Berlin. Sozialhilfeempfänger und Migranten erleben auf dem Wohnungsmarkt öfter Diskriminierung. Warum es sich lohnt, sich dagegen zu wehren.

Geld öffnet auf dem Wohnungsmarkt viele Türen – im wahrsten Sinne des Wortes. Wer allerdings weniger davon hat, stößt auf große Hürden. Besonders Hartz-IV-Beziehende haben es oft schwer: Viele Vermietende wollen keine Sozialhilfe-Empfangende in ihren Wohnung, manche schreiben sogar explizit "kein Jobcenter" oder "kein Hartz-IV" in die Anzeigen. Gegen diese Diskriminierung können sich Betroffene wehren.

Hartz-IV-Empfangende und Menschen mit offensichtlicher direkter oder indirekter Migrationsgeschichte haben es bei der Wohnungssuche schwerer als andere Bevölkerungsgruppen. Das geben auch Studien und Umfragen wieder.

In einer repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) gaben 2020 rund 41 Prozent der Befragten an, dass sie Bedenken hätten, ihre Wohnung an eine eingewanderte Person zu vermieten. Bei einer älteren Befragung von drei Berliner Wohnungsbaugesellschaften aus dem Jahr 2011 erklärten deren Mitarbeitende, wie sie Mietinteressierte in Kategorien einteilen würden: So würden Hartz-IV-Empfangenden beispielsweise Wohnungen in Innenstadtlage verwehrt bleiben.

Hartz-IV: Diskriminierung wegen sozialer Herkunft melden

Auch wenn eine Diskriminierung nicht immer so eindeutig daherkommt wie bei Wohnungsanzeigen, in deren Überschrift "kein Jobcenter" steht: Auch weniger offensichtliche Diskriminierungen sollten Betroffene bei der Antidiskriminierungsstelle melden.

Auf dem Portal "Wegweiser" bietet die ADS Beratungen und eine erste rechtliche Einordnung der Fälle an. Greift der rechtliche Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nicht, listet die ADS andere Unterstützungsangebote auf.

Bei Diskriminierungen aufgrund der sozialen Zugehörigkeit auf dem Wohnungsmarkt arbeiten beispielsweise die Allgemeine Sozialberatung der Caritas und der Diakonie ihre Hilfe an. Allerdings gibt es auch einen Weg, vor Gericht zu ziehen und Schadensersatz einzuklagen.

Hartz IV als Kriterium: Kann ich bei Diskriminierung klagen?

Das AGG soll Bürger und Bürgerinnen bei Diskriminierungen wegen ihres Alters, ihres Geschlechts, einer Behinderung, ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Religion, ihrer sexuellen Identität, ihrer Weltanschauung oder aus rassistischen Gründen schützen. Andere Merkmale – etwa die soziale Herkunft oder das Vermögen – sind in dem Gesetz noch nicht inbegriffen.

In der Europäischen Grundrechtecharta ist das anders: Dort wird die "soziale Herkunft" ebenfalls als Diskriminierungsmerkmal genannt. Einer juristischen Einschätzung zufolge soll auch Deutschland weitere Merkmale ins AGG aufnehmen. Doch was bedeutet das für Betroffene, die bei der Wohnungssuche diskriminiert wurden?

Bei einer offensichtlichen oder belegbaren Diskriminierung können sich Betroffene einen Rechtsbeistand besorgen und auf Schadensersatz klagen. Wichtig ist dabei, dass sie die Diskriminierung nachweisen können. Das ist oft schwierig. Wer allerdings offen "kein Jobcenter" oder "keine Ausländer" in seine Wohnungsanzeige schreibt, verstößt mindestens gegen das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

Wegen Hartz IV diskriminiert: Bekomme ich Schadensersatz?

Gleichzeitig sollten sich Betroffene vor dem Schritt der Klage gut beraten lassen – andernfalls drohen hohe Kosten, die besonders für Sozialhilfeempfangende schwer zu tragen sind. Für Diskriminierungen, die unter das AGG fallen, gilt außerdem eine außergerichtliche Ausschlussfrist von zwei Monaten. In dieser Zeit muss der oder die Betroffene den Schadensanspruch bei der verursachenden Person (dem oder der Vermieterin) melden.

In der Vergangenheit haben deutsche Gerichte den Betroffenen in zahlreichen Fällen Schadensersatz zugesprochen, wenn sie bei der Wohnungssuche offen diskriminiert wurden. Erst 2019 sprach das Amtsgericht Augsburg einem afrikanischen Mietinteressenten eine Entschädigung von 1000 Euro zu, weil der Eigentümer bereits das erste Telefonat beendete, als er von der Migrationsgeschichte des Mannes aus Burkina Faso erfuhr.

Hartz IV: Viele Betroffene fühlen sich von vornerein chancenlos

Ab wann ein Gericht einen Fall als Diskriminierung wertet, lässt sich aber besonders im Hinblick auf den sozialen Status nur schwer beantworten. Deswegen und wegen der damit verbundenen Kosten dürften viele Betroffene es gar nicht erst versuchen, gegen die Diskriminierung vorzugehen.

Die ADS hebt allerdings hervor, dass jeder Fall gemeldet werden soll. Nur so kann auch die verantwortliche Stelle des Bundes dafür sorgen, dass entsprechende Maßnahmen gegen das Problem getroffen und Gesetze angepasst werden. Im Idealfall hätte der Wohnungsmarkt dann zumindest eine Hürde weniger. (reba)

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.