Doha. Malaika Mihambo ist Deutschlands Goldhoffnung bei der Leichtathletik-WM. Trotz der hohen Erwartungen bleibt sie entspannt. Ein Interview.

Malaika Mihambo hat ein Upgrade bekommen. Im Flieger, der sie von Deutschland nach Katar brachte, durfte sie in der ersten Klasse reisen. Das passt. Die 25 Jahre alte Weitspringerin von der LG Kurpfalz ist in diesem Jahr nicht nur erste, sie ist sogar eine Klasse für sich. Am Samstag startet sie bei der Leichtathletik-WM in Doha in der Qualifikation (16.50 Uhr/ARD). Sonntag ist das Finale (18.15 Uhr/ZDF). Sie soll Deutschland einen krönenden Abschluss bescheren. Ganz schön viel Druck. Doch Malaika Mihambo bleibt gelassen.

Frau Mihambo, wie geht es Ihnen? Sind Sie schon aufgeregt?

Malaika Mihambo: Mir geht es sehr gut, die Aufregung kommt auch so langsam. In erster Linie bin ich aber freudig und gespannt. Es war eine lange Saison und endlich geht es auf den Höhepunkt zu. Das ist gut.

Was erwarten Sie von der WM?

Auch interessant

Mihambo: An die WM habe ich gar keine konkreten Erwartungen – aber an mich selbst. Ich will mein Bestes geben. Ich habe in dieser Saison gezeigt, dass ich auf einem sehr guten Niveau bin. Bei meinem Sieg im Diamond-League-Finale in Brüssel habe ich noch einmal bewiesen, dass das Potenzial für einen 7,20-Meter-Sprung da ist. Und das will ich natürlich beim Höhepunkt voll abrufen.

Wie konkret formulieren Sie Ihre Ziele?

Mihambo: Letztendlich ist es eine internationale Meisterschaft, und da geht es auch um Platzierungen. Ich weiß, dass ich diese Saison in allen Wettbewerben ungeschlagen bin, meistens mit 20 Zentimetern Vorsprung gewonnen habe. Aber natürlich weiß ich auch, dass ein schlechter Tag reicht und alles, was vorher war, nicht zählt. Daran will ich jedoch nicht denken. Für mich geht es darum, zu erreichen, was ich bei WM oder Olympia noch nicht geschafft habe – und das ist, mehr als nur Viertplatzierte zu sein.

Das heißt: Sie wollen auf jeden Fall eine Medaille?

Mihambo: Ja, genau.

Auch interessant

Sie sind Europameisterin, Sie haben die magische Marke von sieben Metern in dieser Saison regelmäßig geknackt. Sie starten als Nummer eins der Welt in Doha. Die Erwartungen sind hoch. Wie gehen Sie damit um?

Mihambo: Ich empfinde es als große Ehre, als Favoritin in eine WM zu starten. Dem gerecht werden zu wollen ist auch ein Anspruch an mich selbst, den ich daraus ableite. Von den Erwartungen, die von außen kommen, versuche ich mich frei zu machen. Und das gelingt mir auch ganz gut. Was zählt, ist der Glaube an mich selbst – und den habe ich.

Wie schaffen Sie es, bei all den jüngsten Erfolgen auf dem Boden und konzentriert zu bleiben?

Mihambo: Ich denke, das liegt an meiner Grundeinstellung. Ich bin vom Charakter her sehr zielorientiert und ein bodenständiger Typ. Manche Dinge nehme ich einfach lockerer. Ich fühle mich nach einem Sieg erst mal nicht groß anders. Auch wenn das komisch klingt. Es fällt mir leicht, weiterzumachen. Das ist vielleicht die Kunst: Diese Stabilität bei sich selbst zu finden.

Haben Sie für Ihren aktuellen Erfolg an vielen Stellschrauben gedreht, oder sind Sie eher jemand, der auf Bewährtes setzt?

Mihambo: Die Kombination macht es, würde ich sagen. Ich arbeite seit 15 Jahren mit meinem Trainer zusammen, aber er sucht auch immer wieder nach neuen Impulsen, tauscht sich mit anderen Kollegen aus und ist immer auf dem aktuellen Forschungsstand. Das versuche ich auch auf meine Weise, allerdings dann eher im mentalen und neuroathletischen Bereich. Zum Beispiel meditiere ich regelmäßig und arbeite mit meinem Mentalcoach. Dass ich versuche, meinen eigenen Weg zu finden und immer offen zu sein – das ist vielleicht das Erfolgsgeheimnis.

Ein anderer Schlüssel zum Erfolg könnte in Ihrer aktuellen Geschwindigkeit liegen. Bei der Deutschen Meisterschaft sind Sie Dritte im 100-Meter-Sprint geworden. Sind Sie traurig, dass Sie bei der Weltmeisterschaft doch auf einen Doppelstart – im Weitsprung und über 100 Meter – verzichtet haben?

Mihambo: Traurig bin ich jetzt nicht, aber schade finde ich es schon. Das Sprinten hat mir Spaß gemacht. Aber ich habe das nach der Deutschen Meisterschaft direkt mit meinem Trainer so besprochen, dass wir uns in diesem Jahr auf den Weitsprung konzentrieren. Aber ich freue mich schon auf das kommende Jahr und darauf, vielleicht meine Chance bei Olympia zu bekommen.

Haben Sie denn gar kein schlechtes Gewissen, die deutsche Sprint-Elite so aufzuscheuchen?

Auch interessant

Mihambo: (lacht) Nein, eigentlich nicht. Ich denke immer, für ein Land ist es doch schön, wenn die Schnellsten laufen. Gerade für die Staffel ist das ja gut.

Uwe Florczak, der Sprung-Bundestrainer, sagte neulich über Sie: „Malaika tut der deutschen Leichtathletik gut.“ Sie sind zum Gesicht Ihrer Sportart geworden. Wie sehen Sie Ihre neue Rolle?

Mihambo: Es ist immer schön zu hören, dass Leute so empfinden. Für mich ist es toll, dass es gerade so gut klappt – und ich meine Sportart positiv in die Schlagzeilen bringen kann. Aber dem wohnt auch immer eine Verantwortung inne. Man ist ja schon eine Art Vorbild, muss sich in diese Rolle einfühlen, um auch etwas weitergeben zu können.

Aber das machen Sie gerne?

Mihambo: Ja, auf jeden Fall. Ich engagiere mich ja auch in einem sozialen Projekt, werde nach der WM auch regelmäßig eine Sportgruppe an meiner alten Grundschule betreuen. Das macht schon Freude, den Kindern was weiterzugeben.

Und die Kinder können dann vielleicht bald erzählen, dass Ihre Gruppe von einer Weitsprung-Weltmeisterin geleitet wird…

Mihambo: (lacht) Ja, das wäre schön. Meine Stadt ist nicht sehr groß, die Kinder wissen auch jetzt schon, wer ich bin. Aber so würden sie vielleicht sogar noch ein bisschen mehr davon haben…

Werden Sie nach der WM eigentlich noch Zeit haben, durch Katar zu reisen?

Mihambo: Es ist zwar schon so, dass ich zum ersten Mal im Nahen Osten sein werde, aber mein Urlaub ist schon geplant – und geht woanders hin.

Erzählen Sie. Zuletzt haben Sie ja Indien für sich entdeckt.

Mihambo: Ich reise nach Thailand. Da reizt mich einfach das exotische Flair, das Wandern durch Dschungel, Regenwälder und über Berge. Einfach wieder in eine andere Kultur einzutauchen. Darauf freue ich mich. Aber jetzt zählt es erst einmal am Wochenende.

Das stimmt. Kommen wir zum Schluss: Welche Frage würde Sie nach der WM am liebsten beantworten müssen?

Mihambo: (lacht) Wie fühlt man sich als Weltmeisterin?