Istanbul/Berlin. Erdogan erklärt Diplomaten aus zehn Ländern zu unerwünschten Personen, darunter auch den deutschen Botschafter. Das ist der Grund.

Es ist die neueste Zuspitzung einer diplomatischen Krise, die schon langes schwelt: Die Türkei hat die Botschafter Deutschlands, der USA und mehrerer anderer Staaten zu unerwünschten Personen erklärt. Das teilte der Präsident des Landes, Recep Tayyip Erdogan am Samstag in Eskisehir mit. Er selbst habe das Außenministerium dazu angewiesen.

Auf die Einstufung als „persona non grata“ folgt in der internationalen Diplomatie in der Regel die Ausweisung. Der türkische Staatschef nannte keine Frist. „Sie müssen die Türkei kennenlernen und lernen, sie zu verstehen“, sagte Erdogan über die zehn Botschafter und warf ihnen „Unanständigkeit“ vor. „Sie müssen hier verschwinden, wenn sie die Türkei nicht verstehen.“

Türkei: Erdogan erklärt deutschen Botschafter zu unerwünschter Person

Hintergrund scheinen wohl Forderungen der Botschafter zur Freilassung des inhaftierten Kulturförderers Osman Kavala zu sein. Er hatte den Diplomaten deshalb vorher schon indirekt mit der Ausweisung gedroht.

Jetzt machte Erdogan ernst: „Ich habe unserem Außenminister den Befehl gegeben. Ich sagte, kümmern Sie sich darum, diese zehn Botschafter so schnell wie möglich zur "Persona non grata" zu erklären“, sagte er am Samstagnachmittag. Es war zunächst unklar, ob Erdogans neueste Aussagen nun unmittelbar zu einer Ausweisung der Diplomaten von insgesamt zehn Ländern führen würden.

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„Wir können nicht den Luxus haben, sie in unserem Land willkommen zu heißen“, hatte Erdogan am Donnerstag der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge mit Blick auf die Diplomaten erkklärt. „Steht euch zu, der Türkei so eine Lektion zu erteilen? Wer seid ihr schon?“ Deutschland oder die USA ließen „Ganoven, Mörder und Terroristen“ auch nicht einfach frei.

Die Demokratie unter dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan wird von der EU scharf kritisiert.
Die Demokratie unter dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan wird von der EU scharf kritisiert. © dpa

Politiker von FDP, CDU und Grünen kritisierten das Vorgehen der türkischen Regierung gegen den deutschen Botschafter in dem Land. „Die mögliche Ausweisung von zehn Botschaftern, darunter die Vertreter von Deutschland und vieler NATO-Verbündeter der Türkei, wäre unklug, undiplomatisch und würde den Zusammenhalt des Bündnisses schwächen“, schrieb der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff am Samstag bei Twitter. „Daran kann Erdogan kein Interesse haben.“

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) forderte Sanktionen: „Erdogans skrupelloses Vorgehen gegen seine Kritiker wird zunehmend enthemmt“, sagte Roth der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse dem „autoritären Kurs Erdogans international die Stirn bieten“, Sanktionen erlassen und Rüstungsexporte in die Türkei stoppen. Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen sprach gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ von einer „außenpolitischen Eskalation“.

Vom Auswärtigen Amt hieß es, die Aussagen seien zur Kenntnis genommen worden und würden „intensiv mit den anderen betroffenen Ländern“ beraten.

Türkei: Botschafter forderten Freilassung von Osman Kavala

Die Botschaften von Deutschland und neun weiteren Ländern in Ankara hatten am Montag einen Aufruf veröffentlicht, in dem sie mit Verweis auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) die Freilassung des 2017 verhafteten Kavala forderten. Das türkische Außenministerium lud daraufhin die betreffenden Botschafter vor. Unter den einbestellten Diplomaten waren auch die der USA, Frankreichs und der Niederlande.

Der EGMR hatte 2019 bereits Kavalas Freilassung gefordert. Die Türkei ignoriert das Urteil bislang, obwohl sie als Mitglied des Europarats eigentlich zur Umsetzung verpflichtet ist. Kavala und mehr als 50 weiteren Angeklagten wird in einem Prozess ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten in Istanbul 2013 vorgeworfen. Kavala wird zudem der „politischen und militärischen Spionage“ im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 beschuldigt.

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(bml/dpa)