Leipzig. Nach den fünf Corona-Fällen im Team der Ukraine folgt die Welle der Empörung. Und das DFB-Team? Es reist weiter ins nächste Hochrisikogebiet.

Joachim Löw ist ein sehr höflicher Gesprächspartner. Man kann dem Bundestrainer die ungewöhnlichsten Fragen stellen – zum Beispiel nach Horst Lichter oder Dieter Bohlen – und bekommt nahezu immer eine aussagekräftige Antwort. Nur am späten Sonnabend war Löw auch auf mehrfache Nachfrage im wahrsten Sinne des Wortes überfragt. „Da bin ich nicht der richtige Ansprechpartner“, antwortete der 60-Jährige auf die Fragen über den Sinn und Unsinn des Festhaltens am Spiel gegen die Ukraine, die am Vortag fünf positive Corona-Fälle innerhalb der Mannschaft einräumen musste.

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Dass die Partie überhaupt stattfinden würde, stand knapp fünf Stunden vor dem Anpfiff noch gar nicht fest. "Wir haben gefiebert, dass es keine weiteren Fälle gibt", räumte DFB-Direktor Oliver Bierhoff mit einer eher unpassenden Wortwahl im ZDF ein. Erst als der komplette Kader der Ukrainer ein weiteres Mal im Teamquartier im Steigenberger Hotel getestet wurde und alle Ergebnisse negativ waren, gab das zuständige Gesundheitsamt Leipzigs grünes Licht. Allerdings mit einer sehr seltsamen Begründung: Die Ukrainer hätten der Behörde versichert, dass die betroffenen Personen „keine engen Kontakt“ zu anderen Teammitgliedern gehabt hatten.

Gemeinsame Anreise, gemeinsames Unterkunft

Das verblüffte insofern, als dass die Mannschaft der Ukraine (mit den positiv getesteten Spielern) am vergangenen Mittwoch gegen Polen gespielt hatte, anschließend gemeinsam nach Leipzig gereist war und dort natürlich im gleichen Hotel residierte. „Wir sind darauf angewiesen, was uns dieses Team erzählt“, sagte Matthias Hasberg, der Sprecher der Stadt Leipzig. „Ein Gesundheitsamt ist keine Polizei.“

Das sieht man offenbar in anderen Ländern anders. Weil es beispielsweise in Norwegen im Vorfeld des für Sonntag angesetzten Spiels in Rumänien ebenfalls einen positiven Fall gab, wurde die gesamte Nationalmannschaft von den norwegischen Behörden unter Quarantäne gestellt und die Partie von der Uefa – eher unfreiwillig – abgesagt.

DFB-Tross reist weiter - ins Risikogebiet

Weil aber in Leipzig beide Mannschaften geschätzt mehr als 200 Testungen absolvieren mussten, ehe man sich doch für das Spiel entschied, folgte noch vor dem Anpfiff keine dritte Corona-Welle, aber sehr wohl eine Welle der Empörung. „Ich verstehe, dass die Menschen derzeit andere Sorgen, andere Gedanken haben“, sagte Bundestrainer Löw, dem während der Pressekonferenz Verbandssprecher Jens Gritter versuchte, zur Seite zu springen. So habe die Uefa bei den entsprechenden Laboren langfristig alle notwendigen Testungen „vorgebucht“, versicherte Grittner. „Wir gehen verantwortungsvoll und auch ein Stück weit demütig mit dieser Situation um.“

An diesem Montag fliegt die deutsche Mannschaft also zum nächsten Spiel. Nach Sevilla. Ins Hochrisikogebiet.​