Halle/Westfalen. Die Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop besiegt Polen 29:24. Aber fast kein deutscher Spieler findet seine Topform.

Der Jubel nach dem Ertönen der Schlusssirene war ein verhaltener. Die Arme und Mundwinkel der deutschen Handballer gingen nach dem 29:24 (16:16)-Sieg gegen Polen zwar nach oben, aber zu Freudensprüngen war keinem der Spieler zumute. Es herrschte eher Erleichterung als Partystimmung. Denn das zweite Aufeinandertreffen gegen die Polen binnen vier Tagen war ein zäheres als der 26:18-Gala-Auftritt am Mittwoch in Gleiwitz, fast keiner der deutschen Spieler hatte zu seiner Topform gefunden. Am Ende aber zählt: Es ist geschafft, die deutschen Handballer haben vorzeitig die Qualifikation zur Europameisterschaft 2020 in Österreich, Schweden und Norwegen gemeistert.

Die Zuschauer nahmen diese Tatsache schon eher zum Feier-Anlass. 10.400 füllten das Gerry-Weber-Stadion in Halle/Westfalen. Durch die kompakte Bauweise der Tennisarena wirkte die Kulisse aber, als wären doppelt so viele Zuschauer vor Ort. Eine Längsseite der Tribüne: drei Reihen Schwarzgekleideter, drei Reihen in roten und drei Reihen voller Fans in gelben Shirts.

Fans feiern Kapitän Gensheimer

Sie feierten nicht nur das Erreichen der EM-Teilnahme der Schwarz-Rot-Goldenen, sondern auch den deutschen Kapitän Uwe Gensheimer , der sich mit seinen zehn Treffern auf den dritten Platz der Top-Torschützenliste der Nationalmannschaft warf. 828 Treffer hat der 32-jährige Linksaußen in 172 Länderspielen erzielt und überflügelte damit den bisher drittplatzierten Florian Kehrmann (822). Vor Gensheimer liegen noch Frank-Michael Wahl, der 1412 Tore in 344 Länderspielen erzielte (1338 für die DDR, 74 für die BRD), und Christian Schwarzer (966/319). "Das hört sich gut an", sagte Gensheimer und lachte: „Florian habe ich vor dem Spiel auf der Tribüne gesehen und mir gesagt, den muss ich heute einholen."

Bis sie richtig feiern konnten, mussten die Fans aber noch zittern. Die Polen hatten aus der Demütigung im Hinspiel gelernt und traten in der Abwehr wesentlich aggressiver auf. Damit tat sich das deutsche Team zunächst schwer, Patrick Wiencek, Steffen Weinhold und Fabian Böhm scheiterten mehrfach am polnischen Torhüter Mateusz Kornecki. Auch die deutsche Abwehr packte bei weitem nicht so konsequent zu wie üblich, zu oft ließ sich der Defensivverbund mit Hendrik Pekeler an vorgezogener Position überrumpeln. „Wenn die Abwehr nicht funktioniert, kommen wir auch nicht zu Schnellangriffen. Dann liegt man auf einmal mit drei Toren zurück“, sollte Bundestrainer Christian Prokop später analysieren. Durch Tore der Außenspieler Gensheimer und Patrick Groetzki und einen starken Silvio Heinevetter im Tor blieb das deutsche Team im Spiel, glich kurz vor der Halbzeitpause zum 16:16 aus – es waren nur zwei Gegentreffer weniger als im gesamten Hinspiel.

Prokop: "Wir haben am Ende gut gekämpft"

Besser lief es in der zweiten Halbzeit, innerhalb von zehn Minuten war die Partie dank einer starken Phase so gut wie vorentschieden. Fabian Böhm, Uwe Gensheimer, Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek trafen, schnell waren die Deutschen auf vier Tore davongezogen. „Dann haben wir oft einen Pass zuviel gespielt, am Ende aber gut gekämpft“, befand Prokop. Bis auf zwei Tore kamen die Polen in der 56. Minute noch einmal heran, aber wirklich gefährdet war der Sieg nicht mehr.

Von einem der ersten beiden Plätze in ihrer Qualifikationsgruppe sind die deutschen Handballer nicht mehr zu verdrängen, zwei Spiele müssen sie trotzdem noch bestreiten. In Israel am 12. und gegen den Kosovo am 16. Juni. Vorstellbar ist, dass Prokop die Gelegenheit nutzt, um zu Experimentieren und wie im März beim Testspiel in Düsseldorf auf junge Spieler setzt. „Das ist aber ein schwieriger Spagat“, sagt der Bundestrainer. „Im Sommer müssen auch die Grundlagen für das nächste Jahr gelegt werden.“ Soll heißen: Die EM wird gespielt und dabei soll die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio/Japan gesichert werden. Mit einer besseren Abwehrleistung. Und höherer Konzentration im Angriff.