Berlin. Florian von der Mülbe gibt im Namen von Curevac ehrgeizige Ziele für das laufende Jahr vor. Er beklagt jedoch Wettbewerbsnachteile.

  • Das deutsche Unternehmen Curevac will bald einen eigenen Corona-Impfstoff auf den Markt bringen
  • Das Vakzin wäre nach dem Impfstoff von Biontech das zweite Präparat gegen Coronaviren, das zumindest teilweise in Deutschland entwickelt wurde
  • Im Interview mit unserer Redaktion verspricht Curevac-Gründer Florian von der Mülbe 300 Millionen Dosen

Curevac ist das zweite deutsche Unternehmen, das einen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt und herstellt. Es verfügt über die wohl größte Erfahrung mit mRNA-basierten Wirkstoffen: mit der neuartigen Technologie, um eine körpereigene Immunantwort zu erzeugen.

Die Tübinger haben ein halbes Jahr Rückstand auf Biontech und wollen den Impfstoff im zweiten Quartal auf den Markt bringen. Der Fokus liegt auf dem europäischen Markt, wie Mitbegründer Florian von der Mülbe im Interview mit unserer Redaktion erläutert.

Herr von der Mülbe, Astrazeneca hat ein Akzeptanzproblem, Biontech kann den Bedarf an Impfstoffen gegen Covid-19 nicht allein decken. Wann springt Curevac in die Bresche?

Florian von der Mülbe: Unser Impfstoffkandidat CVnCoV befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium der zulassungsrelevanten klinischen Studie. Wir hoffen auf baldige Zwischenergebnisse, die dann im zweiten Quartal dieses Jahres eine Notfallzulassung ermöglichen. Jetzt kommt es darauf an, wie sich die Infektionsraten unter den mehr als 35.000 Probanden entwickeln.

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    Könnte die Zunahme impfresistenter Virusmutanten dazu führen, dass das Vakzin von Curevac eine schlechtere Wirksamkeit hat?

    Von der Mülbe: Ich bin kein Kliniker. Wir werden einen Eindruck davon bekommen, wie unser Wirkstoff bei Mutationen wirkt. Das ändert jedoch nichts an unseren Plänen.

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      Warten Sie mit der Produktion, bis eine Zulassung vorliegt?

      Von der Mülbe: Wir produzieren bereits, verteilt wird der Impfstoff natürlich erst nach der Zulassung. Dabei beschränken wir uns zunächst auf Europa. Wir produzieren unter anderem an unserem Standort in Tübingen. Aber um unsere Produktionskapazitäten zu erhöhen, setzen wir zur Impfstoffherstellung auf unser Produktionsnetzwerk mit erfahrenen Partnern.

      Wie viele Dosen können Sie liefern?

      Von der Mülbe: Wir wollen in diesem Jahr bis zu 300 Millionen Dosen produzieren. Wobei jede Person zwei Mal geimpft wird.

      Es heißt immer, der Impfstoff von Curevac sei stabiler. Wie groß ist der Vorteil beim Vertrieb?

      Von der Mülbe: Beim Vertrieb haben wir auf „der letzten Meile“ bis zur Injektion einen Vorteil, weil für den Transport, die Lagerung und die Verteilung Kühlschranktemperatur genügt. Das ist ein Unterschied zu den anderen mRNA-Impfstoffen. Das ermöglicht uns, auch in Regionen zu liefern, die nur eingeschränkte Möglichkeiten für eine Tiefkühlung haben.

      Haben Sie Probleme bei der Beschaffung von Grundstoffen?

      Von der Mülbe: Die Lieferung von Grundstoffen ist tatsächlich eine Herausforderung, denn die globalen Lieferketten sind gestört. Eine Erschwernis ist der US Defense Act. Ob Chemikalien, Gerätschaften, Filter oder Schläuche: Die US-Hersteller sind verpflichtet, zuerst den amerikanischen Bedarf zu decken, dadurch rutschen wir auf der Liste nach hinten. Das ist etwas, was ich so noch nicht erlebt habe.

      Heißt das: Wer einen US-Partner hat – so wie Biontech – ist strategisch im Vorteil?

      Von der Mülbe: Bei der Beschaffung aus den USA erleichtert es das durchaus.

      Wohingegen Sie den Fokus auf Europa legen.

      Von der Mülbe: Ja, unser Fokus liegt klar auf Europa. Da der Bedarf gestiegen ist, versuchen viele Hersteller, die Grundmaterialien auch wieder in Europa zu produzieren.

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        Wie läuft der Vertrieb?

        Von der Mülbe: Der Aufbau der Lieferkette ist für uns kein Problem. Mit Bayer haben wir einen sehr erfahrenen Partner an unserer Seite, der uns unter anderem bei der Distribution unterstützt. Wir haben unsere Verträge mit der EU. Das heißt: Wir liefern an die EU, und von dort wird der Impfstoff nach einem entsprechenden Schlüssel verteilt.

        Ein Alleinstellungsmerkmal von Curevac ist der Printer, ein Impfstoffdrucker. Wie viele haben Sie davon?

        Von der Mülbe: Wir hatten einen Prototyp im Labor und etablieren jetzt weitere Printer für die Arzneimittelproduktion. In Zusammenarbeit mit unserem Partner Tesla Automation können wir auch schnell weitere Printer bauen.

        Der Impfstoffdrucker ist sicher nicht für die Massenproduktion gedacht. Welche Idee steckt dahinter?

        Von der Mülbe: Wir produzieren aktuell in größeren Maßstäben. Der Printer ist eine kleine, mobile und somit flexible Einheit. Es ist ein Produktionsprozess im kleinen Maßstab, dezentral und automatisiert. Die Absicht ist, so eine Minifabrik überall dort einzusetzen, wo sie gebraucht wird, um zum Beispiel auf einen lokalen Ausbruch oder eine Virusmutation reagieren zu können und irgendwann vielleicht sogar direkt im Krankenhaus den benötigten Wirkstoff zu produzieren. Diese schnelle Produktion wäre die erste Reaktion auf einen lokalen Ausbruch. Wenn die Ausbreitung pandemisch wird, kommt die Großproduktion ins Spiel.

        Werden Sie ihn verkaufen oder vermieten?

        Von der Mülbe: Da sind wir noch nicht festgelegt. Die Optionen werden wir gemeinsam mit den Partnern und Kunden erörtern. Was die Bedienung betrifft: Es wird am Anfang ein Curevac-Team vor Ort sein. Wir werden die Grundmaterialien bereitstellen, sodass man es relativ leicht haben wird, vor Ort die Produktion anzugehen. Der Printer ist IT-gestützt, sodass er aus der Ferne gesteuert oder gewartet werden kann. Darüber hinaus besitzt die Curevac AG umfangreiche Expertise beim Design von mRNA-basierten Wirkstoffen und kann hier unterstützen.

        Auf Biontech wurde eine Cyberattacke verübt, Impfgegner demonstrierten vor der Tür. Was macht Curevac für Erfahrungen?

        Von der Mülbe: Wir haben unser Sicherheitssystem maximal hochgefahren. Was die Impfgegner betrifft: Ich kenne diese aus Anfragen und nehme sie in den sozialen Medien wahr. Aber die Unterstützung überwiegt – von der Gesellschaft, von der Politik, von den Partnern. Da ist eine große Energie zu spüren.

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