Berlin/Rom. Er galt als progressiver Kämpfer für Migranten. EU-Parlamentspräsident David Sassoli ist tot. Er war bereits länger im Krankenhaus.

Die Nachricht kam mitten in der Nacht: Der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, ist tot. Er sei am Dienstag um 1.15 Uhr im Centro di Riferimento Oncologico in Aviano, einer Klinik in der nordostitalienischen Region Friaul-Julisch Venetien, gestorben, sagte EU-Parlamentssprecher Roberto Cuillo der Deutschen Presse-Agentur. Der gebürtige Mann aus Florenz wurde 65 Jahre alt. Am frühen Morgen drückten die ersten Politiker ihr Beileid aus. „Ciao David, lebenslanger Freund“, schrieb Italiens Kulturminister Dario Franceschini auf Twitter.

Sassoli war bereits länger im Krankenhaus, wie am Montag bekannt wurde. Ein Sprecher des EU-Parlaments in Brüssel hatte erklärt, der Italiener sei in einer Klinik in seinem Heimatland untergebracht und werde dort behandelt. Der Aufenthalt sei „wegen einer schweren Komplikation aufgrund einer Funktionsstörung des Immunsystems“ erforderlich geworden.

Der Parlamentspräsident befand sich nach den Angaben des EU-Parlaments bereits seit dem 26. Dezember in Behandlung. Alle seine Termine wurden damals abgesagt.

Im Oktober verpasste Sassoli bereits eine Tagung des Parlaments, weil er Fieber hatte. Zuvor wurde er wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus behandelt. Das Krankenhaus Centro di Riferimento Oncologico in Aviano machte auf Nachfrage am Dienstagmorgen keine Angaben. Sprecher Cuillo erklärte auf Twitter weiter, Zeit und Ort der Beerdigung würden in den kommenden Stunden bekanntgegeben.

Über sein privates Twitter-Konto hatte Sassoli noch am Montagvormittag zum Tod der italienischen Journalistin Silvia Tortora kondoliert. Am 31. Dezember lobte er die Worte des italienischen Staatsoberhauptes, Sergio Mattarella, aus dessen Neujahrsansprache. Lesen Sie auch: EU-Kommission macht Atomkraft grün

David Sassoli: Sozialdemokrat und Journalist

Sassoli gehörte der sozialdemokratischen Partei Partito Democratico (PD) an. Er war seit Juli 2019 Präsident des Europäischen Parlaments gewesen. Der Sozialdemokrat löste seinen Landsmann Antonio Tajani von der konservativen Forza Italia ab. Zuvor hatte er von 2014 bis 2019 den Posten des Vizepräsidenten in der EU-Institution und hatte damit noch rund drei Jahre (2014 bis 2017) als Vertreter des damalige Europaparlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD) gearbeitet.

Vor seiner politischen Karriere arbeitete Sassoli als Journalist. Der Werdegang des studierten Politikwissenschaftlers startete zunächst bei kleineren Tageszeitungen. 1985 schaffte er es in die Redaktion der römischen Zeitung „Il Giorno“ (Der Tag). Später landete er schließlich im Fernsehen und moderierte sogar die Hauptnachrichtensendung TG1 des öffentlich-rechtlichen Senders Rai 1.

Er entwickelte sich schnell zum vertrauten Gesicht für Millionen Italiener, als er die Abendnachrichten im Sender Rai Uno präsentierte - eine Art italienischer „Mister Tagesschau“. 2007 wurde er auch stellvertretender Direktor des Nachrichtenprogramms TG1. 2009 zog er für die sozialdemokratische Partito Democratico (PD) ins EU-Parlament ein.

Ab 2014 war er einer der 14 Vize-Präsidenten der EU-Abgeordnetenkammer. Neben seiner Abgeordnetenarbeit betätigte sich Sassoli weiter schriftstellerisch als Autor von Büchern und Gastbeiträgen in verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften.

Sein Aufstieg zum Präsidenten des EU-Parlaments als Nachfolger seines konservativen Landsmanns Antonio Tajani kam für viele überraschend, da Italien 2019 mit dem heutigen Regierungschef in Rom, Mario Draghi, als Chef der Europäischen Zentralbank und Federica Mogherini als EU-Außenbeauftragter noch zwei weitere Spitzenposten besetzt hatte. Sassoli stellte klar, dass er seine Wahl auch als Zeichen der Unabhängigkeit des Parlamentes im Machtkampf mit den Regierungen der EU-Staaten sah. „Ich bin kein Mann des Rates“, sagte er nach seiner Wahl mit Blick auf die Vertretung der Mitgliedstaaten.

Progressiver Katholik mit Herz

Parlamentsdebatten führte der „Presidente“, der sich oft in seiner Muttersprache Italienisch äußerte, mit harter Hand, jedoch ohne verbale Ausbrüche. Seine zweieinhalbjährige Amtszeit wurde durch die Corona-Pandemie geprägt. So musste er die Umstellung des Parlamentsbetriebs auf Telearbeit koordinieren. Sein Organisationstalent verschaffte ihm Respekt unter den Abgeordneten.

Als Zeichen seiner Solidarität inmitten der Krise stellte er die verwaisten Räumlichkeiten des Parlaments sowohl in Straßburg als auch in Brüssel zur Verfügung, um Mahlzeiten für bedürftige Familien zuzubereiten und ein Covid-19-Testcenter einzurichten.

Sassoli galt unter anderem als Kritiker der Migrationspolitik vieler Mitgliedsstaaten. Immer wieder setzte er sich für die Belange von Menschen auf der Flucht ein. In Italien ist Migration besonders zwischen linken und rechten Parteien ein Streitthema, da in dem Mittelmeerland sehr viele Migranten auf ihrer Flucht in Booten ankommen, um in die EU zu gelangen.

Er galt zudem als progressiver Katholik. Nach Angaben seiner Partei war er schon als Jugendlicher bei den Pfadfindern und hatte sich in katholischen Jugendgruppen engagiert. Er hinterlässt zwei Kinder. (pcl/dpa/AFP)