Leipzig. Bundestrainer Joachim Löw setzte erneut auf die jungen Spieler. Leroy Sané, Niklas Süle und Serge Gnabry erzielten die Tore.

Das Jahr 2018 hat es nicht gut gemeint mit dem deutschen Fußball. Und wer dafür noch ein Bild benötigte, der musste sich am Donnerstagabend ins eiskalte Leipziger Stadion setzen und kurz vor dem Anpfiff der Testpartie gegen Russland auf die Ränge blicken. Da hatte sich der „Fanklub Nationalmannschaft“ eine Choreografie ausgedacht. Aber als die Anhänger dafür Schilder hochhalten sollten, geriet das so lückenhaft, dass der geplante Schriftzug nicht zu lesen war. Stand da „Teamgeist“? Oder gar „geisterhaft“? Das hätte besser zur Kulisse gepasst. Offiziell 35.288 Zuschauer hatten es ins für 43.000 ausgelegte Rund geschafft. Es sah spärlicher aus und klang so wie zu Zweitligazeiten von RB Leipzig. Dem deutschen Fußball sind nach dem WM-Aus und sechs Niederlagen in diesem Jahr die Fans weggelaufen.

Dass sie alsbald vielleicht wiederkommen werden, dafür tat dann sowohl das Spiel als auch das Ergebnis am Donnerstag etwas: Die deutsche Nationalelf siegte verdient 3:0 (3:0) gegen den allerdings stark ersatzgeschwächten WM-Gastgeber durch die ersten Länderspieltreffer von Leroy Sané (8. Minute) und Niklas Süle (25.) sowie ein weiteres Tor von Serge Gnabry (40.). "Die erste Hälfte war gut, wir hatten eine gute Spielkontrolle und konnten einige Bälle in die Tiefe spielen, also Dynamik herstellen“, erklärte Bundestrainer Joachim Löw nach der Partie.

Auch interessant

Mit dem 3:0 wurde verhindert, dass es zum ersten Mal unter Löw drei Niederlagen in Serie gab – nach dem 1:2 gegen Frankreich und dem 0:3 gegen die Niederlande vor einem Monat. Zudem wurde das ramponierte Selbstvertrauen für das mögliche Endspiel um den Verbleib in der Nations-League-Erstklassigkeit gegen Holland am Montag in Gelsenkirchen aufgebessert. "So wie heute in den ersten 45 Minuten wollen wir auch gegen Holland spielen“, sagte Kapitän Manuel Neuer. Gewinnen die Niederlande gegen Frankreich, steigt Deutschland in die Division B ab. Bei anderem Ausgang ist noch alles drin.

Havertz in der DFB-Startelf

Dass Löw den Umbruch endlich resoluter vorantreiben will, zeigte seine Startaufstellung. Der 58-Jährige setzte voll auf Jugend. Manuel Neuer (32) war der einzige verbliebene Weltmeister. Der Leverkusener Kai Havertz, 19 Jahre jung, durfte erstmals von Beginn an auflaufen. Darüber hinaus bot der Bundestrainer mit Thilo Kehrer, Timo Werner, Sané (alle 22), Gnabry, Süle und Joshua Kimmich (alle 23) sechs Spieler aus dem hoffnungsvollen Jahrgang 1995/96 auf. Mit 23,9 Jahren im Schnitt war das deutsche Team das jüngste seit langer Zeit. Beim der schlimmen Pleite gegen die Niederlande im Oktober war die Elf drei Jahre älter (26,9).

Jugend und Geschwindigkeit, das hängt manchmal miteinander zusammen. Zu sehen war das früh gegen Russland: Da schickte Kehrer mit einem strammen Flachpass den flinken Gnabry. Der enteilte seinem Gegenspieler, legte im Strafraum ab auf den ebenso mitgesausten Sané: drin. 1:0 (8.). Das 2:0 fiel dann etwas vom Himmel. Eine Ecke vom immer mehr zur Autorität reifenden Kimmich plumpste Süle am Fünfmeterraum vor die Füße: drin (23.). Den schönsten Treffer in Halbzeit eins bereitete aber der Jüngste vor: Als hätte er nicht fünf Gegenspieler um sich herum wie lauernde Löwen, steckte Havertz einen Pass so selbstgewiss wie ein Dompteur durch die russische Abwehr, dass der auffällige Gnabry zum 3:0 einschieben konnte (40.). Hatte bei der WM noch die schlechte Chancenverwertung einen großen Anteil am Ausscheiden, stimmte sie diesmal.

Hector nach fiesem Tritt ausgewechselt

Nur einmal war Löws Elf bis dahin 2018 ohne Gegentor geblieben. Beim 0:0 gegen Frankreich im September. Dass es gegen Russland zum zweiten Mal keinen Gegentreffer gab, lag weniger an der deutschen Abwehr, als vielmehr am russischen Unvermögen. In Halbzeit eins hatte Neuer gar keinen Schuss halten müssen. Und in Halbzeit zwei schoss Aleksey Ionov freistehend vor Neuer vorbei (48.). Wenig späterer rettet noch Linksverteidiger Jonas Hector nach einer Ecke auf der Linie (55.) und Iurri Gazinskii schoss am Ende noch über das leere Tor (83.). Der Kölner musste nach einem fiesen Tritt ausgewechselt werden. Löw tauschte insgesamt sechs Mal das Personal, sodass der Spielfluss erstickte. Echte deutsche Torgelegenheiten sah man in den zweiten 45 Minuten nicht mehr. Aber das machte nichts.

Auch interessant

Es gab sogar eine minutenlange Laola durch die lückenhaften Ränge in der Arena. Das Leipziger Publikum war also zufrieden. Und Löw konnte es auch sein. Wenn es am Montag ein Finale um den Klassenerhalt für die DFB-Auswahl in der Nations League gibt, könnte das so gruselige Länderspieljahr 2018 gegen die Niederlande vielleicht doch noch ein wenig versöhnlicher enden.