Lissabon. Nach dem 2:0-Auftaktsieg des FC Bayern bei Benfica Lissabon steht Renato Sanches wegen seiner gelungenen Rückkehr im Mittelpunkt.

So zurückhaltend Renato Sanches sein fulminantes und entschlossenes Dribbling durch Mittelfeld und anschließendes Tor genoss, so zurückhaltend trat er auch hinterher auf. Schnell und ohne große Worte zu verlieren durchlief er den für ihn eher ungewohnten Parcours durch die Kameras und Mikrofone nach dem 2:0 (1:0)-Sieg des FC Bayern bei Benfica Lissabon. „Dieser Moment war schön für mich, weil ich hier lange gespielt habe. Das Gefühl ist sehr gut. Ich bin so glücklich“, sagte der 21-Jährige.

Ungewohnte Aufmerksamkeit für Renato Sanches

„Happy“, sagte er immer wieder auf Englisch, und besonders bezog sich das auf sein Tor zum Endstand in der 54. Minute, nachdem Robert Lewandowski den 15. Auftaktsieg der Bayern hintereinander in der Champions League auf den Weg gebracht hatte (10.). Nach seinen kurzen Sätzen eilte Sanches rasch weiter, raus aus der Aufmerksamkeit, die sich in dieser geballten Form auf ihn in seiner Münchner Zeit bisher kaum einmal gerichtet hatte.

Genau genommen war die Münchner Zeit bisher sogar sehr freudlos für ihn geraten. 2016 war Sanches nach seiner überzeugenden EM mit der portugiesischen Nationalmannschaft als 18-Jähriger zu den Bayern gekommen, die ihn für 35 Millionen Euro bei Benfica ausgelöst hatten. Doch bald schon stand der Hochbegabte im Münchner Starensemble im Abseits. Eine Leihe zu Swansea City in die Premier League sollte ihn in der folgenden Saison voranbringen. Doch auch seine Episode bei dem späteren Absteiger hielt wenig Erfreuliches für ihn bereit. Vielmehr erlebte Sanches die besonders unschönen Seiten des professionellen Kickergewerbes. Nachdem ihm einmal völlig unbedrängt ein Pass ins Seitenaus unterlaufen war, bei dem er sich von einer Werbebande hatte irritieren lassen, wurde über ihn sogar europaweit gespottet.

Sanches hatte nach dem Wechsel zu den Bayern Probleme

Für einen jungen Spieler, der in Lissabons Problemviertel Musgueira aufgewachsen war, erst wenige Monate vor der EM sein Profidebüt gegeben hatte und nach dem Turnier in Frankreich zu Europas Supertalent hochgejubelt worden war, kamen die beiden Jahre danach fernab der Heimat einem Absturz ohne soziales Netz gleich. Es gab danach einige Stimmen, die nicht mehr an Sanches glaubten. Auch im Verein waren sie im zurückliegenden Transfersommer nicht abgeneigt, dem zwischenzeitlichen Interesse von Paris Saint-Germain an Sanches nachzukommen. Doch dann zerschlug sich der Wechsel zu PSG genauso wie jener von Jérôme Boateng.

Umso größer war die Freude beim FC Bayern am Mittwochabend in Lissabon, dass Sanches seine unverhoffte Chance an seiner alten Wirkungsstätte so eindrucksvoll genutzt hatte. Trainer Niko Kovac hatte seinem Bauchgefühl vertraut, wie er sagte, als er Sanches in der Startelf aufbot, nachdem Thiago Alcántara wegen einer Zehenblessur nicht mitwirken konnte. „Er hat sehr viele Nackenschläge hinnehmen müssen“, erinnerte Kovac, als er über Sanches sprach, und lobte: „Das, was er heute geleistet hat, war einzigartig.“ In der Tat agierte Sanches als einer der beiden Achter im Mittelfeld an der Seite von James Rodríguez sehr präsent, einsatzfreudig und auch umsichtig, nicht nur bei jenem Angriff, den er maßgeblich prägte und mit seinem ersten Pflichtspieltor für die Bayern im 27. Einsatz krönte.

Lob für Sanches von Mitspielern und Klubführung

„Genau das, was wir brauchen“, habe Sanches auf seiner Position gezeigt, befand Mats Hummels übergeordnet, „das hat er fantastisch gemacht.“ Ein Märchen, entgegnete Sportdirektor Hasan Salihamidzic, sei das aber nicht, „weil das ein richtig guter Fußballer ist“. Seine Fähigkeiten lagen wohl in der Tat nur brach, mangels körperlicher Fitness und vor mangels Selbstvertrauen. Dass er nun über beides verfügt, hat auch viel mit Kovac zu tun. Schon früh in der Vorbereitung sprach der neue Trainer immer wieder davon, auf Sanches setzen zu wollen. Auch deshalb, weil dieser viel Engagement, Lernbereitschaft und Willen zeigte, „dass er sich durchsetzen will“, wie es Salihamidzic formulierte. Bei seiner Rückkehr in seine Heimat war ihm das eindrucksvoll gelungen. „Das war nur der Anfang, hoffe ich“, sagte Salihamidzic und musste selbst kurz lachen, als er anfügte: „Wenn er immer so spielt, ist er aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken.“ Dass sie das einmal in München über Renato Sanches sagen, hätten sie bis zum Mittwochabend wohl selbst nicht geglaubt.