Braunschweig. Der Bericht der Endlager-Kommission sieht eine Tiefenlagerung vor. Das schließt Salzstöcke wie Gorleben ein.

Unser Leser Volkmar Minde aus Braunschweig fragt:

Welche Erkenntnisse haben dazu geführt, dass Salz für ein Endlager als nicht mehr geeignet angesehen wird?

Wohin mit dem Atommüll

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Die Endlagerkommission des Bundes hat gestern Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ihren Abschlussbericht vorgelegt. Darin schlägt die Kommission Kriterien für die Auswahl des Standorts für ein Endlager für hoch radioaktiven Abfall vor. Einen konkreten Standort zu empfehlen, war nicht Aufgabe der Kommission. Stattdessen galt das Prinzip der „weißen Landkarte“ als Leitbild. Das stößt bei vielen Umweltinitiativen auf Ablehnung, die den Ausschluss von Gorleben fordern.

In ihrem mehr als 600 Seiten umfassenden Bericht empfiehlt die mit Experten aus Wissenschaft und Gesellschaft sowie Politikern aus Bund und Ländern besetzte Kommission die „Verbringung in ein Endlagerbergwerk in einer tiefen geologischen Formation“. Dabei solle die Einlagerung so gestaltet werden, dass das laufende Verfahren an neue Erkenntnisse angepasst und mögliche Fehler korrigiert werden können. Entscheidungen sollen „reversibel“, der Müll für mindestens 500 Jahre aus dem verschlossenen Lager bergbar sein. Der Standort soll „für einen Zeitraum von einer Million Jahren die nach heutigem Wissensstand bestmögliche Sicherheit“ bieten.

Dafür soll das zukünftige Endlager nach Empfehlung der Kommission mindestens 300 Meter unter der Oberfläche liegen. Als Wirtsgestein wird keine Option ausgeschlossen. Möglich wären demnach Salz-, Ton- und Kristallingestein (Granit). Geeignete Salz- und Tonformationen gibt es vor allem in Norddeutschland, aber auch in Baden-Württemberg. Granit findet sich vor allem in Bayern und Sachsen.

Über Jahrzehnte war Steinsalz die bevorzugte Option für das Wirtsgestein eines Endlagers für Atommüll. Das Forschungsendlager Asse, das Lager Gorleben und auch das DDR-Endlager Morsleben bei Helmstedt – all diese Anlagen wurden in alten Salzstollen eingerichtet.

Dafür gab es gute Gründe: Deutschland hat seit mehr als 100 Jahren Erfahrung mit dem Salzbergbau, Steinsalz ist kaum durchlässig für Gase und Flüssigkeiten und hat eine deutlich höhere Wärmeleitfähigkeit als andere Wirtsgesteine, was bei wärme-entwickelndem Atommüll nützlich ist. Außerdem gelten Steinsalzformationen als geologisch stabil.

Vor allem aber führen die „viskoplastischen Eigenschaften“ von Salz, wie es die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) 2007 in seiner Bewertung geeigneter Wirtsgesteine schreibt, dazu, dass Hohlräume und Risse im Gebirge sich von selbst schließen.

Dennoch ist die Endlagerung in Salz heftig umstritten, wie unser Leser anmerkt. Das dürfte vor allem an der tatsächlichen Umsetzung bisheriger Endlagerprojekte liegen. Die DDR hat in Morsleben Atommüll unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne rechtliche Grundlage eingelagert. Kritiker von der Stasi traktiert.

Gorleben wiederum stand immer unter dem Verdacht, vor allem wegen seiner Nähe zur DDR-Grenze ausgewählt worden zu sein. Politische Entscheidungen wurden in intransparenten Prozessen getroffen. Und über die Fehler und Probleme bei der Schachtanlage Asse hat allein schon unsere Zeitung ganze Artikelserien veröffentlicht.

All das erklärt die Ablehnung gegenüber Salz als Wirtsgestein. Bei der Asse und in Gorleben werden auch geologische Argumente gegen die Eignung angeführt. Aus wissenschaftlicher Sicht ist Salz aber keinesfalls generell aus dem Spiel, wie unser Leser andeutet. Im Gegenteil: Steinsalz gilt aufgrund seiner Eigenschaften als besonders geeignet, besser als Granit. Die BGR zweifelte in ihrem Gutachten von 2007 daran, dass es in Deutschland überhaupt für ein Endlager geeignete Granitformation gibt.

Professor Klaus-Jürgen Röhlig vom Institut für Endlagerforschung der TU Clausthal kritisiert daher, dass bei einer Lagerung in Kristallingestein den technischen Barrieren wie speziellen Behältern und künstlicher Ummantelung größere Bedeutung zukämen. Deren Haltbarkeit sei schwer vorherzusagen, anders als die von geologischen Barrieren: „Für Geologen ist eine Million Jahre ein recht kurzer Zeitraum, über den sich geologische Entwicklungen durchaus gut prognostizieren lassen.“

Professor Horst Geckeis, Leiter des Institutes für Nukleare Entsorgung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) kritisiert, dass die starren Kriterien des Kommissionsberichts die unterschiedlichen Eigenschaften der Gesteine ignorieren: „Zum Beispiel lässt die Empfehlung der Kommission, die Temperatur in einem Endlager auf 100 Grad Celsius zu begrenzen, die nachweislich positive Wirkung höherer Temperaturen auf den Verschluss von Einlagerungsbereichen in einem Endlager im Steinsalz außer Acht.“ Eine Stärke von Salz wird damit also ausgeklammert.

Dem Bericht der Kommission ist zu entnehmen, dass das Temperaturkriterium auf Druck des niedersächsischen Umweltministers Stefan Wenzel aufgenommen wurde. Das stieß innerhalb der Kommission auf Kritik. So spricht Professor Wolfram Kudla von der Bergakademie Freiberg im Bericht von einer „rein politischen Festlegung“ und weiter: „von keinem einzigen der acht Wissenschaftler in der Endlager-Kommission wurde eine einheitliche Grenztemperatur von 100 Grad Celsius für alle drei Wirtsgesteine gefordert.“

KRITERIEN FÜR DIE STANDORTAUSWAHL

Geowissenschaftliche Ausschlusskriterien machen einen Standort gänzlich ungeeignet. Dazu zählen unter anderem geologische Störungszonen, Vulkanismus und seismische Aktivität sowie bestimmte Schädigungen des Gebirges durch den Bergbau.

Geowissenschaftliche Mindestanforderungen beziehen sich auf Kriterien wie die Durchlässigkeit des Gebirges, die Mächtigkeit des Gesteins, in dem der Müll eingelagert wird (mindestens 100 Meter), die Tiefe (mind. 300 Meter) und die geologischen Prognosen für eine Million Jahre.

Geowissenschaftliche Abwägungskriterien schließen Standorte nicht aus, sondern sollen sie untereinander vergleichbar machen. Je nach Abschneiden bei den verschiedenen Kriterien soll so eine Rangfolge von Standorten erstellt werden. Die Kriterien beziehen sich auf die Güte des Einschlussvermögens (z. B. Grundwassertransport, Robustheit des Wirtsgesteins), die Absicherung des Einschlussvermögens (z. B. Gebirgsmechanik, Entstehung und Verschluss für Wegsamkeiten für Wasser) und weitere Aspekte wie Temperaturverträglichkeit und chemische Verhältnisse.

Planungswissenschaftliche Abwägungskriterien sind den geowissenschaftlichen Kriterien hinten angestellt. Zu ihnen zählen etwa der Abstand zu Wohn-, Natur- oder Wasserschutzgebieten, zu Kulturgütern oder konkurrierender industrieller Infrastruktur. jok