Jerusalem. In Israel brummt das Geschäft mit Drohnen-Lieferungen. Auch Corona-Material kommt per Luftpost. Hierzulande scheitern schon Versuche.

Sushi und Dosenbier, per Drohne direkt an den Strand geliefert: Was wie eine Zukunftsvision klingt, wird in Israel schon praktiziert. In einer groß angelegten Testserie namens „Israelische Drohneninitative“ (Indi) rollt der Mittelmeerstaat die Transportlogistik der Zukunft aus. Ende nächsten Jahres soll die Testphase abgeschlossen werden. Dann könnten bereits mehrere kommerzielle Drohnenairlines an den Start gehen – und ein Problem lösen, das in der Corona-Pandemie immer drängender wird.

Denn lange Staus gehören in Israel zum Alltag. Das Straßennetz ist seit Jahren stark überlastet. Stundenlange Verzögerungen werden vor allem bei Wochenendausflügen einkalkuliert. Allein seit Beginn der Pandemie ist die Belastung der Straßen um 27 Prozent angestiegen. Unter anderem liegt das daran, dass viele Israelis jenen Teil des Haushaltsbudgets, der in normalen Jahren in den Familienurlaub fließt, nun in einen zweiten Wagen investiert haben.

Drohnen sind vor allem bei medizinischen Notfällen nützlich

Vor allem bei medizinischen Notfällen wird die Verkehrsüberlastung zu einem ernsten Problem. Rettungswagen oder eilige Transporte von Medikamenten oder Blutkonserven kommen immer schlechter durch die verstopften Straßen. Daher gehört der Gesundheitsbereich neben der Sicherheitsbranche zu den ersten Sektoren, die in Israel auf Drohnenlieferungen setzen.

Allein in der ersten Pandemiewelle Anfang 2020 wurden rund 700 Pakete mittels unbemannter Fluggeräte zugestellt, sagt Libby Bahat, der Leiter der Abteilung für Fluginfrastruktur in der israelischen Luftfahrtbehörde. Krankenhäuser konnten auf diese Weise Engpässe bei Covid-19-Testkits, Plasmaspenden oder beim Mund-Nasen-Schutz unkompliziert abfedern.

Corona: Drohnen bringen Material im Kampf gegen Covid-19

Der Transport per Drohne hat sich inzwischen so sehr bewährt, dass alle israelischen Krankenhäuser Drohnenflugplätze auf ihren Arealen einplanen oder diese bereits integriert haben, sagt Banat. Damit etabliert sich in Israel zunehmend ein Geschäftsmodell, das sich in Deutschland nach einem Feldversuch nicht durchsetzen konnte. Die Deutsche Post DHL hatte ihr Projekt „Paketkopter“ im Sommer eingestellt. Zu teuer und zu aufwendig sei es, Lieferungen längerfristig per Drohne durchzuführen, erklärte der Konzern.

Am Mittelmeer könnte der Drohneneinsatz dagegen in Zukunft stark ausgeweitet werden: Naheliegende Anwendungen seien etwa dringend benötigte Insulinabgaben für Diabetespatienten oder Blutspenden, sagt Bahat. Im Wüstenstaat Israel könnte auch eine Gegengiftlieferung bei Schlangenbissen aus der Luft lebensrettend sein.

Auch Amazon schmiedet fleißig Drohnen-Pläne

Israel ist nicht das einzige Land, das an einer zivilen Drohneninfrastruktur arbeitet. Während anderswo große private Unternehmen wie etwa der Lieferkonzern Amazon oft noch eigene Pläne schmieden, arbeiten die Anbieter in Israel verschränkt. Es gibt bereits mehrere Serviceprovider für Drohnenbetreiber, sodass private Drohnentransportunternehmen sich künftig den jeweils günstigsten oder zuverlässigsten Anbieter aussuchen können.

Alle Drohnenbetreiber müssen sich den Vorgaben einer zentralen Drohnenluftfahrtbehörde unterwerfen, die sich in Israel aus Sicherheitsgründen eng mit der Luftwaffe abstimmt. Eines der teilnehmenden Unternehmen ist das Software-Start-up High Lander, das schon heute in mehreren Ländern private Flugsicherungsdienste für gängige Drohnentypen anbietet – vor allem für Sicherheits- und Medizinunternehmen.

Schon bald könnten auch private Zustellungen im größeren Stil möglich sein, meint Alon Abelson, der Gründer von High Lander. Um dafür den nötigen Rahmen zu schaffen, führt Israel derzeit die dritte Etappe der achtstufigen Testserie durch. Bisher wurden über 9000 Drohnen durch den Himmel geschickt, „zuerst über ländliche Gebiete – und sobald wir uns sicher waren, was wir tun, auch über größere Städte“, sagt Bahat.

Die maximale Flughöhe der Transportdrohnen liegt bei 100 Metern, das Gewicht der gelieferten Pakete liegt zurzeit im Schnitt bei fünf Kilogramm. Zwar schaffen die meisten Drohnentypen rund 25 Kilo Nutzlast, allerdings ist dabei das Gewicht der Drohne einberechnet. „Wir schicken Drohnen zurzeit aber aus Sicherheitsgründen noch mit Fallschirm in die Luft – und das drückt aufs Gewicht“, sagt Bahat.

Drohnen-Projekt in Israel: Auch die Autobahnbehörde macht mit

Teil dieses Projekts in öffentlich-privater Partnerschaft sind neben der Luftfahrtbehörde auch die Autobahngesellschaft Ayalon und die israelische Innovationsbehörde. Die Erkenntnisse aus den Testphasen fließen in die Arbeit des Verkehrsministeriums ein, das schon jetzt den gesetzlichen Rahmen für die künftige Drohnenluftfahrt schafft.

Da Israel in ständiger Kriegs- und Terrorgefahr schwebt, hat das Land viel Erfahrung mit der militärischen Nutzung und Kontrolle von unbemannten Fluggeräten gesammelt. Diese Expertise kommt dem Land nun auch in der Transportlogistik zugute. In der Luftfahrtbehörde werden die Drohnen vor allem wegen der geringeren Emissionen, aber auch wegen der im Vergleich zur bemannten Luftfahrt geringeren Unfallwahrscheinlichkeit als Wachstumsmarkt gesehen.

Start-up-Unternehmer Abelson, der sein Drohnenprojekt nach mehreren Jahren Mitarbeit in der israelischen Flugsicherung gegründet hat, denkt aber schon weit über die Landesgrenzen hinaus: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in zehn Jahren auch transatlantische Drohnenlieferungen sehen werden.“