München. Beim FC Bayern sorgen Geschäfte mit Katar für Streit. Experten raten dem Rekordmeister, für Geld nicht den Vereinsfrieden zu opfern.

Katar wirkte im Schnee von Kiew am Dienstagabend sehr fern, doch schon an diesem Donnerstag rücken die umstrittenen Geschäftsbeziehungen des FC Bayern ins Emirat wieder verstärkt ins Bewusstsein. Zwei Tage nach dem vorzeitigen Gruppensieg der Münchner in der Champions League durch das 2:1 bei Dynamo und dem Einlenken mancher Impfskeptiker unter den Spielern steht die Jahreshauptversammlung (JHV) des FC Bayern an. An Debattenstoff mangelt es nicht.

Eigentlich hatte sich bei der Impfthematik eine Entspannung abgezeichnet. Serge Gnabry und Jamal Musiala sollen sich laut Fachmagazin kicker bereits impfen gelassen haben, Joshua Kimmich und Michaël Cuisance erwägen dies laut Bild-Zeitung nun ernsthaft. Doch los werden die Bayern das Thema Corona noch nicht: Stürmer Maxim Choupo-Moting ist positiv getestet worden, teilte der deutsche Fußball-Meister am Mittwoch mit. Der 32 Jahre alte Offensivspieler des FC Bayern befinde sich in Absprache mit dem zuständigen Gesundheitsamt in häuslicher Isolation. Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut.

Bayerns Vertrag mit Quatar Airways läuft bis 2023

Das Thema Katar und die drängenden Fragen dazu aber bleiben dem FC Bayern bis mindestens 2023 erhalten. Bis dahin läuft der aktuelle Vertrag mit dem Sponsor Qatar Airways, die staatliche Fluggesellschaft des WM-Gastgeberlandes von 2022.

Das Vereinsmitglied, der Mainzer Rechtsreferendar Michael Ott, hatte einen Antrag zur Abstimmung eingereicht, wonach dieser Vertrag wegen der Menschenrechtsverstöße in dem Emirat nicht verlängert werden soll. Zunächst wurde dieser Antrag nicht zugelassen. Ott wirft dem FC Bayern eine „Hinhaltetaktik“ und „Feigheit“ vor.

Trainer Julian Nagelsmann: Habe vor der Debatte keine Angst

Er will sich aber nicht geschlagen geben und setzt sich weiterhin juristisch zur Wehr, nachdem seine einstweilige Verfügung vom Münchner Amtsgericht jüngst mit der Begründung abgelehnt worden war, es bestehe keine ausreichende Dringlichkeit. Ott will zur JHV kommen und behält sich einen Spontanantrag vor, sollte sein ursprünglicher Antrag nicht noch genehmigt werden. Zur Sprache kommen dürfte das Thema Katar bei den Wortmeldungen am Ende des Konvents ohnehin.

Im Heimspiel gegen Freiburg Anfang November machten Bayern-Fans ihrem Ärger Luft. Auf einem Transparent kritisierten sie die geschäftlichen Beziehungen zu Katar, dem Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.
Im Heimspiel gegen Freiburg Anfang November machten Bayern-Fans ihrem Ärger Luft. Auf einem Transparent kritisierten sie die geschäftlichen Beziehungen zu Katar, dem Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. © dpa

„Für mich ist das kein Nebenkriegsschauplatz“, sagte Julian Nagelsmann zur voraussichtlichen Katar-Debatte auf der JHV, für die er sein Kommen ankündigte. Er habe vor der Debatte „keine Angst oder keinen mega Respekt davor“, sagte der Trainer, „ich glaube, es ist immer wichtig, dass man einen Dialog hat, in allen Bereichen, das habe ich schon oft gesagt. Gleiches trifft auf die Jahreshauptversammlung auch zu.“

Ex-Vorstandschef Rummenigge schwärmt vom "guten Geld"

Aus der Vereinsführung hat sich zuletzt niemand zu dem Thema geäußert. Zuvor hatte Präsident Herbert Hainer die seit Jahren gepflegte Argumentationslinie vorgetragen, wonach man auf einen Dialog setze, um zu Veränderungen beizutragen. Karl-Heinz Rummenigge, bis Ende Juni Vorstandsvorsitzender und damit Vorgänger des jetzigen AG-Chefs Oliver Kahn, erklärte jüngst, man habe aus dem Vertrag mit Qatar Airways „gutes Geld“ bekommen. Angeblich soll es sich um rund 20 Millionen Euro jährlich handeln. Das wären keine drei Prozent des letzten bekannten Gesamtumsatzes von knapp 700 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2019/20.

Befragt man den Hamburger Markenexperten und Konsumphilosophen Prof. Dr. Oliver Errichiello, 47, zu den umstrittenen Geschäftsbeziehungen des FC Bayern nach Katar, dann unterscheidet er zunächst zwischen seiner privaten und professionellen Sichtweise. „Als Mensch sage ich: Es ist eine riesengroße Katastrophe, dass sich Pecunia non olet (Geld stinkt nicht, d. Red.) wieder mal bestätigt. Wenn Kohle im Spiel ist, lässt man alle Prinzipien fahren, ob bei der Fifa, der Uefa oder beim FC Bayern“, erklärt er, „als Wissenschaftler, als Markensoziologe, sage ich: Katars Sportswashing schadet der Marke FC Bayern nicht wirklich.“

Markenexperte Errichiello sieht negative Vorurteile bestätigt

Das liege auch daran, dass diese Kooperation die negativen Vorurteile gegenüber dem Verein und dem großen Sport bestätige, wonach es auf dieser Ebene eh nur noch ums Geld gehe. „Es wird nichts anderes erwartet“, sagt Errichiello, „deshalb sehe ich für die Marke FC Bayern so gut wie keine Folgen.“ Zudem sei die emotionale Bindung der Fans zu ihrem Verein so tief, dass diese sehr stabil sei.

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Allerdings müsse sich der Verein überlegen, ob es langfristig hilfreich sei, „leicht verdientes Geld einzustreichen“, ungeachtet aller Bedenken. Die Tragfähigkeit dieser Strategie sei durchaus zu bezweifeln. „Kommt man auch im Verein zu dieser Auffassung, bedeutet das: Der FC Bayern braucht eine Exit-Strategie.“

Bayern sollte auf Werte wie Glaubwürdigkeit setzen

Sich im Weltfußball auch wirtschaftlich als Gegenpol zu positionieren zu Klubs wie Paris Saint-Germain, Manchester City und anderen, die aus Katar, Abu Dhabi und Saudi-Arabien finanziert werden, und im globalen Wettbewerb mit Investoren und Staaten auf Werte wie Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit zu setzen, hält Errichiello keinesfalls für ein romantisches Ideal. „Marketing-theoretisch betrachtet wäre das eine grandiose Geschichte. Denn es gibt bisher keinen großen Verein, der das so macht“, sagt er, „wer es jetzt schafft, ein Leuchtturm des Sports zu sein oder zu werden, also mit einem ethischen Ansatz nach vorne zu gehen, dem könnten sich neue Einnahmequellen eröffnen.“ Damit könnten sich andere Sponsoren schmücken wollen.

Für Errichiello wäre das „eine langfristige Markenstrategie, die zugleich den Effekt hätte, dass jene Vereine, die sozusagen konventionell böse weiterarbeiten wollen, als immer böser wahrgenommen werden, je mehr sich der FC Bayern in die andere Richtung bewegen würde.“ Allerdings müsste sich ein solcher Weg ökonomisch beweisen, und ob das klappt, wisse man erst nach frühestens zehn Jahren. „Es wäre ein weiter Weg für den FC Bayern“, sagt Errichiello, aber er hält ihn sogar für den „vielversprechendsten“. Er formuliert es so: „Der FC Bayern könnte federführend sein.“