Mainz. Dickes Ausrufezeichen in der EM-Qualifikation. Ohne Bundestrainer Joachim Löw brilliert die DFB-Elf und schießt Estland mit 8:0 ab.

Mit Tempo drang der Spieler im weißen Trikot in den gegnerischen Strafraum ein, setzte zum Dribbling an und ließ sich auch von drei Gegenspielern nicht bremsen. Es war eine Szene, wie sie allgemein erwartet worden war vor dem EM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Estland. Überraschen war allenfalls, dass es sich beim deutschen Spieler um Innenverteidiger Matthias Ginter handelte. Doch die DFB-Elf war derart drückend überlegen, dass derartige Ausflüge kein Problem darstellten. Am Ende stand vor 26.050 begeisterten Zuschauern in Mainz ein hochverdienter 8:0 (5:0)-Sieg, durch den Deutschland mit neun Punkten aus drei Spielen Tabellenzweiter der Gruppe C ist – drei Zähler hinter Nordirland, das bereits vier Spiele absolviert hat.

Die DFB-Elf war mit einer 4-3-3-Formation ins Spiel gegangen, so zumindest formierten sich die Spieler beim Anstoß. Schnell wurde daraus aber ein 2-2-6: Nur die Innenverteidiger Niklas Süle und Matthias Ginter sicherten ab – allerdings tief in der gegnerischen Hälfte –, davor verteilten Joshua Kimmich und Ilkay Gündogan die Bälle, der Rest der Mannschaft versammelte sich am und im Strafraum.

Dort waren auch die elf Esten über weite Teile des Spiels zu finden. Die Gäste zogen sich derart weit zurück, dass schon der Mittelkreis zur verwaisten Zone geriet, in deren Nähe Deutschlands Torhüter Manuel Neuer recht einsam herumstand.

Reus eröffnet das Torfestival

Das Kalkül der Esten: die Räume rund um den Strafraum verengen und Bälle in den Rücken der Abwehr verhindern. Das aber ging nicht auf, weil sich das Trainerteam um Sorg einige Kniffe hatte einfallen lassen: Mit vielen Läufen und Positionswechseln zogen die Angreifer die Abwehr auseinander und insbesondere Gündogan spielte die Bälle mit traumwandlerischer Präzision in die entstandenen Lücken. Begünstigt wurde dies aber auch dadurch, dass die Gäste zwar eng standen, aber dabei erstaunlich große Sicherheitsabstände zu den Gegnern ließen.

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Druck auf den Ballführenden gab es kaum, dadurch konnte sich die deutsche Nationalmannschaft den Gegner in Ruhe zurechtlegen – und schon bald den ersten Wirkungstreffer landen: Gündogan spielte den Ball scharf nach außen, Thilo Kehrer gab sofort flach nach innen und Marco Reus, der wohl noch nie in seiner Karriere in einem derart vollbesetzten Strafraum derart frei stand, traf sicher zum 1:0 (10.).

Und anders als am Wochenende in Weißrussland setzte die DFB-Elf beherzt nach, ließ völlig überforderte Esten kaum einmal zum Durchschnaufen kommen: Gündogan hob den Ball in den Strafraum, Leroy Sané legte quer und Serge Gnabry schob zum 2:0 ein (17.). Schon da war klar, dass es nur noch um die Höhe des Sieges gehen würde gegen eine estnische Mannschaft, die kaum einmal über die Mittellinie hinauskam.

Sieg hätte sogar noch höher ausfallen können

Es spielte sich weiterhin alles im Gästestrafraum ab: Kimmich ließ mit einer Körpertäuschung drei Gegner ins Leere laufen, flankte butterweich und der natürlich komplett freistehende Leon Goretzka köpfte zum 3:0 ein (20.). Nur wenig später brachte Joonas Tamm den Münchener im Strafraum zu Fall, den fälligen Elfmeter verwandelte Gündogan sicher (26.). Und dann war wieder Reus am Zug, der einen Freistoß aus 25 Metern in die Torwartecke schoss, die Sergei Lepmets mit ein paar Schritten in die Mitte freigegeben hatte (37.).

Erst in der Nachspielzeit musste Neuer einmal angreifen, als Konstantin Vassiljev einen direkten Freistoß genau in seine Arme schoss. Und gleich nach der Pause wurden die Gäste einmal sogar richtig gefährlich, als Sergei Zenjov nach Goretzkas Ballverlust auf und davon lief, von links nach innen zog und sein Schuss nur knapp am langen Pfosten vorbei strich (48.). Neun Minuten später war es erneut Zenjov, der Neuer mit einem Flachschuss prüfte. Auf der Gegenseite parierte Lepmets einen Volley von Reus (57.).

In der Gewissheit des sicheren Sieges nahmen die Hausherren den Fuß etwas vom Gaspedal – blieben aber die gefährlichere Mannschaft: Marcel Halstenberg legte quer, Gnabry vollstreckte zum 6:0 (63.). Julian Draxler steckte durch, Timo Werner traf mit feinem Lupfer zum 7:0 (79), Sané erhöhte kurz darauf zum 8:0-Endstand (88.).

Zahlreiche weitere hochkarätige Chancen blieben ungenutzt – selten aber war das so leicht zu verschmerzen wie an diesem Tag.