London. Angelique Kerber hat Wimbledon gewonnen. Das liegt auch an ihrem Trainer Wim Fissette. Das Interview mit dem Erfolgstrainer.

Er führte Belgiens Topspielerin Kim Clijsters zu drei Grand-Slam-Titeln (2009-11), die Berlinerin Sabine Lisicki 2013 ins Wimbledon-Finale – und nun holte er mit Angelique Kerber den Titel. Der belgische Cheftrainer Wim Fissette (38) ist der Erfolgsgarant im Damentennis. Nach Kerbers Finalsieg stellte er sich erstmals in London den deutschen Medienvertretern.

Herr Fissette, wie ordnen Sie diesen Titel ein, für sich und für Ihre Sportlerin?

Wim Fissette: Wimbledon ist das wichtigste Turnier der Welt, für Angie genauso wie für mich. Wenn sie nur ein Turnier gewin-nen könnte, würde sie sich für Wimbledon entscheiden. Es ist deshalb das Größte, was sie je erreicht hat.

Zu welchem Zeitpunkt des Turniers glaubten Sie, dass Angelique den Titel holen könnte?

Wim Fissette: Seit ein paar Tagen hatte ich ein sehr gutes Gefühl. Sie ist mental sehr solide geblieben, obwohl die Matches alle hart waren. Als sie sich heute Morgen sehr konzentriert einschlug, habe ich ihre Überzeugung gesehen, dass sie glaubte, gewinnen zu können. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich in das Finale gegangen. Ich wusste, dass sie stark spielen würde.

Was waren die wichtigsten Änderungen, die Sie vorgenommen haben seit Beginn Ihrer Zusammenarbeit nach der verkorksten Saison 2017?

Wim Fissette: Ich habe ihr am ersten Tag ein Video gezeigt, in dem ich Szenen von ihr zusammengeschnitten habe, die die Angie zeigten, die ich sehen wollte. Sie sollte aggressiv spielen, das Match bestimmen wollen. Nur mit Kämpfen und jeden Ball zurückholen gewinnt man kein Grand-Slam-Turnier. Darüber haben wir viel geredet, und das hat sie Schritt für Schritt umgesetzt.

Sie haben auch ihren Aufschlag verbessert. Wie ist das gelungen?

Wim Fissette: Das war vor allem ein mentales Problem. Alle sagten, sie schlage schlecht auf. Das hat sie irgendwann geglaubt. Sie musste lernen, daran zu glauben, dass ihr Aufschlag eine Waffe sein kann. Jetzt schlägt sie nicht mehr auf, um das Spiel zu eröffnen, sondern um den Punkt zu gewinnen. Das ist der entscheidende Unterschied.

2016 war sie die Nummer eins der Welt, hat zwei Grand-Slam-Titel gewonnen. Kann man Erfolg verlernen? Was haben Sie getan, um sie zu stabilisieren?

Wim Fissette: Mein Vorgänger Torben Beltz hat großartige Arbeit gemacht, das Jahr 2016 ist schwer zu toppen. Aber irgendwann braucht man etwas Neues, neue Motivation, eine andere Stimme. Das ist das, was ich eingebracht habe.

Sie hat die Zusammenarbeit mit Ihnen als Prozess beschrieben, der noch längst nicht abgeschlossen ist. Sehen Sie das auch so?

Wim Fissette: Natürlich. Wir sind jetzt ein gutes halbes Jahr zusammen und kennen uns besser. Ich weiß jetzt, was sie braucht, um erfolgreich zu sein. Aber ein solcher Prozess ist immer abhängig von Ergebnissen. Wenn ein Plan aufgeht, steigt natürlich das Vertrauen.

Glauben Sie, dass es für Sie nun schwerer oder einfacher wird?

Wim Fissette: Das werden die nächsten Wochen zeigen. Es gibt noch viel zu optimieren. Wir werden sehen, ob sie noch mehr will. Aber wie ich sie einschätze, ist das der Fall. Sie ist sehr ehrgeizig und unglaublich selbstkritisch.

Sie hat jetzt in Australien, Wimbledon und New York gewonnen. Fehlt Paris.

Wim Fissette: Sand wird immer der schwierigste Belag für sie bleiben. Sie hat keine guten Erinnerungen daran. In diesem Jahr hat sie in Paris gut gespielt, im Viertelfinale fehlte wegen der Verletzung in der Vorbereitung die Kondition. Aber sie hat verstanden, worum es geht. Deshalb glaube ich, dass sie auch die French Open gewinnen kann.