Langzeitarbeitslose sind die Falschen, um im Sozialetat zu kürzen. Eine Debatte angesichts sich leerender Kassen ist aber überfällig.

Reicher Finanzminister lässt es auf Sylt krachen und nimmt den Arbeitslosen gleichzeitig das Geld weg. Mit diesem Sound jagte eine Geschichte erst durch die Hauptstadt und dann durchs Land und sorgte bei Sozialpolitikern für besorgniserregende Blutdruckwerte. Höchste Zeit, dass sich alle Beteiligten mal wieder abregen.

Sicher, Christian Lindner hat auch schon Böcke geschossen, aber ganz so plump war dieser Plot nicht. Die Ampel hat lausig kommuniziert und mit Planzahlen hantiert, die mit der Realität offenbar nicht viel zu tun haben. Das schadet dem Anliegen von Langzeitarbeitslosen, die mehr als sieben Jahre ohne Arbeit sind, und verunsichert die Menschen unnötig.

Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion © Dirk Bruniecki

Verantwortlich für diesen jüngsten Ampel-Knatsch sind alle Beteiligten. Es war das Bundeskabinett, das den Entwurf der Finanzplanung gemeinsam verabschiedet hat, mit den Stimmen der Ministerinnen und Minister von SPD, Grünen und der FDP. Auch Kanzler Olaf Scholz, als langjähriger Finanzminister erfahrener Hüter von Staatsfinanzen, hatte nichts zu meckern.

Fakt ist: Der Staat gibt deutlich mehr aus, als er einnimmt

Demnach soll die Förderung von 4,8 auf 4,2 Milliarden Euro sinken. Und nicht der liberale Finanzminister ist schuld, sondern der sozialdemokratische Arbeitsminister ist für die Mittelplanung verantwortlich. Dass Hubertus Heil wirklich bei Langzeitarbeitslosen sparen will, ist eher unwahrscheinlich. Der Minister gilt als das soziale Gewissen der SPD und verweist darauf, dass es trotz des geschrumpften Haushaltsansatzes gar keine konkreten Sparpläne gibt.

Wie ernst es den Beteiligten mit dem Sparen ist, zeigt der Hinweis, dass "alles" ja noch in den Bundestag muss. Sprich: Spätestens dort wird der angebliche Sparplan gestoppt, zerpflückt oder zumindest entschärft. Niemand braucht zu glauben, dass es angesichts einer heftigen Inflation jetzt ausgerechnet den Langzeitarbeitslosen massiv ans Geld geht.

Das Ärgerliche an dem jüngsten Streit ist: Eine ernsthafte Debatte darüber, welche sozialen Leistungen sich der Staat auf Dauer noch leisten kann, ist auf das Niveau billiger Schlagzeilen reduziert worden. Fakt bleibt: Der Staat gibt deutlich mehr Geld aus, als er einnimmt, und daher ist auch der größte Etat im Bundeshaushalt, der Sozialetat, immer wieder zu überprüfen. Ein ewiges Weiter-so oder ein Ausgabeautomatismus wäre unfair gegenüber denjenigen, die mit harter Arbeit diesen gigantischen Etat und die vielen Sozialleistungen finanzieren.

Der Staat fördert viele, die es nicht wirklich nötig haben

Man kann auch sagen: Das Übel für den Steuerzahler beginnt mit dem unausgesprochenen populistischen Anspruch, dass der Staat jede Notlage mit dem Griff in einen märchenhaft gefüllten Steuergeldspeicher irgendwie lindern kann. Auch mittelmäßig mathematisch Begabte wissen: Genau das kann der Staat auf Dauer nicht leisten.

Und zur Wahrheit gehört auch: Der Staat fördert mit der Gießkanne auch viele, die es nicht wirklich nötig haben. Das weiß niemand besser als diejenigen, die wirklich mit jedem Cent zu rechnen haben und die ein feines Gespür für Ungerechtigkeiten haben.

Das jüngste Milliardengeschenk Tankrabatt an Mineralölmultis & Co. lässt grüßen. Diese Geldverbrennung hat nicht nur die Langzeitarbeitslosen aufgeregt, die sich gar kein Auto leisten können und ihre Kinder morgens mit dem Bus zur Schule bringen müssen.

Angesichts sich leerender Kassen ist eine Debatte über die Grenzen des Leistbaren wirklich überfällig. Aber bitte ehrlich – und nicht mit einer Scheindebatte auf dem Rücken der wirklich Schwachen.

Dieser Text erschien zuerst auf waz.de