Just-in-time angeliefert und direkt eingelagert werden sollen“, erklärte Ludwig Wasmus von der AG Schacht Konrad. Damit solle eine zusätzliche gesundheitliche Belastung der Bevölkerung vermieden werden. Und nun ein großes Eingangslager?

Um das Misstrauen zu verstehen, genügt eine kurze Rückblende. Die Position unseres Lesers Eckart Sander teilt, amtsgemäß weniger hemdsärmelig formuliert, auch der Bund. Genehmigt wurde „Konrad“ 2002 unter einem SPD-Landesumweltminister, dem Atomkraftgegner Wolfgang Jüttner. Diese Genehmigungsbehörde führt derzeit ein Grüner, Landesumweltminister Stefan Wenzel. Wenzel hat zwar zugesichert, dass das Land ein kritisches Auge auf „Konrad“ haben werde. Doch Klagen gegen das Endlager waren gescheitert. So schaut das Land vor allem, ob die Bestimmungen im Planfeststellungsbeschluss sauber abgearbeitet werden. Der Spielraum dabei scheint weder juristisch noch politisch groß.

Wie stark der Bund auf „Konrad“ setzt, wurde beim Stichwort „Nationales Entsorgungsprogramm“ deutlich. Darin muss der Bund auflisten, wie er sich den weiteren Umgang mit dem Atommüll vorstellt. Für „Konrad“ sahen die Überlegungen eine Verdoppelung des Einlagerungsvolumens als eine Variante vor – also jene zusätzlichen 300 000 Kubikmeter, von denen Oberbürgermeister Klingebiel in seiner aktuellen Erklärung spricht.

Besondere Pointe der Geschichte: Mit der Genehmigung 2002 war das beantragte Einlagerungsvolumen halbiert worden – aufgrund von geänderten Mengenprognosen. Mehr als ein Jahrzehnt später mussten Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth und seine Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nach Salzgitter kommen, um angesichts der „Entsorgungsprogramm“-Planspiele die Wogen zu glätten.

Vor diesem Hintergrund ist auch die geharnischte Reaktion auf die Eingangslager-Planspiele zu sehen. Doch diesmal scheint der Fall etwas anders zu liegen. Während die Region von den Überlegungen zur größeren Auslegung „Konrads“ kalt erwischt wurde, scheint die Gefahr eines Eingangslagers sozusagen vor der Haustür zumindest derzeit sehr gering. Offenbar hatte die Industrie dies vor Jahren ins Spiel gebracht, war aber abgeblitzt. Die aktuelle Debatte rührt wohl eher daher, dass der Gesetzentwurf Spekulationen zulässt.

Neue Strukturen, alte Probleme

Beim Bundesamt für Strahlenschutz heißt es jedoch, das planfestgestellte „Konrad“-Konzept solle nicht verändert werden. Das gilt auch für das Anliefern. Mit einem Eingangslager an anderer Stelle, so die Idee, könnten die Transporte zum Endlager „Konrad“ aber besser vorbereitet und abgewickelt werden.

In der Erklärung des Bundesamtes heißt es denn auch, ein „Rückstau von Abfallbehältern vor der Anlage“ könne „noch besser“ vermieden werden, die Gesamtbetriebszeit des Endlagers vielleicht durch „Vermeidung von Stillstandzeiten“ verkürzt werden. Landesumweltminister Wenzel hatte im Landtag die Klarstellung des Bundesamtes begrüßt. Wenzel sprach von einem „anderen Standort“, an dem die Bundesregierung „im Rahmen der Lastenteilung“ eine solche Anlage errichten könnte. „Lastenteilung“ aber würde ein anderes Bundesland als Niedersachsen nahelegen.

Das Projekt „Eingangslager“ wiederum ist nur ein Punkt von umfangreichen Umorganisationen, die der Bund unter „mehr Effizienz, klarere Strukturen“ verbucht. Der Betrieb der Atomlager wird in einer neuen Bundesgesellschaft für Endlagerung BGE zusammengefasst, deren Sitz Peine ist. Für seine Betreiberaufgaben, etwa bei „Konrad“ und der Asse, bedient sich das Bundesamt für Strahlenschutz bislang sogenannter „Verwaltungshelfer“ – im Fall Konrad der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern DBE mit Sitz Peine, in der Asse der Asse-GmbH in Remlingen. Im Fall Konrad brachte das immer wieder starke Reibungen zwischen Bundesamt und DBE. Teile des Bundesamtes für Strahlenschutz sowie die Asse-GmbH, in einem zweiten Schritt dann auch die DBE sollen sich in der neuen Gesellschaft zusammenschließen. Die DBE ist mehrheitlich noch im Besitz der Energieversorger. Alleiniger Gesellschafter der neuen BGE muss aber der Bund sein. „Die EVUs (Energieversorger) hatten die Finger immer mit im Spiel“, sagt Landesumweltminister Wenzel zur „alten“ DBE. Von „unzureichend ausgestatteten“ Steuerungsmöglichkeiten sprach BfS-Präsident Wolfram König in einer Anhörung. Die neue Bundesgesellschaft soll die Planung, Errichtung, Betrieb und Stilllegung von Endlagern aus einem Guss leiten.

Ein neues „Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit“ (BfE) soll als „zentrale Aufsichts-, Genehmigungs- und Regulierungsbehörde“ fungieren. Darunter fallen auch die Genehmigung von Zwischenlagern von Atommüll und Transporten, bisher ebenfalls beim BfS angesiedelt. Das Bundesamt selbst bleibt vor allem für den Strahlenschutz zuständig, vom nuklearen Notfallschutz bis zum Strahlenrisiko von Fernflügen.

Konrad-Gegner unzufrieden

König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz und auch des neugegründeten BfE, der die Veränderung selber maßgeblich vorangebracht hatte, ist sicher: „So wie bisher konnte es nicht weitergehen.“ Von einer „eindeutigen Zuordnung von Zuständigkeiten“ ist auch in einer früheren Erklärung des Bundesumweltministeriums zur neuen Behördenstruktur die Rede.

„Konrad“-Gegner wie Ursula Schönberger sehen die Änderungen nicht als Gewinn. „Die Umstrukturierung im Endlagerbereich soll Reibungsverluste in der Zusammenarbeit mit der DBE beenden und so die Inbetriebnahme von Schacht Konrad beschleunigen. Ein Mehr an Sicherheit bringt das nicht“, sagt die frühere Bundestagsabgeordnete. Da Betreiberaufgaben von einer Behörde, dem BfS, auf eine privatwirtschaftlich geführte GmbH verlagert würden, würden Transparenz und staatliche Einflussnahme im Gegenteil abgebaut. Von einer „Umverteilung der Machtverhältnisse“ spricht die AG Schacht Konrad. Sie sieht das BfE als „Superbehörde“, die direkt der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesumweltministeriums unterstellt sei. „Wichtige Kontrollinstanzen“ wie etwa der Bundesländer könnten ausgeschaltet werden, heißt es dort.

„Wir haben deutlich gemacht, dass der Bund nachweisen muss, dass der aktuelle Stand von Wissenschaft und Technik sichergestellt ist“, sagt Wenzel. Laut Atomgesetz bleibt bis zur „Erteilung der Zustimmung zur Inbetriebnahme“ zwar das Land zuständig. Danach aber wird das BfE „zuständige Planfeststellungsbehörde“ – also der Bund. Dass die Perspektiven, „Konrad“ doch zu verhindern, derzeit nicht gut sind, wissen gerade die Gegner. Im April 2002 hatte SPD-Minister Jüttner an das Bündnis Salzgitter gegen Konrad geschrieben, die „Konrad“-Sicherheitsberechnungen seien „realitätsnah“ und „im internationalen Vergleich überprüft worden“. Diese Haltung, ob mit bedauerndem Unterton oder nicht, gilt im Grunde heute noch. Bundesumweltministerin Hendricks hat versichert, alle Beschäftigten des BfS am Standort Salzgitter, beim Endlagerbetreiber DBE in Peine sowie bei der Asse GmbH in Remlingen könnten in der Region bleiben. Das, sagt Wenzel, sei aber letztlich Sache des Bundes.