Herzogenaurach. Dänemark im EM-Halbfinale, ein Tscheche führt die Torschützenliste an - bei vielen Experten dürfte der Status bröckeln. Eine Kolumne.

Eines Abends in Herzogenaurach klingelte mein Telefon. Meine Tochter war dran, sie benötigte dringend meine Hilfe: für ein EM-Tippspiel in ihrer Klasse. Dazu muss man sagen, dass meine Tochter weder Ahnung von noch Interesse am Fußball hat, weshalb ich die berechtigte Hoffnung habe, dass sie nie lesen wird, was ich hier schreibe. Für ein Tippspiel aber ist das nicht die schlechteste Voraussetzung, da landen immer wieder Leute vorne, die 4-4-2 für ein Rasierwasser halten.

Warum Laien im Tippspiel die Führung übernehmen

Meine Tochter hat ihre Tipps fast ausschließlich an den Wettquoten ausgerichtet. Und was soll ich sagen: Nach den Viertelfinalspielen hat sie die Führung in ihrer Tipprunde übernommen. Ich mache mir allerdings ein wenig Sorgen vor den Bonusfragen nach Turniersieger, Torschützenkönig, Halbfinalisten. Denn dabei habe ich sie ein wenig beraten, und nun könnte mein Expertenstatus bei ihr bröckeln. Aber mal ehrlich: Wer hätte denn einen Halbfinalisten Dänemark oder einen Toptorjäger aus Tschechien auf der Liste gehabt?

Selbst die Italiener spielen mutig nach vorne

Aber das ist ja das Schöne am Fußball: dass man vorher nicht weiß, wie es ausgeht. In dieser Hinsicht gefällt diese EM bislang: Weltmeister raus, Europameister raus, mutige Außenseiter, erfrischender Offensivfußball. Meine Tochter interessiert all das freilich nicht, sie schaut nur auf ihren Tabellenplatz. Typisch italienisch, hätte man zu den großen Catenaccio-Zeiten sagen können. Aber selbst die spielen inzwischen ja mutig nach vorne.

Und so bleibt bei diesem Turnier nur eine Gewissheit erhalten: Sportjournalisten sind meist miese Tipper.