Essen. Als Bayern-Fans Hoffenheims Mäzen Hopp beleidigten, stellten die Teams das Spielen ein. Eine Doku zeigt: Vorab wussten viele Bescheid.

Uli Hoeneß hatte gewusst, was passieren wird. Der DFB, Dietmar Hopp sowie die TSG Hoffenheim ebenso. Und auch der Sky-Kommentator Kai Dittmann. Was war echt am Sinsheimer Skandalspiel vom 29. Februar 2020, als Bayern-Ultras den TSG-Gönner auf Plakaten und mit Gesängen beleidigt hatten - und was inszeniert?

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Einiges deutet daraufhin, dass all die Empörung der Fußball-Funktionäre gar nicht so spontan war, wie es große Teile der Öffentlichkeit vor gut einem Jahr gedacht hatten, als Hopp und Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge im Regen von Sinsheim Hand in Hand ein Zeichen gegen die Diskriminierung des Milliardärs setzten. Als Reporter Dittmann vor lauter Rührung am Kommentatorenplatz aufstand und applaudierte.

Die Sportstudio-Dokumentation „Der Prozess: Wie Dietmar Hopp zur Hassfigur der Ultras wurde“, die am Samstagabend im ZDF ausgestrahlt worden ist und in der Mediathek des Senders abrufbar ist, beleuchtet die Vorfälle nun nach einem Jahr ausführlich. Und sie wirft ein neues Licht auf die Ereignisse und alles, was folgte.

Kritik an der Rolle des Autors in der Causa Hopp

Vorab hatte es auch kritische Stimmen gegeben. Autoren der Dokumentation sind ausgerechnet der Moderator Jochen Breyer und Journalist Jürn Kruse. Dabei war es ja Breyer gewesen, der auch eine Hauptrolle in der Causa Hopp einnahm. Im April 2020 spielte das ZDF zwei Video-Statements von Hopp im von Breyer moderierten Sportstudio ein, ohne die Möglichkeit zu haben, kritische Nachfragen zu stellen. Dabei wäre das bei Hopps sehr einseitiger Darstellung angebracht gewesen.

Genauso wie der mögliche Interessenkonflikt Breyers. Er hatte - als freiberuflicher Moderator durchaus üblich - durch einen Neujahrsempfang der TSG Hoffenheim geführt. Inzwischen nimmt Breyer solche Aufträge nicht mehr an, und hat auch eingestanden, dass die Videoeinspieler im Sportstudio ein Fehler gewesen seien. Ist das der Dokumentation anzumerken?

Ultras auf der einen, Establishment auf der anderen Seite

„Ihr macht euch das zu einfach, ihr versucht, immer beide Seiten zu beleuchten“, sagt Uli Hoeneß und macht den Autoren damit das größte Kompliment. Er kritisiert, dass Journalisten journalistisch arbeiten. Es ist in der Tat eine der Stärken dieses differenzierten Films, in dem allerdings die eigene Rolle Breyers überhaupt nicht thematisiert wird.

Denn zwei Welten treffen aufeinander und dürfen ihre Sichtweisen schildern: Die sonst medienscheuen Ultras, vertreten durch zwei Mitglieder der Münchener Gruppe Schickeria und Jan-Henrik Gruszecki, einem ehemaligen BVB-Ultra, der inzwischen Berater von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist.

Auf der anderen Seite das Establishment: Hopp-Freund Hoeneß und Hopp-Anwalt Christoph Schickhardt, der Hopp - unwidersprochen - als „Mann des Volkes“ und „letzten richtigen Fußballfan“ bezeichnen darf. Der Mäzen selbst wollte sich nicht äußern.

Kollektivstrafen gegen Fans und die Folgen

Breyer und Kruse erzählen Hopps Fußballwerdegang nach. Wie der Milliardär nie mit Ablehnung umgehen konnte, wie er einst Christian Heidel, Manager von Mainz 05, Diskriminierung vorwarf, weil dieser das Projekt Hoffenheim differenziert kritisierte. Und dann begann Hopp vor ein paar Jahren damit, Ultras wegen Schmähungen gegen ihn anzuzeigen. Die „Büchse der Pandora“ sei da geöffnet worden, meint Gruszecki. Der Fast-Abbruch von Sinsheim ist der Höhepunkt der Eskalationsspirale.

Dabei spielten vor allem die wiedereingeführten Kollektivstrafen für Fans eine Rolle. Reinhard Grindel, der ehemalige DFB-Präsident, berichtet von einem Zerwürfnis mit Vize Rainer Koch. Der eine warb für den Dialog mit Ultras (weil er die deutsche EM-Bewerbung nicht gefährden wollte) und setzte die Kollektivstrafen aus, der andere, Jurist Koch, ist ein Freund der harten Gesetzgebung - und brachte die von Fans verachteten Kollektivstrafen zurück. Koch, so Grindel, habe sogar verdeckte Ermittler in den Fanblock einschleusen wollen. Das bestreitet er. „So was kommt von sowas“, sagt Grindel zu den Hopp-Plakaten von Sinsheim.

Symptom, aber nicht Kern des Problems

Was bleibt? Dass die Ultras Gründe für ihren Protest haben, auch wenn man die Art und Weise hinterfragen kann. Nach einem Jahr Geisterspiele sind die Fronten zwischen Verband und Fans weiterhin verhärtet. Die Hopp-Proteste sind ein Symptom, aber nicht Kern des Problems.