Kasan. Spaniens Diego Costa ist beim Treffer gegen den Iran angeschossen worden. Trotzdem war der Sieg des WM-Favoriten verdient.

Vuvuzeles gibt es den vielen Souvenirgeschäften der Baumann Straße von Kasan definitiv nicht zu kaufen. Weshalb es nur sein kann, dass sich viele Iraner und Exil-Iraner die bei der WM 2010 in Südafrika großflächig im Einsatz befindlichen Lärmgeräte gut aufbewahrt haben. Das andauernde Getöse aus den bunten Blasinstrumenten für Team Melli bildete die laute Untermalung einer zähen Abend-Veranstaltung in der Kasan-Arena. Letztlich quälte sich der WM-Mitfavorit Spanien gegen den tapferen Außenseiter Iran zu einem glanzlosen 1:0 (0:0)-Pflichtsieg. Abermals brauchte es die Torjägerqualität eines Diego Costa, um den Bann gegen das rote Bollwerk zu brechen (54.). „Ich hatte ein bisschen Glück beim Tor, aber ich bin zufrieden. Wir haben die nötige Ruhe bewiesen“, sagte der Matchwinner.

Zum emotionalen Höhepunkt dieser Partie sollte sich neun Minuten später die Szene entwickeln, in der Schiedsrichter Andrés Cunha aus Uruguay einen frenetisch von mehr als 15.000 iranischen Fans bejubelten Ausgleichstreffer von Saeid Ezatolahi nicht anerkannte. Aus dem Moskauer Kontrollraum hatte der für Abseitsentscheidungen zuständige Videoassistent Alexander Guzman aus Kolumbien genau hingesehen – und einen weiteren Beweis erbracht, dass der Videobeweis bei richtigem Gebrauch für mehr Gerechtigkeit sorgt.

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Insgesamt war der Erfolg der Spanier verdient, denen in der Gruppe B im letzten Gruppenspiel gegen Marokko am kommenden Montag definitiv ein Remis reicht. Iran muss zeitgleich nun Portugal besiegen, um noch ins Achtelfinale zu kommen.

Auf den Tribünen zeigte sich genau jenes gleichberechtigte Bild iranischer Männer und Frauen, das sich zuvor vom Tukai-Platz bis zum Kasaner Kreml angedeutet hatte: Die Stadionregie konnte gar nicht genug bekommen, als wiederholt die weiblichen Gesichter aus der Islamischen Republik Iran zu zeigen. So gut die Stimmung auf den Rängen, so schlecht erst die Spielqualität auf dem Rasen. Denn der Favorit von der iberischen Halbinsel tat sich auffällig schwer, den iranischen Abwehrriegel zu knacken.

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    Der Portugiese Carlos Queiroz hatte dem Team Melli eine rigorose Blockadehaltung verordnet, die das typische Rollenspiel ergab. Geduldig zirkulierte die Kugel über Sergio Busquets, Andres Iniesta oder Isco, aber es ergaben sich kaum Lücken. Die Nummer 37 der Fifa-Weltrangliste verteidigte häufig mit einem halben Dutzend Akteuren auf einer Linie. Ihre Anhängerschaft war trotzdem zufrieden: bejubelte jeden Einwurf und gewonnenen Zweikampf. Manko der Spanier: Der letzte Pass kam selten an. Ein leicht abgefälschter Freistoß von David Silva wurde zur sicheren Beute von Keeper Ali Beiranvand (25.), ein Rückzieher von Lucas Vazquez ging über die Latte (30.) – viel mehr war nicht.

    Hierro: "Iraner sind physisch sehr stark"

    Der erst kurz vor Turnierstart installierte Trainer Fernando Hierro schien es geahnt zu haben: „Die Iraner haben eine klare Idee davon, was sie tun wollen. Sie sind physisch sehr stark, es wird sehr hart.“ Dem ehemaligen Strategen kann nicht gefallen haben, dass sich all der Aufwand nicht lohnte. Zur Halbzeit hatte sein Team bereits 416 Pässe (Iran 103) gespielt und 73 Prozent Ballbesitz verbucht.

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    Für erste Aufregung nach der Pause sorgte ein Busquets-Schuss, den Tormann Beiranvand nicht ganz stilecht zweimal abwehrte (50.). Ein Aufschrei ertönte, als der iranische Spielmacher Karim Ansarifard bei einem Schuss ans Außennetz beinahe den Spielverlauf auf den Kopf gestellt hätte (53.). Das Tor fiel dann aber doch auf der Gegenseite: Iniesta leitete ein, dann versuchte sich der zuvor mit einigen unnötigen Schauspieleinlagen aufgefallene Verteidiger Ramin Rezaeian an einem Klärungsversuch, schoss aber Costa ans Bein und der Ball prallte zum 1:0 ins Tor. Der Angreifer von Atletico Madrid hat nun auch schon drei Turniertreffer auf seinem Konto und ist in der Torjägerliste der Real-Ikone Cristiano Ronaldo auf den Fersen.

    Erstaunlich nur, dass die Spanier sich selbst noch einmal das Leben schwer machten und in der Schlussphase wenig Souveränität ausstrahlten. Die beste Ausgleichschance verpasste Vahid Amiri mit einem Kopfball (82.). Und hätte das vierköpfige Team der Videoassistenten zuvor nicht so genau hingesehen, hätte es auch ein größeres Wehklagen geben können.