Frankfurt/Main. Der krisengeplagte Deutsche Fußball-Bund kommt nicht zur Ruhe. Nach seinem Nazi-Vergleich wird die Luft für Präsident Fritz Keller immer dünner.

Die verbale Entgleisung von DFB-Präsident Fritz Keller hat im deutschen Sport Entsetzen ausgelöst - von einem Rücktritt will der Spitzenfunktionär bislang aber nichts wissen. Doch der Druck auf den 64-Jährigen wächst - erste Verbände rücken von ihm ab.

Bayerischer Fußball-Verband legt Fritz Keller Rücktritt nahe

Keller hatte bei einer Präsidiumssitzung nach Berichten von bild.de und spiegel.de seinen Vizepräsidenten Rainer Koch mit Nazi-Richter Roland Freisler verglichen. Der Deutsche Fußball-Bund äußerte sich nicht zu Einzelheiten, bestätigte aber eine Entschuldigung Kellers. Auch Koch äußerte sich nicht. Entgegen den Aussagen des Verbandschefs hat Koch die Entschuldigung bisher jedoch nicht angenommen.

Auch interessant

Der Druck auf Keller wuchs stündlich. Das Präsidium des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) legte ihm indirekt den Rücktritt nahe. „Fritz Keller disqualifiziert sich, er vertieft so weiter die Gräben und betreibt Polarisierung“, teilte der BFV nach einer Videokonferenz ohne seinen Präsidenten Rainer Koch am Dienstag mit: „Mit einem derartigen Verhalten, das jedwede Grenzen überschreitet und nicht zu tolerieren ist, wird er seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht.“

DFB-Chef Fritz Keller schließt Rücktritt aus

Keller, der seit Monaten im Mittelpunkt eines Machtkampfes an der Spitze des größten Einzelsportverbandes der Welt steht, schloss einen Rücktritt aus - was er mit einer Fußball-Metapher deutlich machte. „In Zeiten gesellschaftlicher Zerrissenheit sollten wir uns als Fußballer nach meinem Foul die Hände reichen und ein gemeinsames Zeichen der Versöhnung geben“, sagte der DFB-Boss: „Ich freue mich, dass Rainer Koch zu gemeinsamen Gesprächen bereit ist.“

Keller gab zu, dass er „mit der Bemerkung in der Präsidiumssitzung am vergangenen Freitag gegenüber meinem 1. Vizepräsidenten Dr. Rainer Koch einen schwerwiegenden Fehler begangen“ habe. „Ich ging davon aus, dass er meine Entschuldigung, um die ich ihn schriftlich und am Telefon gebeten habe, umgehend annehmen würde. Diese Einschätzung war, wie aus seiner gestrigen schriftlichen Antwort an mich hervorging, falsch“, erläuterte der DFB-Präsident: „Ich bedauere, dass nach meinem gestrigen Statement ein anderer Eindruck entstanden ist.“

Rainer Koch zeigt sich von Fritz Kellers Worten tief getroffen

Zuvor hatte Koch explizit der Darstellung Kellers widersprochen, wonach er dessen Bitte um Verzeihung bereits nachgekommen sei. Koch teilte auf Anfrage der Nachrichtenagentur SID mit, dass er die schriftliche Entschuldigung des Präsidenten „bislang nicht angenommen“ habe, „weil er den gesamten Vorgang mit zeitlichem Abstand zunächst in einem persönlichen Gespräch mit Fritz Keller aufarbeiten möchte“.

DFB-Vize Rainer Koch will die Entschuldigung Kellers noch nicht annehmen.
DFB-Vize Rainer Koch will die Entschuldigung Kellers noch nicht annehmen. © dpa

Koch, im Hauptberuf selbst Richter, ist davon nach SID-Informationen derart schwer getroffen, dass eine Annahme der Entschuldigung nicht vorausgesetzt werden kann. Keller hatte zuvor gesagt: „Manchmal fallen in Kontroversen Worte, die nicht fallen sollen und nicht fallen dürfen. Dafür habe ich mich in aller Form persönlich im Gespräch wie auch schriftlich bei Rainer Koch entschuldigt.“ Insbesondere auch im Hinblick auf die Opfer des Nationalsozialismus sei der Vergleich gänzlich unangebracht. "Ich bedauere dies sehr und werde meine Worte künftig weiser wählen“, so Keller.

Vorfall bei der DFB-Präsidiumssitzung

Der 1945 gestorbene Freisler war als Teilnehmer an der Wannseekonferenz einer der Verantwortlichen für die Organisation des Holocaust und später Präsident des berüchtigten Volksgerichtshofes, wo er etwa 2600 Todesurteile verhängte. Darunter auch gegen die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“.

Auch interessant

Der langjährige DFB-Vize und zeitweilige Interims-Verbandschef Koch ist Strafrichter am Oberlandesgericht München. Der Vorfall soll sich bei der Präsidiumssitzung am vergangenen Freitag zugetragen haben. Nach „Spiegel“-Angaben hat DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius danach eine Anzeige bei der Ethikkommission des Verbandes erstattet. Der DFB wollte sich dazu nicht äußern.

Der DFB befindet sich seit dem Beginn der Affäre um die WM-Vergabe 2006 im Krisenmodus. Keller hätte den Verband eigentlich beruhigen sollen, doch das Gegenteil war der Fall. Seit Monaten tobt ein Machtkampf zwischen ihm und dem Lager um Generalsekretär Friedrich Curtius. Dabei gelangen immer wieder pikante Details an die Öffentlichkeit, die beide Seiten in ein schlechtes Licht rücken.

DFB denkt über Bundestag mit Neuwahlen nach

Nach Informationen des „Kicker“, der schon vor Tagen aus dem Schreiben zitierte, heißt es darin unter anderem, dass „die Handlungsfähigkeit in der Führungsspitze des DFB nicht mehr gegeben“ sei und der Zustand des DFB als „desolat“ ansieht. Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ soll es in der Frankfurter Verbandszentrale sogar Überlegungen geben, bereits im Spätsommer dieses Jahres einen Bundestag mit Neuwahlen einzuberufen. Wahlen stehen eigentlich erst 2022 an.

Auch interessant

Keller ist seit September 2019 Chef des größten Einzel- Sportfachverbandes und hat im März erklärt, auch für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Der frühere Präsident des Bundesligisten SC Freiburg versprach nach seinem Amtsantritt unter anderem, den immer noch nicht restlos aufgearbeitete Skandal um die Heim-WM 2006 aufzuklären. (sid/dpa)