Kiel. Regierungschef Daniel Günther feiert mit der CDU einen klaren Wahlsieg in Schleswig-Holstein. Und empfiehlt sich für höhere Aufgaben.

Die Orte, an denen Daniel Günther seine Wahlsiege feiert, laden ein zu einem wuchtigen Bild. 2017, als niemand ihn so richtig kannte oder ihm gar einen Erfolg zugetraut hatte, lief er zur CDU-Party noch über einen schmalen Holzsteg zu einer Bar im Kieler Hafen, plattdeutsche Gediegenheit statt Siegesrausch. Heute, an diesem Sonntag, läuft Günther durch die Gänge der Kieler Arena, eine Treppe hoch, an der oben zwei Dutzend Fotografen und Kamerateams warten. Scooter tritt in der Halle bald vor Tausenden auf, die Handballer vom THW sind hier zuhause.

An diesem Abend aber läuft Günthers Wahlerfolg auf einem Dutzend Flachbildfernsehern in der Arena-Lounge, ein paar Hundert CDU-Mitglieder und Günther-Fans bejubeln ihren Ministerpräsidenten. Und hier, wo alles im Neonlicht leuchtet, läuft Daniel Günther durch die Menge, die seinen Namen ruft und im Takt klatscht.

CDU liegt bei mehr als 40 Prozent

"Sensationell", sagen manche hier, "Wahnsinn", rufen andere. Und als Daniel Günther die Bühne in der "Business Lounge" erreicht, spricht er von einem "enormen Vertrauensbeweis". Er sei "persönlich berührt" von diesem Wahlerfolg. Ein Sieg für die ganze Partei, sagt Günther.

Seine Partei hat im Norden laut ersten Hochrechnungen mehr als 40 Prozent geholt. Ein Ergebnis, wie es die CDU in Schleswig-Holstein zuletzt 2005 erreicht hat. Die Partei liegt weit vor allen anderen. Es folgen irgendwann die Grünen. Die SPD in Schleswig-Holstein, die vor der CDU noch den Ministerpräsidenten gestellt hatte, schneidet historisch schlecht ab, landet laut ersten Prognosen nur auf Platz 3. Für die CDU liegt kurz nach 18 Uhr sogar die Chance auf eine Alleinregierung in der Luft. Und in der Kieler Arena schreiben fast alle CDU-Anhänger diesen Erfolg vor allem einem zu: Daniel Günther.

2017 war Günther nur ein Ersatzkandidat

2017 war Günther für die CDU im Norden Monate vor der Wahl nur als Ersatzkandidat eingesprungen, weil sein Vorgänger zu wenig Rückhalt in den eigenen Reihen hatte und die Partei in Umfragen schlecht dastand. Viele fragten: "Günther, wer?" Und schmunzelten über das Teenager-Gesicht des Mittvierzigers.

Das ist vorbei. Kein anderer Regierungschef in einem Bundesland erreicht derzeit seine Beliebtheitswerte. Was viele an diesem Abend denken, bringt Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack auf der CDU-Wahlparty im Gespräch mit unserer Redaktion auf den Punkt: "Wer heutzutage so abschneidet, auf den werfen auch andere den Blick."

Daniel Günter – der nächste Kanzlerkandidat der Union?

Der Blick geht nach Berlin. In die Hauptstadt. Für die Union bringt sich Daniel Günther mit dem Erfolg bei der Landtagswahl im Norden auch als Kanzlerkandidat ins Spiel. Wie hat er diesen Erfolg erreicht? Günther baute vor fünf Jahren in Kiel das auf, was 2017 in Berlin schon in den Verhandlungen für eine Koalition an Eitelkeiten und Keilerei scheiterte: ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP.

Günthers Jamaika-Sound war vor allem Geräuschlosigkeit, manche sagen, dass die Harmonie der Koalition zeitweise in Gefälligkeit kippte. Doch im Norden, wo politisch viele Jahre die Barschel-Affäre einige Regierende von einem Skandal zum nächsten trug, verfing dieser Stil. Zumal Günther auch Erfolge verbuchen kann: Die Schulen sind digitalisiert, der Ausbau des Windenergie-Standorts Schleswig-Holstein geht voran, und, so sagen es viele CDU-Anhänger, Günther habe den Norden gut durch die Corona-Pandemie geführt.

Politische Konkurrenten sind nach Berlin gegangen

Sicher: Günther wird auch Wahlsieger, weil ihn der Amtsbonus trägt. Und weil politische Schwergewichte der Konkurrenz aus dem Norden in Richtung Hauptstadt abgewandert sind: der Grüne Robert Habeck, der Liberale Wolfgang Kubicki, der Sozialdemokrat Ralf Stegner. Günther hatte die große Bühne für sich allein, die anderen Spitzenkandidaten konnten ihm nicht gefährlich werden.

Schon in den letzten Umfragen vor der Wahl hatte Günthers CDU teilweise 15 oder sogar 20 Prozentpunkte vor SPD und Grünen gelegen. "Nahbar" sei er, und ein "guter Moderator". Am Wahlabend dankt Günther in seiner Rede auch den Koalitionspartnern seines Jamaika-Bündnisses. Niederschmetternd für die Konkurrenz ist Günthers Popularität selbst unter SPD-Anhängern: Zustimmungswerte um die 70 Prozent.

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Günter hat gesagt, er bleibe in Schleswig-Holstein

Seine Beliebtheit, sein Wahlerfolg, sein für politische Spitzenämter junges Alter, seine steile Karriere – all das wirft nun die Frage auf: Strebt Daniel Günther nach mehr? Er selbst habe immer gesagt, er bleibe, sagen viele in der Nord-CDU auf der Wahlparty. Aber es wachsen schon die Zweifel, wie lange der Treueschwur hält.

Friedrich Merz führt die CDU im Bund. Seine Linie: wirtschaftsnah, konservativ. Günther war immer mehr Merkel-CDU als Merz-Lager. Immer wieder mischt sich der Norddeutsche in die Bundespolitik ein: Er setzte sich bis zuletzt für die generelle Impfpflicht gegen Corona ein, er warb für die Frauenquote, und Günther machte die Energiewende zu seinem zentralen Wahlkampfthema, wilderte in grünen Gefilden.

Wahlplakate in Schleswig-Holstein
Wahlplakate in Schleswig-Holstein © dpa

Die AfD könnte aus dem Landtag fliegen

Aber Günther weiß auch, dass er vorsichtig sein muss. Und dass sein liberales Querschießen aus dem Norden schnell zum Knieschuss in einer Merz-CDU werden kann. Schon einmal, 2018, musste er spüren, was Gegenwind aus den eigenen Reihen bedeutet: Günther wollte ein Bündnis zwischen CDU und Linkspartei enttabuisieren. Er musste hart beidrehen, zurückrudern.

Jetzt aber jubeln sie in der CDU. Auf der Wahlparty zweimal besonders laut: einmal beim Ergebnis der eigenen Party. Ein anderes Mal aber, als die wenigen Prozentpunkte der rechten AfD bekannt werden. Die Partei der Radikalen droht das Ausscheiden aus dem Landtag.

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Günther kann sich seinen Koalitionspartner aussuchen

Günther selbst wurde zuletzt nicht müde, für ein "Weiter-so" mit der Jamaika-Koalition zu werben. Kurs halten, so war auch sein Wahlslogan.

Doch mit seinem großen Erfolg wächst zugleich Günthers Dilemma. Denn laut ersten Hochrechnungen braucht Günther gar keine drei Parteien in seinem Bündnis. Eine Koalition aus CDU und Grünen hätte eine satte Mehrheit. Günther könnte mit einem Grünen Partner sein liberales Profil in einer konservativen Merz-CDU schärfen. Der CDU-Mann könnte Schleswig-Holsteins Standortfaktor Windkraft mit den Grünen glaubwürdig ausbauen.

Die FDP wäre der bequemere Partner

Zugleich aber sind die Grünen im Land nicht mehr voll auf Kurs des alten Habeck-Pragmatismus. Viele Junge, viele Linke machen im Norden nun grüne Politik. Für Günther können das unangenehme Verhandlungen werden – mit deutlich schärferen Debatten über den Kurs der Regierung.

Die FDP wäre für Günther sicher der einfachere, bequemere Partner. Zugleich ist die Mehrheit weniger stabil. Und: Günthers Mischung aus Verlässlichkeit und Frische, die ihn überhaupt erst an die Macht brachte, könnte schnell in schwarz-gelber Harmonie erschlaffen. Das kann Günther nicht recht sein – gerade wenn er doch als Konkurrent zu Friedrich Merz auf bundespolitischer Bühne Erfolg haben will.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.