Amsterdam. Nach der bitteren Niederlage steckt Deutschland im Abstiegskampf. Für Bundestrainer Löw wird es jetzt wohl ungemütlich.

Wer glaubte, die Rivalität zwischen Deutschland und den Niederlanden sei erloschen, der wurde am Samstagabend in Amsterdam belehrt. Es war ein ungewöhnlich warmer Oktobertag. Und am Abend, als sich die niederländische Fußball-Nationalelf und die deutsche zur Nations-League-Partie in der Johan-Cruyff-Arena trafen, schien es, als seien die Gemüter der Oranje-Anhänger aufgeheizt. Als die DFB-Auswahl einlief, um sich für die Partie gegen den früheren Erzrivalen zu erwärmen, pfiffen die Holland-Fans. Auch die deutsche Hymne wurde von Unmutsbekundungen überdeckt.

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Es sollte dann rundum ein unschönes Erlebnis für die Elf von Bundestrainer Joachim Löw werden. Deutschland verlor das Spiel verdient durch Treffer von Virgil van Dijk (30. Minute), Memphis Depay (87.) und Georginio Wijnaldum (90.+3.) mit 0:3 und steht nun in der Nations-League-Gruppe A1 auf dem dritten und letzten Platz, der den Abstieg in Liga B bedeuten würde.

„Bis zum Gegentor haben wir ordentlich gespielt. Dann hat man gemerkt, dass wir nicht das Selbstbewusstsein haben“, sagte Löw. „Wir hatten unsere Chancen, aber wir machen nicht die Tore. Dass wir in den letzten zehn Minuten so auseinander gefallen sind, war schlecht. Gegen Frankreich müssen wir am Dienstag zeigen, dass wir Charakter haben.“

Anzeichen auf Besserung gibt es nicht. Dafür war das deutsche Team vor allem in Halbzeit zwei zu ideenlos. Am Dienstag muss Löws Elf zudem beim Weltmeister Frankreich antreten, der sich in ganz anderen Qualitätshöhen bewegt als das aufstrebende, aber immer noch nicht hochpreisige Holland. Für Löw könnte es bei einer weiteren Niederlage ein heißer Herbst werden, an dessen Ende ihm nach dem Rückspiel gegen die Niederlande Mitte November die Entlassung droht, sollte der Ex-Weltmeister auf dem letzten Rang einlaufen und sich nach dem WM-Sommer erneut blamieren.

Schalke-Stürmer Mark Uth in der Startelf

Am Samstagabend hatte Löw zumindest etwas gewagt. Den mit 27 erstmals zu Nationalelf berufenen Schalker Stürmer Mark Uth, der zu Beginn seiner Karriere den Umweg über die Niederlande genommen hatte, beorderte der 58-Jährige in die Startelf. Uth ist damit der 100. Debütant unter Löw und hinterließ bis zu seiner Auswechslung (68.) einen ordentlichen Eindruck. Auch Mittelfeldspieler Emre Can, den der Bundestrainer wegen Verletzungssorgen nachnominiert hatte, durfte beginnen. Der Turiner hatte die Sonderaufgabe, die Wege des neuen niederländischen Wunderkindes Frenkie de Jong (21) zu begrenzen.

Zunächst sah das noch recht gefällig aus. Die Elftal versuchte es mit der Mexiko-Taktik: kommen lassen und dann kontern. Doch Deutschland war diesmal etwas besser ausbalanciert zwischen Offensive und Defensive. Auch ein paar vielversprechende Spielzüge gelangen. Aber entweder vertändelte Timo Werner den Ball (15./17.), oder Thomas Müllers Schuss parierte Oranje-Keeper Jasper Cillessen (18.).

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Doch je länger die Partie dauerte, umso mutiger wurde Koemans junges Team. Als dann eine Ecke durch den deutschen Strafraum flog, setzte sich der Ex-Hoffenheimer Ryan Babel gegen Mats Hummels und Jonas Hector durch. Sein Kopfball sprang an die Latte, aber den Abpraller drückte Liverpools Starverteidiger van Dijk zum 0:1 über die Linie (30.). Die rund 55.000 Zuschauer in der Cruyff-Arena machten Lärm für Hunderttausend. Fast hätte es 0:2 gestanden, wäre Rechtsverteidiger Matthias Ginter nicht noch dazwischen gegrätscht (33.). Deutschland reagierte zornig. Müller drosch einen Ball ans Außennetz (38.), Uth köpfte gefährlich (42.). Aber die Chancenverwertung blieb mal wieder die Achillesferse.

Kimmich leistet sich vor der Abwehr Abspielfehler

Das frischere, bessere Team war auch in Halbzeit zwei das in Orange – nur Platz 17 der Weltrangliste. De Jong zog die deutsche Abwehr mit Pässen auseinander. Jerome Boateng (30) wirkte dabei so, als sei er in zwei Jahren um fünf gealtert. Und selbst der sonst verlässliche Joshua Kimmich leistete sich vor der Abwehr Abspielfehler. Im gesamten deutschen Team war der letzte Pass oft ungenau.

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Löw brachte mit Leroy Sané und Julian Draxler zwei Offensivkräfte, nahm den schwachen Müller und Can runter. Später kam Julian Brandt. Sané hatten auch eine vorzügliche Chance, aber er schoss völlig freistehend vorbei (65.). Thema Chancenverwertung. Weil dann auch Ginter Pech hatte, als ihn van Dijk im Strafraum zu Fall brachte (82.), war die Pleite nicht mehr abzuwenden. Einen der zahlreichen Konter schloss Depay dann zum verdienten 0:2 ab. Der Angreifer traf in der Nachspielzeit sogar noch einmal die Latte (90.+1.). Das 0:3 schoss dann Georginio Wijnaldum in der Nachspielzeit (90.+3.). Ein Debakel.

Der letzte deutsche Sieg in den Niederlanden liegt nun 22 Jahre zurück. Im April 1996 siegte die DFB-Auswahl 1:0 und wurde im Sommer darauf Europameister. Doch die fetten Jahre sind jetzt vorbei. Am Sonnabend in Amsterdam wurden zwei niederländische Legenden offiziell verabschiedet: der ehemalige Hamburger Rafael van der Vaart (35) und Dirk Kuyt (38). Es war auch ein endgültiger Emanzipation von der Vergangenheit, die Zukunft sieht ja wieder besser aus. Deutschland hingegen hat all das noch vor sich.